Hartwig Löger
ORF.at
„Kein Zusammenhang“ mit Causa Casinos

Löger will nicht mehr Finanzminister werden

Mit neuerlichen Durchsuchungen hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Causa rund um die Bestellung des früheren FPÖ-Bezirkspolitikers Peter Sidlo zum Casino-Austria-Finanzvorstand wieder ins Rampenlicht gebracht. Im Fokus steht dabei auch Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger. Dieser teilte am Mittwoch mit, dass er nicht mehr Finanzminister werden wolle – mit der Causa Casinos Austria habe diese Entscheidung allerdings nichts zu tun.

Bei ihm sei „bereits vor einigen Wochen die Entscheidung gereift, einer neuen Bundesregierung nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung zu stehen und wieder in die Privatwirtschaft zurückzukehren“, sagte Löger in einer schriftlichen Stellungnahme der APA am Mittwoch.

Löger war vor Auftauchen der Vorwürfe in der Casinos-Causa immer wieder für eine Wiederbestellung als Finanzminister genannt worden. „Über meine persönliche Entscheidung habe ich Sebastian Kurz bereits vergangene Woche informiert.“ Dieser „persönliche Schritt“ stehe daher in keinerlei Zusammenhang mit den aktuellen Ermittlungen zum „FPÖ-Novomatic-Deal“, so Löger, dem vorgeworfen wird, über den Deal als Minister Bescheid gewusst zu haben. Wie Löger laut APA dazu sagt, entbehren diese Anschuldigungen „jeglicher Grundlage und werden sich bald in Luft auflösen“.

Mehrfach in Hausdurchsuchungsbefehl genannt

Laut dem auch Ö1 vorliegendem Hausdurchsuchungsbefehl für die am Dienstag durchgeführten Razzien wird Löger mehrfach erwähnt. Dem 29 Seiten umfassenden Dokument zufolge wird den Beschuldigten je nach Position Bestechung oder Bestechlichkeit vorgeworfen. Es gehe um pflichtwidrige Vornahmen von Amtsgeschäften bei der Bestellung von Sidlo, wie es dazu im Ö1-Mittagsjournal weiter heißt.

Neue Details in Causa Casinos

Nachdem am Dienstag mehrere Hausdurchsuchungen in der Causa Casinos für Aufsehen gesorgt haben, sind am Mittwoch weitere belastende Details bekanntgeworden.

Die Korruptionsermittler führen etwa an, dass bei neu zu schaffenden Glücksspiellizenzen wie einer Casino-Lizenz für Wien oder einer nationalen Online-Gaming-Lizenz eine wohlwollende Unterstützung der Politik erfolgen sollte. Im Hausdurchsuchungsbefehl werde auch auf die kritische Stellungnahme des Personaldienstleisters hingewiesen, der Sidlo als nicht umfassend geeignet einstufte – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Befugnisse (…) wissentlich missbraucht“

„Die Anschuldigungen entbehren jeglicher Grundlage“, wie Löger bereits am Dienstag per Aussendung mitteilte: „Ich sehe die freiwillige Nachschau und die damit verbundenen Vorwürfe gelassen.“ Auch der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel hat in der ZIB2 vom Dienstagabend ausgeschlossen, dass die ÖVP von einem solchen Deal wusste.

Löger habe „seine Befugnisse (…) wissentlich missbraucht, indem er in Kenntnis eines FPÖ-Novomatic-Hintergrunddeals ausschließlich aus parteipolitischen und koalitionstaktischen“ Erwägungen gehandelt habe, zitierte am Mittwoch dann die „Presse“ aus dem Hausdurchsuchungsbefehl.

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP)
picturedesk.com/Georges Schneider
Ex-Finanzminister Löger gab am Mittwoch seinen Rückzug aus der Politik bekannt

Die Ermittler hätten aus dem Terminkalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf ein Treffen der Novomatic-Vertreter mit Löger rekonstruiert. Außerdem liege den Ermittlern ein Chat vom 6. Februar zwischen Novomatic-Geschäftsführer Harald Neumann und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor, worin Neumann schreibe: „War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen.“ Zudem habe, wie bereits zuvor kolportiert, der Vorsitzende des Casinos-Aufsichtsrats, Walter Rothensteiner, in einer Aktennotiz festgehalten, dass Löger ihm gesagt habe, dass Novomatic-Eigentümer Graf „irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen“ habe. „Daher ist Sidlo ein Muss.“

„Gewisse Skepsis“

„Standard“-Angaben zufolge misst die Staatsanwaltschaft der Aktennotiz, die Rothensteiner nach einem Telefonat mit Löger am 1. Februar gemacht haben soll, „hohe Bedeutung“ bei. Laut „Presse“ hat Rothensteiner seine Aussage vor der WKStA zur Rolle Lögers im zweiten Anlauf nachgeschärft. Am 12. August, dem Tag der ersten Razzien, habe er gesagt: „Im Aufsichtsrat oder bei mir wurde nicht interveniert. Ich weiß auch nicht, ob seitens des Ministeriums etwas mit der Novomatic beredet wurde. (…) Ich weiß vom Finanzminister, dass er die Causa Sidlo kannte und gegen seine Bestellung keine Einwände hatte.“

Ex-Rechnungshofpräsident Fiedler zur Causa Casinos

Der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler erläutert im ZIB2-Interview unter anderem, wann aus politischen Absprachen Korruption und somit ein Fall für die Justiz wird.

