Mann geht mit vollgepacktem Schubkarren durch Hochwasser
Reuters/Manuel Silvestri
Hochwasser

„Apokalyptische Zerstörung“ in Venedig

Die Lagunenstadt Venedig stöhnt weiter unter dem schwersten Hochwasser seit Jahrzehnten. Weite Teile der Stadt sind unter Wasser, darunter auch die weltberühmte Basilika auf dem Markusplatz. Wie der Präsident der Region, Luca Zaia, am Mittwoch mitteilte, seien von dem Hochwasser nicht nur 80 Prozent der Stadt betroffen – es habe auch eine „totale, apokalyptische Zerstörung“ hinterlassen.

„Die Schäden sind unvorstellbar und beängstigend“, sagte Zaia nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA. Bei dem Hochwasser kamen Berichten zufolge zwei Menschen ums Leben. Auf der südlich der Stadt gelegenen Insel Pellestrina sei ein 78-jähriger Mann am späten Dienstagabend von einem elektrischen Schlag getroffen worden, als er versuchte, die Entwässerungspumpe in seinem überfluteten Haus wieder in Gang zu setzen. Ein weiterer Bewohner der Insel sei tot in seinem Haus gefunden worden. Eine natürliche Todesursache werde in dem Fall nicht ausgeschlossen.

Wie ANSA weiter berichtet, gibt es schwere Schäden im historischen Zentrum der Stadt. Um die sechzig Boote wurden schwer beschädigt, darunter auch einige der in Venedig als öffentliches Verkehrsmittel genutzten Wasserbusse (Vaporetti). Wegen des Wassers sei es in mehreren Teilen der Lagunenstadt zu Stromausfällen gekommen. Zudem seien die Telefonverbindungen ausgefallen.

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Frau geht durch Hochwasser auf dem Markusplatz in Venedig
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Der Großteil von Venedig steht unter Wasser – darunter auch der Markusplatz
Blick auf den überfluteten Markusplatz mit Gondeln und Menschen, die durch das Hochwasser gehen
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Die Stadt stand auch am Mittwoch weitgehend still
Gestrandetes Taxiboot in Venedig
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In der Nacht auf Mittwoch verschärften starke Windböen die Lage. Dutzende Schiffe wurden beschädigt, darunter Vaporetti.
Menschen im Regengewand und mit Regenschirmen gehen entlang vom Hochwasser
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Venedig ist an sich hochwassererprobt
Wassertaxi am Ufer gestrandet mit Dogenpalast im Hintergrund
Reuters/Manuel Silvestri
Diesmal traf es die Lagunenstadt aber besonders hart
Menschen waten durch das Hochwasser in den Straßen von Venedig
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Nach Angaben von Regionalpräsident Luca Zaia sind 80 Prozent der Stadt unter Wasser
Mann pumpt Wasser aus der überfluteten St. Mark’s Basilika
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Schwere Schäden wurden aus dem historischen Zentrum gemeldet. Betroffen ist auch der weltberühmte Markusdom.
Der Bürgermeister von Venedig Luigi Brugnaro geht im Hochwasser über den Markusplatz
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Venedig sei in die Knie gezwungen worden, wie Bürgermeister Luigi Brugnaro bei einem Lokalaugenschein auf dem Markusplatz sagte

„Wir sprechen von Hunderten Millionen Euro“

In der Stadt herrschte am Mittwoch eine fast gespenstische Ruhe. Nur ein Teil der Vaporetti verkehrten in der Lagunenstadt. Wenige Einwohner und Touristen waren auf den überschwemmten Straßen zu sehen. Venedig sei auf den Knien, sagte der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, bei einem Lokalaugenschein im historischen Stadtzentrum. „Wir brauchen Hilfe, um diese schwierigen Tage zu bewältigen“, so Brugnaro per Twitter.

Die Rede sei von Schäden in Höhe von Hunderten Millionen Euro, wie Brugnaro laut ANSA später in einer Pressekonferenz sagte. Dabei gehe es nicht nur um die direkten Hochwasserschäden, sondern auch – Stichwort Entvölkerung – um die Zukunft der Stadt selbst.

