Frau vor einem Computer
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Leben im EU-Ausland

Weniger Bürokratie, mehr Datenaustausch

Mühevolles Ausfüllen und Übermitteln von Pensionsanträgen und Spitalsrechnungen soll für Österreicherinnen und Österreicher, die im EU-Ausland leben, endgültig Geschichte sein. Für einen einfacheren digitalen Austausch setzte sich der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger am Mittwoch in Brüssel ein. Sicherheitsbedenken hat man keine.

Seit 1. Jänner schon ist das europäische IT-System Elektronischer Austausch von Sozialversicherungsdaten (EESSI) online, 26 Staaten sind Österreich nun nachgefolgt. Mit EGDA, der österreichischen Version von EESSI, hat Österreich als erstes Land eine Freigabe der EU-Kommission für ein Datenaustauschsystem erhalten.

„Österreich ist damit wieder europaweit Vorreiter im Thema Digitalisierung“, zeigten sich Hauptverband-Generaldirektor Volker Schörghofer und Hauptverband-Vorsitzender Alexander Biach erfreut. Die Vorteile des digitalen Austauschs sieht der Hauptverband nicht nur für Versicherte, sondern auch für die Vertragspartner.

„Spart Zeit und Nerven“

Von dem europaweiten Datenaustausch betroffen sein sollen alle möglichen Bereiche. So etwa Leistungen bei Krankheit, Mutter- und Vaterschaft, Pensionen, Sterbegeld, Arbeitslosigkeit und Unfälle. Wer zum Beispiel im EU-Ausland arbeitet oder studiert, aber zu Hause versichert ist, muss Dokumente nicht mehr über Ländergrenzen per Brief hin und her schicken, sondern kann diese einfach digital übermitteln.

Das sorge, so der Hauptverband, für eine schnellere Bearbeitung von Anträgen durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter und fairere Berechnungen und Auszahlungen. „Wer zum Beispiel eine Arztrechnung aus dem Ausland zu Hause einreicht, soll nicht mehr so lange auf sein Geld warten müssen“, erklärte Schörghofer. „Das spart Zeit und Nerven und schafft soziale Sicherheit für die Menschen“, ergänzte Biach.

Doch auch die Wirtschaft profitiere, so würde etwa der „faire internationale Wettbewerb gestärkt“, wie es heißt. Auch vom Arbeitgeber aufgezeichnete Versicherungszeiten, die beispielsweise für das Auszahlen der Pension wichtig sind, können rascher übermittelt werden. „Das schafft zusätzliche Planungssicherheit für unsere österreichischen Unternehmer“, so die Verantwortlichen des Hauptverbands. Nicht zuletzt würden Kosten und Papier gespart: „Wir vermeiden einen Poststapel in der Höhe des Großglockners – bildlich gesprochen“, so Biach.

Keine Sicherheitsbedenken

Außerdem soll der Missbrauch von Leistungen leichter für die Behörden zu erkennen sein, auch die Finanzpolizei habe digitalen Zugang. So will man zudem „Wettbewerbsschwächung“ ausschließen. Gerade mit Slowenien habe es in der Vergangenheit viel Missbrauch gegeben, berichtete Schörghofer.

Eine Gefahr für die Sicherheit der Daten sieht man nicht. „Es handelt sich um ein geschlossenes Netz. Die zentrale Software verschlüsselt den Datenaustausch, und nur mit elektronischen Zertifikaten können die Daten übermittelt werden“, erklärte der Generaldirektor gegenüber ORF.at. „Damit schützen sich die Länder auch selbst.“

Gibt es keinen Grund für einen Datenaustausch, würden die Daten nicht weitergegeben. Jedoch: „Für die Sicherheit im Land selbst ist die jeweilige Organisation verantwortlich.“ „Unsere Erhebungen zeigen, dass EESSI technisch einwandfrei funktioniert“, zeigten sich die SV-Vertreter allgemein überzeugt. „Die Fehlerquote ist sehr gering und liegt bei unter zwei Prozent.“

Karas fordert europäische E-Card

61.484 Daten wurden seit Jänner digital ausgetauscht. Eine technische Umsetzung von EESSI erwarten die Behörden spätestens im Juli 2020, bis 2022 soll das System länderumfassend voll funktionsfähig sein. Sowohl die Verantwortlichen des SV-Hauptverbands als auch Politikerinnen und Politiker der ÖVP und SPÖ wünschen sich eine Ausweitung auf insgesamt 32 Staaten – auf alle EU-Staaten und die EFTA-Länder Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Freilich sei das eine große Herausforderung. Schwierigkeiten gebe es derzeit noch in der Zusammenarbeit mit Luxemburg, Griechenland und der Slowakei. Diese Länder hätten die technischen Voraussetzungen noch nicht erreicht.

Die neue E-Card mit Foto
APA/Roland Schlager
Die E-Card mit Foto kommt in Österreich bis Ende 2023. Die ÖVP fordert überdies eine europäische E-Card.

„(EESSI) erfordert eine intensive Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten auf allen Ebenen“, so Othmar Karas, ÖVP-Abgeordneter im EU-Parlament. Er sieht mit EESSI das Recht für Bürgerinnen und Bürger gewährleistet, „sich zu schützen, abzusichern und ihre Tätigkeit im Binnenmarkt zu erleichtern“. „Personenfreizügigkeit hat Europa grundlegend verändert und EU-Gemeinschaft gestärkt“, sagte Karas. Der ÖVP-Abgeordnete sieht hierbei eine Vorarbeit zu einer europäischen Sozialversicherung.

In diesem Zusammenhang verteidigte Karas das häufig kritisierte Foto auf der österreichischen E-Card, das bis Ende 2023 Standard sein soll. „Damit geht Österreich einen Schritt weiter als andere Mitgliedsstaaten“, so der ÖVP-Parlamentarier. Bisher übersteigen aber die Kosten von 18 Millionen Euro für die Einführung einer E-Card mit Foto den Nutzen. Der Schaden durch E-Card-Betrug, was unter anderem der Grund für die Einführung der E-Card mit Foto war, wurde vom Hauptverband deutlich geringer angesetzt. Doch sei eine europaweit standardisierte E-Card, bei der klar sei, welche Informationen sie enthalten müsse, künftig unerlässlich, forderte Karas: „Die europäische E-Card muss es langfristig geben.“

Sidl: „Gelebtes europäisches Miteinander“

Günter Sidl von der SPÖ zeigte sich unterdessen davon überzeugt, dass Bürgerinnen und Bürger direkt profitieren würden, wenn Europa weiter zusammenwachse. „Für die Bürgerinnen und Bürger wird das System zugänglicher und verständlicher und die zuständigen Behörden werden effizienter und können Kosten einsparen“, so Sidl. EESSI sei außerdem ein Paradebeispiel für „gelebtes europäisches Miteinander“.

Rund 579.700 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben laut Statistik Austria zurzeit ihren ständigen Wohnsitz in einem anderen Land, davon 77,5 Prozent in Europa. Hoch im Kurs liegen vor allem Deutschland und die Schweiz. Dabei nimmt die berufliche Mobilität und auch die Mobilität von Studierenden immer weiter zu. Die Ausgewanderten im EU-Raum sind laut Statistik Austria überwiegend im arbeitsfähigen Alter.