Zahlreiche historische Gebäude wurden überschwemmt, darunter auch der weltberühmte Markusdom. Neben der Basilika erlitten mehrere Paläste schwere Schäden. Wasser drang in das Fenice-Theater ein, das vorübergehend geschlossen wurde. Mehrere Vaporetti, die Wasserbusse von Venedig, sind schwer beschädigt.
Auch die Hotelbranche beklagt Riesenschäden. Unzählige Touristen und Touristinnen flüchteten aus der überschwemmten Lagunenstadt. Es habe viele Absagen von Urlaubern gegeben, sagte Laura Ferretto vom Hotelverband Federalberghi Veneto der dpa am Donnerstag. „Die Schäden sind enorm.“ Viele Hoteliers seien wütend über die Untätigkeit der Politiker, etwas für den Schutz der Stadt zu tun.
Furcht um Kunstschätze
Laut Franceschini sind Kulturdenkmäler durch salziges und schmutziges Wasser in Mitleidenschaft gezogen worden. Kunstwerke in Sammlungen oder Material in Archiven und Bibliotheken seien aber nach ersten Erkenntnissen nicht beschädigt worden. Besonders der Markusdom steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, auch seine Krypta war überschwemmt worden. Der Eingang des im Jahr 1063 errichteten Wahrzeichens von Venedig ist der tiefste Punkt des gesamten Stadtkerns. Der Markusdom wurde in seiner Geschichte seit dem 9. Jahrhundert nur fünfmal ähnlich heftig überschwemmt.
Notstand verhängt
Ministerpräsident Giuseppe Conte versprach Hilfe, die Regierung verhängte am Donnerstagabend den Notstand über Venedig. Bürger, die Schäden erlitten haben, sollen sofort eine Entschädigung von 5.000 Euro erhalten, bei Geschäftsinhabern soll der Beitrag auf 20.000 Euro steigen, berichtete Conte.
Mit dem Ausrufen eines Notstands in Venedig will die Regierung Sonderfinanzierungen zur Behebung der Schäden bereitstellen. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erklärte, er sei dabei, die EU um Unterstützung zu bitten. „Wir prüfen nach Möglichkeiten, um dem schwer betroffenen Raum von Venedig aktiv unter die Arme zu greifen.“
Bürgermeister für UNO-Klimawandel-Agentur in Venedig
Bürgermeister Brugnaro will die UNO um Hilfe bitten. Er schlägt die Gründung einer UNO-Agentur zum Thema Klimawandel mit Sitz in Venedig vor. „Venedig muss zum Ort werden, wo Wissenschafter, Experten und Politiker zum Thema Klimawandel auf globaler Ebene beraten. Ich fordere die UNO auf, in Venedig eine Agentur des Wassers zu gründen, wo man über Meere, Ozeane und Verschmutzung spricht“, so Brunaro im Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ (Donnerstag-Ausgabe). „Venedig ist ein Symbol für die ganze Welt. Wir sind die vorderste Grenze im Einsatz gegen Klimawandel. Wir dürfen nicht die Hoffnung verlieren“, sagte der Mitte-rechts-Bürgermeister.
Hochwasser hinterlässt Verwüstung
Die Auswirkungen der verheerenden Überschwemmung in Venedig werden immer sichtbarer. Das ganze Stadtzentrum war von dem Hochwasser betroffen. (Videoquelle APTN)
Angesichts der riesigen Schäden in seiner Stadt zeigt sich Brugnaro kämpferisch. „Ich bin enttäuscht und verzweifelt, doch ich habe nicht die Hoffnung verloren. Ich habe die Regierung gebeten, dass man sich mit der Gemeinde Venedig abstimmt, wenn es um strategische Beschlüsse geht“, sagte der Bürgermeister.
Der Wasserstand war getrieben durch heftige Winde in der Nacht zu Mittwoch auf 187 Zentimeter über dem Meeresspiegel gestiegen – das ist der höchste Wert seit einer verheerenden Flut im Jahr 1966. Während Touristen Selfies von den Wassermassen machten, waren die Bewohner und Bewohnerinnen schockiert. „So etwas habe ich noch nicht gesehen. Es ist eine Katastrophe. Es ist wie ein Krieg. Wir haben es gewusst“, sagte der Venezianer Ezio Toffolutti der dpa. Geschäfte und Supermärkte seien alle im Erdgeschoß, die habe es deshalb schlimm erwischt.
Durch das Hochwasser seien auch Auslagen eingedrückt worden. Gondeln seien gegen die Scheiben gedrückt worden. Gefährlich seien auch die elektrischen Leitungen. Viele Venezianer und Venezianerinnen werfen Politikern vor, die Stadt an Tourismus- und Kreuzfahrtunternehmen verkauft zu haben und sich nicht wirklich um den Schutz zu kümmern.
Experte: Venedig werden wir verlieren
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen führen die zunehmenden Fluten in Venedig auch auf die Klimakrise zurück, in welcher der Meeresspiegel ansteigt. „Venedig werden wir verlieren, das ist nicht umstritten“, sagte vor einem Jahr Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Frage sei nur, wann. „Es kann Jahrhunderte dauern.“
Die Stadt setzt unterdessen auf ein großangelegtes Flutschutzsystem. Seit mehr als 15 Jahren wird an dem bereits 1984 per Machbarkeitsstudie angedachten und 1996 von der damaligen Regierung beschlossenen Milliardenprojekt MO.S.E. (modulo sperimentale elettromeccanico) genannten Sturmflutsperrwerk gebaut. Die italienische Verkehrsministerin Paola De Micheli erklärte, 400 Millionen Euro seien zum Fertigbau notwendig. Ziel sei, dass es bis 2021 zur Einweihung des Dammsystems kommen könne.
MO.S.E. verschlang bisher sechs Milliarden Euro
Bürgermeister Brugnaro drängt darauf, das skandalgeplagte Flutschutzvorhaben fertigzustellen. Er ist der Meinung, dass Katastrophen wie das jetzige Hochwasser mit MO.S.E. hätten vermieden werden können. Jedoch verzögert sich der Bau, der bisher rund sechs Milliarden Euro verschlungen haben soll, seit Jahren wegen Korruptionsskandalen und auch Kritik von Umweltschützern. Medien nennen das Projekt „die große Unvollendete“. Regierungschef Conte erklärte nun, der Bau sei zu „92 bis 93 Prozent“ fertig.
Venedig hat nicht nur bei starkem Regen mit Hochwasser zu kämpfen. „Acqa alta“ in der Lagunenstadt entsteht auch, wenn bei starker Flut und niedrigem Luftdruck der aus Afrika kommende Wüstenwind „Scirocco“ das Wasser in die Lagune von Venedig drückt. Bei normalen Gezeiten steigt der Wasserspiegel bis zu 90 Zentimeter. Fällt die Flut höher aus, wird von „Acqua alta“ gesprochen.