Reisepass der Republik Österreich
ORF.at/Zita Klimek
2020 ungültig

Run auf Reisepässe

Nächstes Jahr kommt auf die Behörden in Österreich viel Arbeit zu. Laut Innenministerium verlieren nämlich eine Million Reisepässe ihre Gültigkeit. Das passiert hierzulande alle zehn Jahre. So sprach man 2010 vom „Megapassjahr“ und 2000 sollen für die Dokumente sogar Fäuste geflogen sein. Aber warum laufen überhaupt immer so viele Reisepässe ab?

Aus dem Innenministerium heißt es auf ORF.at-Anfrage, dass die Zahl der ungültigen Reisepässe „deutlich“ höher sein wird als in einem durchschnittlichen Jahr. Jeder sechste Reisepass verliert 2020 seine Gültigkeit. Das Ressort empfiehlt deshalb, dass „rechtzeitig kontrolliert wird, ob der Reisepass noch gültig ist“.

Zwar würden die Vorbereitungen wegen der großen Reisepasswelle bereits auf Hochtouren laufen. Aber wer bis März wartet, um seinen oder ihren Pass beim Magistrat oder Bezirkshauptmannschaft zu beantragen, müsse schon mit längeren Wartezeiten rechnen. Als „antragsschwächere Monate“ werden Dezember 2019 bis Februar 2020 angegeben. Die Zustellung der Reisepässe an die eigene Adresse binnen weniger Tage sei gewährleistet.

Warum wurde der Preis erhöht?

Warum so viele Reisepässe nun ihre Gültigkeit verlieren, ist auf eine Gebührenerhöhung aus dem Jahr 2000 zurückzuführen. Ab 1. Juni 2000 kostete in Österreich ein Reisepass 950 Schilling (rund 69 Euro), davor waren es 490 Schilling (35 Euro). „Damals haben viele Bürgerinnen und Bürger, bevor der Reisepass spürbar teurer geworden ist, noch rasch einen neuen Pass zur alten Gebühr ausstellen lassen“, heißt es aus dem Innenressort. Alle zehn Jahre komme es nun zu dieser „Spitze“.

Ansturm auf Salzburger Passamt im Jahr 2000

Nach der Ankündigung der ÖVP-FPÖ-Regierung, dass die Gebühren für Reisepässe ab 1. Juni 2000 steigen, kam es in allen Bundesländern zu einem Ansturm auf die Passämter. (Quelle: ORF)

Eine Frage, die sich freilich auch stellt, ist: Warum wurde der Reisepass eigentlich so verteuert? Immerhin wurde der Preis für das Dokument verdoppelt. Ein Blick in das Stenografische Protokoll des Parlaments zeigt eine hitzige Debatte im damaligen Nationalrat. Die Opposition nannte die Gebührenerhöhung „unsozial“, die ÖVP-FPÖ-Regierung verteidigte die Maßnahme als notwendig für eine „Budgetsanierung“.

Der Grundgedanke hinter dem Budget, das am 21. März 2000 Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) im Nationalrat präsentiert hatte, war das Erreichen des Maastricht-Defizits. Dafür musste quasi zum einen der Gürtel enger geschnallt, zum anderen aber auch tiefer ins Geldbörserl gegriffen werden. Mit dem Gesetz wurden Steuern, Abgaben und Gebühren im Jahr 2000 um insgesamt 6,9 Milliarden Schilling und in den Folgejahren um 11,2 Milliarden Schilling erhöht.

3.800 Schilling für eine Familie

Bevor das Gesetz am 27. April 2000 mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlossen wurde, erntete die Regierung auch für die angehobenen Reisepassgebühren noch Kritik von der Opposition. Der damalige SPÖ-Mandatar Rudolf Edlinger argumentierte etwa mit einem Beispiel: „Eine Familie – die Familien liegen Ihnen (an Finanzminister Grasser gerichtet, Anm.) ja angeblich so am Herzen – mit zwei Kindern, die Pässe braucht, wird in Hinkunft 3.800 Schilling dafür bezahlen müssen, nur damit die ganze Familie Pässe besitzt.“

Grafik zeigt aktuelle Reisepasskosten
Grafik: ORF.at; Quelle: BMI

Eva Glawischnig, damals noch einfache Abgeordnete der Grünen, übte scharfe Kritik an einer Aussage des damaligen ÖVP-Klubchefs Andreas Khol, wonach das Budget alle gleich treffe. „Warum Sie sagen, es trifft alle gleich. Das ist eine glatte Lüge!“, wird Glawischnig im Protokoll des Nationalrats zitiert. Gebührenerhöhungen würden „einfach die einkommensschwächeren Gruppen“ treffen, so Glawischnig weiter.

Die SPÖ wollte anschließend noch wissen, ob es für den neuen Reisepasspreis auch eine Kalkulationsgrundlage gibt. Ex-Staatssekretär im Finanzministerium Alfred Finz (ÖVP) verneinte. In der öffentlichen Verwaltung könne man Leistungen nicht nach kalkulierten Ermittlungen anbieten, sondern danach, was zumutbar sei. „Es sind soziale Preise“, so Finz. Aber einige „gewaltige Veränderungen“ auf dem Passsektor seien für die Erhöhung miteingerechnet worden: Schengen-Abkommen, bessere EDV-Aufrüstung, fälschungssichere Formulare.

Um Nummern für Antragstellung geprügelt

Freilich kam es vor Gesetzesbeschluss, mit dem die Reisepassgebühren mit 1. Juni 2000 erhöht wurden, schon zu Hamsterkäufen. In Wien-Favoriten sollen sich Leute um die Antragsnummern geprügelt haben. Wartende wurden wieder weggeschickt. Ähnlich sah es auch in den übrigen Landeshauptstädten aus. In Innsbruck seien täglich bis zu 180 Anträge angenommen worden. Aus Klagenfurt hieß es, dass bei den meisten ein neuer Reisepass nicht notwendig wäre. „Es kommen viele, deren Dokument noch bis zu drei Jahre gültig ist.“

Anfang Juni 2000, kurz vor den Reisemonaten, sorgte der Ansturm zu Lieferengpässen bei den Reisepässen. In Wien gingen die Formulare für die Antragsstellung aus, in den Behörden kam es zu langen Wartezeiten, mit dem Bedarf konnte man nicht mehr Schritt halten. Es seien nur noch jene bedient worden, deren Pass auch wirklich 2000 ablief, die Extraration an Notfallreisepässen, hieß es in einigen Berichten, wurde ausgestellt. „Die Schlacht um Reisepässe“, titelte der „Kurier“.

Insgesamt wurden laut Innenministerium im Frühjahr 2000 knapp 1,2 Millionen neue Reisepässe beantragt, weitaus mehr als üblich. Bis November mussten aber noch rund 200.000 Besitzer auf ihre Dokumente warten. 2010, das als „Megapassjahr“ bezeichnet wurde, gab es mehr als eine Million Passanträge. Und dieses Mal? „Wir rechnen damit“, heißt es aus dem Innenressort. Für den Ansturm sei man heute aber besser gerüstet als noch vor 20 Jahren.