Fünf Wochen später habe er schriftlich seine ersten Aussagen ergänzt und richtiggestellt. Er sei inzwischen in seinem Handy auf die – den Ermittlern ohnehin bekannte – Aktennotiz zu Löger gestoßen. Löger habe ihn wohl angerufen, weil „meine gewisse Skepsis gegenüber Sidlo bekannt geworden war. (…) Ich war über diesen Anruf nicht erfreut und gab das Herrn BMF Mag. Löger auch zu verstehen“.

Er habe dennoch seine Funktion nicht zurückgelegt, weil eine Lösung erzielt worden sei, „mit der ich und letztlich auch der gesamte Aufsichtsrat leben konnte“, so Rothensteiner in seinem Schreiben laut „Presse“.

Anonyme Anzeige

Rothensteiner werde so wie seinem Casinos-Austria-Aufsichtsratskollegen Josef Pröll von den Ermittlern wegen der hohen Abfertigungszahlungen an die früheren Casinos-Vorstände auch Untreue vorgeworfen, so das Ö1-Mittagsjournal.

Demnach stehe im Durchsuchungsbefehl auch, dass die bisher geführten Ermittlungen und die fortgeschrittene Auswertung der sichergestellten Daten die anonyme Anzeige, die das ganze Verfahren ins Rollen brachte, „in weiten Bereichen bestätigen“. Unter anderem gebe es einen Whatsapp-Chat zwischen Sidlo und dem damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, in dem Sidlo schreibe: „hallo Joschi, habe mit meinen Freunden bezüglich Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig den deal zu machen“.

Interne Überprüfung bei Casinos

Der frühere FPÖ-Bezirksrat Sidlo ist unter der ÖVP-FPÖ-Regierung Anfang Mai als Finanzchef der Casinos Austria eingesetzt worden, obwohl Personalberater Egon Zehnder Zweifel an seiner Eignung geäußert hatte. In einer anonymen Anzeige wurde danach der Vorwurf geäußert, dass Casinos-Großaktionär Novomatic diese Bestellung aufgrund eines Deals mit der FPÖ akzeptiert habe. Demnach hätte sich die FPÖ als Dank für die Bestellung künftig für Lockerungen im Glücksspielgesetz einsetzen sollen. Sowohl die FPÖ als auch Novomatic dementieren kategorisch so eine Absprache.

Trotzdem hat es in einer ersten Runde Hausdurchsuchungen bei Novomatic-Chef Neumann, Strache, Gudenus und Sidlo selbst gegeben. In einer zweiten Runde gab es am Dienstag nun Hausdurchsuchungen bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Löger, Rothensteiner sowie seinem Stellvertreter Pröll. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Seit Anfang September läuft auch bei den Casinos eine interne Überprüfung des Falls, Sidlo ist einstweilen auf Urlaub. Auch sein Mandat als Generalrat der Nationalbank hat er ruhend gestellt. Der interne Prüfbericht der Casinos soll bis Ende November vorliegen, wobei Generaldirektorin Bettina Glatz-Kremsner weiter volles Vertrauen in ihn äußert: „Ich gehe davon aus, dass er sich nichts zuschulden kommen hat lassen und dass er Anfang Dezember wieder im Unternehmen sein wird“, sagte sie vor einer Woche vor Journalisten.

Kurz-Lob für Lögers „sehr erfolgreiche Arbeit“

ÖVP-Chef Sebastian Kurz bestätigte unterdessen, dass er bereits letzte Woche über Lögers Rückzug aus der Politik informiert worden sei. Es sei Lögers „persönliche Entscheidung, die ich bedauere“, so Kurz, der zugleich die „sehr erfolgreiche Arbeit“ von Löger als Finanzminister lobte.

Wer in der kommenden Regierung unter dem wahrscheinlichen Kanzler Kurz das Amt des Finanzministers oder der Finanzministerin übernimmt, ist nun offen. Auf ÖVP-Seite kämen dafür bisherige Minister wie Gernot Blümel und Margarete Schramböck oder neuerlich – wie im Falle Lögers – ein Quereinsteiger aus der Wirtschafts- und Bankenszene infrage. Interesse an diesem Schlüsselministerium hatten zuletzt – für den Fall einer Regierungsbeteiligung – aber auch die Grünen angemeldet.

Kurz ließ sich dazu vorerst nicht in die Karten blicken. „Was die Zusammensetzung der zukünftigen Bundesregierung betrifft, werden die personellen Entscheidungen am Ende von Koalitionsverhandlungen getroffen“, so der ÖVP-Chef am Mittwochnachmittag.