Nach Angaben des Domprokurators Pierpaolo Campostrini wurden Nachtwachen eingerichtet, um den Wasserpegel zu kontrollieren. Der Eingang des im Jahr 1063 errichteten Wahrzeichens von Venedig ist der tiefste Punkt des gesamten Stadtkerns. Der Markusdom wurde in seiner Geschichte seit dem 9. Jahrhundert nur fünfmal ähnlich heftig überschwemmt.
Neben dem Markusplatz und dem Dom waren Hotels, Geschäfte und Wohnhäuser überflutet worden. Schiffe gingen unter, Gemäuer wurden zerstört. Kulturminister Dario Franceschini sprach von einem „Notfall“. Kulturdenkmäler seien durch salziges und schmutziges Wasser in Mitleidenschaft gezogen worden. Kunstwerke in Sammlungen oder Material in Archiven und Bibliotheken seien aber nach ersten Erkenntnissen nicht beschädigt worden.
Conte: „Dramatische Lage“ in Venedig
Ministerpräsident Giuseppe Conte kündigte bei einem Besuch in der Lagunenstadt an, dass die Regierung den Notstand für die UNESCO-Welterbestadt ausrufen wird. Conte kam nach Venedig, um sich ein Bild der Situation nach den schweren Überschwemmungen zu machen. Der Regierungschef sprach von einer „dramatischen Lage“ in Venedig. „Venedig ist ein Erbgut Italiens und der ganzen Menschheit. Wir müssen eine Reihe historischer Probleme lösen“, sagte Conte.
Der Wasserstand war getrieben durch heftige Winde in der Nacht zu Mittwoch auf 187 cm über dem Meeresspiegel gestiegen – das ist der höchste Wert seit einer verheerenden Flut im Jahr 1966. Für Donnerstag wurden 130 Zentimeter erwartet. Schulen und Kindergärten sollten auch am Donnerstag geschlossen bleiben, der Schiffsverkehr war extrem eingeschränkt. Die Oper La Fenice sagte Aufführungen ab. Die Kunst-Biennale erklärte dagegen, wieder zu öffnen, nachdem das Gelände am Mittwoch gesperrt war und die Kunstwerke auf Schäden überprüft wurden.
Bewohner schockiert
Während Touristen Selfies von den Wassermassen machten, waren die Bewohner und Bewohnerinnen schockiert. „So etwas habe ich noch nicht gesehen. Es ist eine Katastrophe. Es ist wie ein Krieg. Wir haben es gewusst“, sagte der Venezianer Ezio Toffolutti der dpa. Geschäfte und Supermärkte seien alle im Erdgeschoß, die habe es deshalb schlimm erwischt.
Durch das Hochwasser seien auch Auslagen eingedrückt worden. Gondeln seien gegen die Scheiben gedrückt worden. Gefährlich seien auch die elektrischen Leitungen. Viele Venezianer und Venezianerinnen werfen Politikern vor, die Stadt an Tourismus- und Kreuzfahrtunternehmen verkauft zu haben und sich nicht wirklich um den Schutz zu kümmern.
Experte: Venedig werden wir verlieren
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen führen die zunehmenden Fluten in Venedig auch auf die Klimakrise zurück, in welcher der Meeresspiegel ansteigt. „Venedig werden wir verlieren, das ist nicht umstritten“, sagte vor einem Jahr Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Frage sei nur, wann. „Es kann Jahrhunderte dauern.“
Die Stadt setzt unterdessen auf ein großangelegtes Flutschutzsystem. Seit mehr als 15 Jahren wird an dem bereits 1984 per Machbarkeitsstudie angedachten und 1996 von der damaligen Regierung beschlossenen Milliardenprojekt MOSE (Modulo sperimentale elettromeccanico) genannten Sturmflutsperrwerk gebaut. Bis 2022 soll es fertiggestellt sein.
Hochwasser hinterlässt Verwüstung
Die Auswirkungen der verheerenden Überschwemmung in Venedig werden immer sichtbarer. Das ganze Stadtzentrum war von dem Hochwasser betroffen. (Videoquelle APTN)
MOSE verschlang bisher sechs Milliarden Euro
Bürgermeister Luigi Brugnaro drängt darauf, das skandalgeplagte Flutschutzvorhaben fertigzustellen. Er ist der Meinung, dass Katastrophen wie das jetzige Hochwasser mit MOSE hätten vermieden werden können. Jedoch verzögert sich der Bau, der rund sechs Milliarden Euro verschlungen haben soll, seit Jahren wegen Korruptionsskandalen und auch Kritik von Umweltschützern. Medien nennen das Projekt „die große Unvollendete“. Regierungschef Conte erklärte nun, der Bau sei zu „92 bis 93 Prozent“ fertig.
Venedig hat nicht nur bei starkem Regen mit Hochwasser zu kämpfen. „Acqa alta“ in der Lagunenstadt entsteht auch, wenn bei starker Flut und niedrigem Luftdruck der aus Afrika kommende Wüstenwind „Scirocco“ das Wasser in die Lagune von Venedig drückt. Bei normalen Gezeiten steigt der Wasserspiegel bis zu 90 Zentimeter. Fällt die Flut höher aus, wird von „Acqua alta“ gesprochen.