Menschen auf einem Bahnhofsgelände
ORF.at/Dominique Hammer
Pensionen, Klima, Steuern

OECD ortet in Österreich etliche Baustellen

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am Mittwoch ihren Länderbericht für Österreich mit einer Reihe von Reformvorschlägen vorgelegt. Unter anderem empfahl OECD-Länderdirektor Alvaro Pereira bei einer Pressekonferenz in Wien eine klimagerechte Steuerpolitik und eine Pensionsreform.

Österreich zeichne sich zwar „durch einen hohen Lebensstandard und hohe Lebenszufriedenheit der Bevölkerung aus, allerdings wird dieser Standard nur zu halten sein, wenn das Land eine Reihe von Reformen angeht“, fasst die OECD die Erkenntnisse des Länderberichts zusammen. „Der Wirtschaft geht es gut und die öffentlichen Finanzen sind gut organisiert“, sagte dazu Pereira.

Sorgen bereiten der OECD aber die hohen Steuern und Abgaben auf Arbeitseinkommen sowie die geringe wirtschaftliche Dynamik – also die geringe Zahl von Unternehmensgründungen und das in Österreich traditionell unterentwickelte Risikokapital. Der nächsten Regierung empfiehlt Pereira daher eine Senkung der Steuern auf Arbeit, insbesondere für niedrige Einkommen.

„Grün sein ist gut fürs Geschäft“

Gegenfinanzieren könnte man das aus OECD-Sicht durch höhere Umwelt- und Vermögensteuern (konkret genannt wird eine Erbschaftsteuer, Anm.) sowie durch die Reduzierung der Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer. Im Blick hat die OECD hier allerdings nicht den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel, sondern die Begünstigung des Tourismus, wie Pereira sagte.

Gesenkte Prognose

Die Studie geht für 2019 von einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent aus und für 2020 von 1,3 Prozent. Im Mai lag die Prognose für 2020 noch bei 1,6 Prozent. Hinter der gesenkten Prognose stünden laut OECD eine schwächere Nachfrage aus zentralen Exportmärkten wie Deutschland und Italien, Personalengpässe im Inland und schwelende internationale Handelskonflikte.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat ja erst vor einem Jahr die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtung von 13 auf zehn Prozent reduziert. Ganz grundsätzlich empfiehlt Pereira eine umweltfreundliche Politik. Im Länderbericht wird auch eine Erhöhung der „im internationalen Vergleich niedrigen Preise für CO2“ vorgeschlagen, denn: „Grün zu sein ist gut fürs Geschäft.“ Aufholbedarf gebe es hier schließlich auch bei umweltbezogenen Innovationen, wo Österreichs Vorsprung den OECD-Experten zufolge in den letzten Jahren zurückgegangen sei.

Pensionen und Migration

Ebenfalls auf der Reformagenda steht der Dauerbrenner Pensionen. Hier empfiehlt die OECD einmal mehr die Koppelung des Antrittsalters an die Lebenserwartung. Und zwar deshalb, weil das Pensionsalter in den vergangenen zehn Jahren zwar um fünf Jahre gestiegen ist (von 58 auf 63 Jahre bei Männern und von 57 auf 61 bei Frauen von 2008 bis 2017, Anm.), im internationalen Vergleich ist es der Organisation zufolge aber immer noch zu niedrig – im OECD-Schnitt gehen Männer mit über 65 und Frauen mit über 63 Jahren in Pension.

Eine weitere Baustelle sieht die Industriestaatenorganisation in der Migration: Österreich zieht nämlich zwar viele Migranten und Migrantinnen an – mehr als ein Fünftel der Arbeitskräfte sind Ausländer –, allerdings sind 38 Prozent und damit viele Zuwanderer für ihre Jobs überqualifiziert.

Pensionsantrittsalter im OECD-Vergleich nach Männer und Frauen von 1999 bis 2017 – Lineargrafik
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OECD

Die OECD macht dafür unter anderem die restriktive Anerkennung von ausländischen Berufs- und Studienabschlüssen verantwortlich und empfiehlt eine Lockerung. Außerdem rät Pereira dazu, mehr in Sprachförderung zu investieren und Zuwanderer verstärkt nach Qualifikationen auszuwählen. Denn auch in der Digitalisierung habe Österreich Nachholbedarf.

„Besondere Herausforderung“

Geht es nach Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl, habe sich der Wirtschaftsstandort Österreich in den vergangenen Jahren gut entwickelt und steht auch im europäischen Vergleich solide da. „Österreich befindet sich heute unter den Toppositionen EU-weit und innerhalb der OECD-Länder“, so Udolf-Strobl, die per Aussendung die Integration von Niedrigqualifizierten sowie den Fachkräftemangel als „besondere Herausforderung“ herausstreicht.

Der OECD-Bericht zeichne „ein klares Bild“, teilte indes der Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKÖ), Karlheinz Kopf, „vor dem Hintergrund trüber Konjunkturaussichten“ per Aussendung mit. Aus WKÖ-Sicht benötigte der Standort Österreich demnach „vertrauensbildende Rahmenbedingungen, das heißt spürbare Entlastung und Impulse für Wachstum und Investitionen“, wobei die WKÖ konkret eine Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) auf Unternehmensgewinne fordert.

NEOS sieht sich durch den Bericht indes in seiner Forderung nach einer Pensionsreform bestätigt. „Eine Pensionsreform, die ihren Namen auch verdient, muss in Angriff genommen werden“, so Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Zudem brauche es eine Entlastung der Steuerzahler: „Diese notwendigen Maßnahmen sind allen bekannt. Jetzt braucht es noch den Mut und die Entschlossenheit, diese Reformen in Angriff zu nehmen.“