Die Causa dreht sich um die Kür des ehemaligen FPÖ-Bezirkspolitikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria. Dabei soll es, so der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), zu politischen Absprachen und in weiterer Folge zu Absprachen mit Novomatic gekommen sein. Dem Glücksspielkonzern, der an den Casinos Austria beteiligt ist, sollen Casino-Lizenzen versprochen worden sein. Im Gegenzug soll das niederösterreichische Unternehmen im Aufsichtsrat der Casinos Austria seine Unterstützung des freiheitlichen Kandidaten Sidlo zugesichert haben – und das, obwohl ein externer Personalberater Sidlos Qualifikation für den Job in Zweifel zog.
Am Dienstag führten die Ermittler Hausdurchsuchungen bzw. freiwillige Nachschauen bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Löger, Casinos-Austria-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner sowie seinem Stellvertreter Pröll statt. Dabei wurden laut Ö1 die Mobiltelefone von Löger und Pröll beschlagnahmt. Löger, Pröll und Schmid sind laut „Standard“ neu auf die Beschuldigtenliste der WKStA gekommen.
Chatprotokolle geben Einblicke
Gegen den ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus sowie die Novomatic-Manager Harald Neumann und Johann Graf laufen bereits seit dem Sommer Ermittlungen. Schon damals gab es Hausdurchsuchungen bei Strache und Gudenus, bei der unter anderem Mobiltelefone sichergestellt wurden. Die Nachrichten darauf dürften den Ermittlern neue Einblicke gegeben haben.
In der Anordnung zur Hausdurchsuchung ist laut Ö1 und dem „Standard" ein Chat zwischen Strache und Novomatic-Chef Neumann vom 16. Jänner zitiert. „Bezüglich Peter Sidlo kann ich mich auf dein Wort verlassen und ist alles auf Schiene?“, schrieb Strache. Neumann bejahte laut Hausdurchsuchungsanordnung: „Haben alles zur Unterstützung beigetragen. Barbara Kolm hat auch mit dem Headhunter gesprochen. Bettina Glatz-Kremsner ist auf unserer Seite. Thomas Schmid auch“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.
Glatz-Kremsner ist Vorstandschefin der Casinos Austria, sie sitzt auf einem ÖVP-Ticket. Bis Ende des Monats soll es einen internen Prüfbericht zur Causa geben. Noch vor wenigen Tagen äußerte Glatz-Kremsner volles Vertrauen in Sidlo, der derzeit auf Urlaub ist: „Ich gehe davon aus, dass er sich nichts zuschulden kommen hat lassen und dass er Anfang Dezember wieder im Unternehmen sein wird.“ Barbara Kolm ist Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Wirtschaftswissenschaftlerin war für die FPÖ auf lokaler Ebene politisch aktiv. Schmid war zum Zeitpunkt des Chats Generalsekretär im Finanzministerium.
„Sidlo ist ein Muss“
Laut Justiz sei Schmid „erster Ansprechpartner im Finanzministerium für Glücksspielangelegenheiten“, schrieb der „Standard“. In der Durchsuchungsanordnung heißt es dazu laut Ö1, Schmid habe Novomatic-Chef Neumann eine abfotografierte Unterlage über die rechtlichen Voraussetzungen für eine Onlinelizenz übermittelt und diese mit der Anmerkung „Gesetz für die Entflechtung notwendig“ versehen.
Die Nachricht wurde laut „Standard“ am 31. Jänner gegen Mittag verschickt. Vier Stunden später habe ein Termin zwischen Novomatic-Eigner Graf, Neumann und Löger stattgefunden. Dabei sei der „Hintergrunddeal“ zwischen der FPÖ und Novomatic zur Sprache gekommen. Und es sei festgestellt worden: „Sidlo ist ein Muss.“
Die „Ibiza“-Verbindung
Zudem scheinen die Ermittler eine Verbindung zur „Ibiza-Affäre“ zu vermuten, in deren Folge Strache und Gudenus ihre politischen Ämter zurücklegten. Zwei der an der Enthüllung des Videos beteiligten deutschen Journalisten haben kürzlich ein Buch zur Affäre veröffentlicht. Ein darin zitierter Satz von Strache ließ die Ermittler offenbar hellhörig werden: „Das ist verdammt schwer, aber das geht.“ Die Behörden glauben Ö1 zufolge, dass sich diese Aussage direkt auf Gesetzesänderungen zu Casino-Lizenzen bezogen hat.