Rom verspricht Hilfe

Die Regierung in Rom erklärte sich bereit, die Stadt finanziell zu unterstützen. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erklärte, er sei dabei, die EU um Unterstützung zu bitten: „Wir prüfen nach Möglichkeiten, um dem schwer betroffenen Raum von Venedig aktiv unter die Arme zu greifen.“

Hochwasser in Venedig

Venedigs Bürgermeister hat den Notstand ausgerufen. Die Lagunenstadt kämpft zurzeit mit dem schlimmsten Hochwasser der letzten 50 Jahre.

Angesichts des Hochwassers in Venedig hat das italienische Kulturministerium eine Taskforce eingesetzt, die Maßnahmen zum Schutz der Kunstschätze der Lagunenstadt ergreifen soll. Kulturminister Dario Franceschini beobachte „Schritt für Schritt“ die Entwicklungen in Venedig, berichtete das Kulturministerium am Mittwoch in Rom.

Höchster Hochwasserspiegel seit über 50 Jahren

Besondere Sorge galt dem Markusdom. Das Wasser verursachte unter anderem Schäden am Mauerwerk. Die gesamte Krypta geriet unter Wasser. Nach Angaben des Domprokurators Pierpaolo Campostrini wurden Nachtwachen eingerichtet, um den Wasserpegel zu kontrollieren. Der Eingang des im Jahr 1063 errichteten Wahrzeichens von Venedig ist der tiefste Punkt des gesamten Stadtkerns.

Markusdom unter Wasser

Das Wasser drang bis in die Basilika vor.

Der Markusdom wurde in seiner Geschichte seit dem 9. Jahrhundert nur fünfmal ähnlich heftig überschwemmt. Insgesamt nahmen in Venedig die Fälle von „Acqua alta“ in den vergangenen Jahren deutlich zu. Der bisherige Rekord von 1,94 Metern stammt vom November 1966. Der am Dienstag kurz vor Mitternacht gemessene Wert von 1,87 Metern lag nur noch knapp darunter.

„Dunkle und stürmische Nacht“

Hinter dem rekordverdächtigen Hochwasser stehen auch starke Windböen. Es war eine „dunkle und stürmische“ Nacht, teilte Venedigs Fenice-Theater via Twitter mit. Es gab Wassereinbrüche, die Stromversorgung und das Brandmeldesystem funktionierten nicht, berichtete Intendant Fortunato Ortombina. Die für Mittwoch geplanten Proben für die Saisoneröffnung mit Giuseppe Verdis „Don Carlo“ wurden abgesagt. „Die Herausforderung für unser Theater und für die Stadt Venedig ist es, die Saison planmäßig am 24. November öffnen zu können“, sagte Ortombina nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.

Langwieriges Dammprojekt

Wissenschaftler warnen seit Langem vor den Folgen des Erderwärmung für die Welterbestadt. „Venedig werden wir verlieren, das ist nicht umstritten“, sagte vor einem Jahr Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Frage sei nur, wann. „Es kann Jahrhunderte dauern.“

Die Stadt setzt unterdessen auf ein großangelegtes Flutschutzsystem. Seit mehr als 15 Jahren wird an dem bereits 1984 per Machbarkeitsstudie angedachten und 1996 von der damaligen Regierung beschlossenen Milliardenprojekt MOSE (Modulo sperimentale elettromeccanico) genannten Sturmflutsperrwerk gebaut. Bis 2022 soll es fertiggestellt sein.

Venedig hat nicht nur bei starkem Regen mit Hochwasser zu kämpfen. „Acqa alta“ in der Lagunenstadt entsteht auch, wenn bei starker Flut und niedrigem Luftdruck der aus Afrika kommende Wüstenwind „Scirocco“ das Wasser in die Lagune von Venedig drückt. Bei normalen Gezeiten steigt der Wasserspiegel bis zu 90 Zentimeter. Fällt die Flut höher aus, wird von „Acqua alta“ gesprochen.

Appell an Touristen: „Bleibt zu Hause“

Laut dem wissenschaftlichen Institut CNR ist diesmal eine einmalige Kombination aus „Scirocco“ und Hochwasser für die schweren Überschwemmungen verantwortlich. Auch beim italienischen Zivilschutz ist von einem „außergewöhnlichen Ereignis“ die Rede.

Während Regionalpräsident Zaia vor einer weiteren Schlechtwetterfront warnte, wodurch sich die Lage noch verschlimmern könnte, rief die Stadt Touristen auf, der Lagunenstadt fernzubleiben. „Bleibt zu Hause. Kommt nicht aus Neugierde in die Stadt“, sagte am Mittwoch Gemeinderatsmitglied Paola Marra.