In der Durchsuchungsanordnung genannt wird laut Ö1 auch der FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank. Tschank war in vier FPÖ-nahen Vereinen Obmann oder Kassier, über die mutmaßlich Parteispenden Richtung FPÖ fließen sollten. Während der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ wollte Novomatic-Chef Neumann angeblich Tschank treffen. Man brauche „jemanden, der das Thema Casino-Lizenzen einbringt“, habe Neumann damals geschrieben. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Löger will nicht mehr Finanzminister werden
Löger teilte unterdessen am Mittwoch mit, nicht mehr Finanzminister werden zu wollen. Bei ihm sei „bereits vor einigen Wochen die Entscheidung gereift, einer neuen Bundesregierung nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung zu stehen und wieder in die Privatwirtschaft zurückzukehren“, so Löger.
Löger war vor Auftauchen der Vorwürfe immer wieder für eine Wiederbestellung als Finanzminister genannt worden. „Über meine persönliche Entscheidung habe ich (ÖVP-Chef, Anm.) Sebastian Kurz bereits vergangene Woche informiert.“ Dieser „persönliche Schritt“ stehe daher in keinerlei Zusammenhang mit den aktuellen Ermittlungen zum „FPÖ-Novomatic-Deal“, so Löger. Die Anschuldigungen entbehrten „jeglicher Grundlage und werden sich bald in Luft auflösen“.
In einem Donnerstag veröffentlichten Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ sprach Löger von einem Missverständnis. Es habe sich um ein reines Aktionärsdiskussionsthema gehandelt. Es sei bis jetzt nicht erkannt worden, dass es „eben nicht das politische Element bzw. das parteipolitische Element“ gab, so Löger.
Blümel: ÖVP wusste nichts von Deal
Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel hatte in der ZIB2 am Dienstagabend ausgeschlossen, dass die ÖVP von einem solchen Deal wusste. ÖVP-Chef Kurz bestätigte indes, dass er bereits letzte Woche über Lögers Rückzug aus der Politik informiert worden sei. Es sei Lögers „persönliche Entscheidung, die ich bedauere“, so Kurz, der zugleich die „sehr erfolgreiche Arbeit“ von Löger als Finanzminister lobte.
Ex-ÖVP-Finanzminister und Casinos-Aufsichtsratsvizechef Pröll erklärte am Donnerstag am Rande eines Pressetermins in St. Pölten auf Anfrage, er „unterstütze vollinhaltlich die Ermittlungen“. Zu laufenden Verfahren sage er nichts, so Pröll. Er sei offensichtlich in seiner Funktion als Casinos-Aufsichtsratsvizechef in den Fokus der Ermittlungen gerückt. „Da ist aus meiner Sicht auch nichts dran, um es klar und deutlich zu sagen“, fügte er abschließend hinzu.
Strache erklärte unterdessen, sämtliche Vorwürfe gegen seine Person – auch in der Causa Casinos – entkräften zu wollen. Belastende Chatverläufe mit Novomatic-Chef Neumann kenne er nicht. „Grundsätzlich werden alle Vorwürfe von mir aufgeklärt und entkräftet werden“, sagte Strache, der die Causa inhaltlich nicht kommentieren wollte. „Ich kenne keine Chatverläufe“, sagte Strache. Er habe aber immer wieder Chatkontakt „zu verschiedenen Leuten“.
Mehrfach in Durchsuchungsanordnung genannt
In der Anordnungen für die Razzien am Dienstag wird Löger mehrfach genannt. Löger habe „seine Befugnisse (…) wissentlich missbraucht, indem er in Kenntnis eines FPÖ-Novomatic-Hintergrunddeals ausschließlich aus parteipolitischen und koalitionstaktischen“ Erwägungen gehandelt habe, zitierte am Mittwoch die „Presse“ aus dem Dokument.
Neue Details in Causa Casinos
Nachdem am Dienstag mehrere Hausdurchsuchungen in der Causa Casinos für Aufsehen gesorgt haben, sind am Mittwoch weitere belastende Details bekanntgeworden.
Die Ermittler hätten aus dem Terminkalender von Novomatic-Eigentümer Graf ein Treffen der Novomatic-Vertreter mit Löger rekonstruiert. Außerdem liege den Ermittlern ein Chat vom 6. Februar zwischen Novomatic-Geschäftsführer Neumann und Ex-FPÖ-Chef Strache vor, worin Neumann schreibe: „War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen.“ Zudem habe Casinos-Aufsichtsratschef Rothensteiner in einer Aktennotiz festgehalten, dass Löger ihm gesagt habe, dass Novomatic-Eigentümer Graf „irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen“ habe.
Weiters soll im Durchsuchungsbefehl zu lesen sein, dass die bisher geführten Ermittlungen und die fortgeschrittene Auswertung der sichergestellten Daten die anonyme Anzeige, die das ganze Verfahren ins Rollen brachte, „in weiten Bereichen bestätigen“. Unter anderem gebe es einen WhatsApp-Chat zwischen Sidlo und dem damaligen FPÖ-Klubchef Gudenus, in dem Sidlo schreibe: „hallo Joschi, habe mit meinen Freunden bezüglich Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig den deal zu machen“.
„Gewisse Skepsis“
„Standard“-Angaben zufolge misst die Staatsanwaltschaft der Aktennotiz, die Rothensteiner nach einem Telefonat mit Löger am 1. Februar gemacht haben soll, „hohe Bedeutung“ bei. Laut „Presse“ hat Rothensteiner seine Aussage vor der WKStA zur Rolle Lögers im zweiten Anlauf nachgeschärft. Am 12. August, dem Tag der ersten Razzien, habe er gesagt: „Im Aufsichtsrat oder bei mir wurde nicht interveniert. Ich weiß auch nicht, ob seitens des Ministeriums etwas mit der Novomatic beredet wurde. (…) Ich weiß vom Finanzminister, dass er die Causa Sidlo kannte und gegen seine Bestellung keine Einwände hatte.“
Ex-Rechnungshof-Präsident Fiedler zur Causa Casinos
Der frühere Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler erläutert im ZIB2-Interview unter anderem, wann aus politischen Absprachen Korruption und somit ein Fall für die Justiz wird.
Fünf Wochen später habe er schriftlich seine ersten Aussagen ergänzt und richtiggestellt. Er sei inzwischen in seinem Handy auf die – den Ermittlern ohnehin bekannte – Aktennotiz zu Löger gestoßen. Löger habe ihn wohl angerufen, weil „meine gewisse Skepsis gegenüber Sidlo bekannt geworden war. (…) Ich war über diesen Anruf nicht erfreut und gab das Herrn BMF Mag. Löger auch zu verstehen“.
Personalberater nur als Alibi?
Er habe dennoch seine Funktion nicht zurückgelegt, weil eine Lösung erzielt worden sei, „mit der ich und letztlich auch der gesamte Aufsichtsrat leben konnte“, so Rothensteiner in seinem Schreiben laut „Presse“. Rothensteiner, Pröll und Neumann werde zudem von den Ermittlern Untreue vorgeworfen, berichtet das Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch. Grund seien die hohen Abfertigungszahlungen an die früheren Casinos-Vorstände.
Rothensteiner hatte am 12. August als Zeuge bei den Ermittlern ohnehin noch Bemerkenswertes über die Bestellung von Sidlo erzählt. Die Ermittler fragten laut „Presse“, warum der Aufsichtsrat überhaupt einen Personalberater mit dem Auswahlverfahren betraut hatte: „Damit wir sagen können, dass wir keinen völlig ungeeigneten Kandidaten bestellen. Wir hätten dies auch weglassen können. Wir wollten im Präsidium nur die Sicherheit haben, dass wir uns die Personen vorab angeschaut haben. (…)“
Im Präsidium sei auch vereinbart worden, dass der Personalberater „die bekannten Kandidaten anschauen, aber keine Auswahl und kein Ranking treffen soll, weil wir das nicht wollten“. Und warum in aller Welt wollte das Präsidium nicht, dass der beauftragte Experte eine Reihung vornimmt, wo doch im Normalfall genau das seine Kernaufgabe ist? „Weil wir nicht wollten, dass von vornherein bekannt wird, dass Sidlo nicht als der Bestgeeignete beschrieben wurde, wenn dieser ohnehin bestellt wird“, gab Rothensteiner zu Protokoll.
NEOS fordert U-Ausschuss
NEOS forderte am Donnerstag einen Untersuchungsausschuss in der Causa Casinos. Die Partei will die Verantwortung von Ex-Bundeskanzler Kurz untersuchen. Auch die Rolle von ÖVAG-Chef Schmid und OeNB-Vize Kolm sei aufklärungsbedürftig. Die SPÖ erklärte, sich einem Untersuchungsausschuss nicht verschließen zu wollen. Zunächst wolle man aber eine Sondersitzung des Nationalrats zur Causa einberufen, um weitere Informationen zu sammeln. Grünen-Bundessprecher Werner Kogler zeigte sich offen bezüglich eines möglichen U-Ausschusses. An den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP ändere die Causa Casinos vorerst nichts.