Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
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BVT-Skandal schlägt wieder hohe Wellen

Einen Tag bevor die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen starten, schlägt neben dem Casinos-Skandal eine weitere Affäre aus der ÖVP-FPÖ-Regierungszeit erneut hohe Wellen: Um mögliche Informanten im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nach Auffliegen der BVT-Affäre zu eruieren, sollte nicht nur das Handy einer Abgeordneten, sondern auch jenes einer Journalistin beschlagnahmt werden. Dazu gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen von ÖVP und FPÖ.

Konkret wurde am Donnerstag bekannt, dass das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) neben dem Handy der NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper auch jenes der „Presse“-Journalistin Anna Thalhammer beschlagnahmen lassen wollte. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien am Donnerstag auf APA-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft lehnte diesen Ermittlungsschritt allerdings ab – und zwar in beiden Fällen mit Blick auf das Redaktionsgeheimnis.

Die Ermittler der Polizei wollten laut Medienberichten mit Hilfe der Handys klären, wer Informationen aus dem BVT weitergegeben haben könnte. Die Staatsanwaltschaft folgte den Empfehlungen der Polizei aber nicht. Laut einer Behördensprecherin wäre die Beschlagnahmung der Handys schon rein rechtlich nicht möglich gewesen, weil damit das Redaktionsgeheimnis umgangen worden wäre. Und zwar nicht nur im Fall der „Presse“-Redakteurin, sondern auch im Fall Krispers, wie die Staatsanwaltschaft erklärt und darauf verweist, dass die Abgeordnete einen Blog betreibt.

Suche nach „Maulwurf“

Die Beschlagnahmungspläne soll das dem Innenministerium unterstehende Bundesamt für Korruptionsbekämpfung auf Druck von hochrangigen Verfassungsschützern vorangetrieben haben. Ziel war es demnach, einen angeblichen „Maulwurf“ im BVT zu finden, der Krisper und die Meiden über interne Vorgänge informiert haben soll. Krisper war im U-Ausschuss zur BVT-Affäre tätig.

NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper
ORF.at/Roland Winkler
Das BAK wollte das Handy der NEOS-Abgeordneten Krisper beschlagnahmen

„Interessantes Rechtsverständnis“

Die „Presse“-Journalistin Thalhammer, deren Handy das BAK beschlagnahmen wollte, meinte gegenüber Ö1, das seien „Methoden, die wir normalerweise gerne östlichen Staaten vorwerfen, wo es Regime gibt, die so etwas machen“. Es sei ein „interessantes Rechtsverständnis“, so die Journalistin – Audio dazu in oe1.ORF.at. Scharfe Kritik an der Vorgehensweise übte „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und sprach gegenüber der APA von einem „einzigartigen, unerträglichen und völlig inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit“. Nowak fordert von Innenminister Wolfgang Peschorn rasche und umfassende Aufklärung über die Causa.

NEOS will bei Immunität nachschärfen

NEOS will außerdem die parlamentarische Immunität nachschärfen. Denn mit ihrem Handy hätte man nachvollziehen können, mit wem sie Kontakt gehabt habe, so Krisper: „Und für die Zukunft hätte sich wahrscheinlich niemand mehr an mich oder andere Abgeordnete gewendet, um über Missstände zu berichten.“ Außerdem will sie von Peschorn wissen, wer den Wunsch nach der Beschlagnahmung ihres Handys vorangetrieben hat. Wer so etwas andenke, habe im Innenministerium nichts verloren. Dort wollte man sich auf APA-Anfrage noch nicht dazu äußern.

Das Verfahren über die mögliche Informationsweitergabe ist laut Staatsanwaltschaft übrigens noch nicht abgeschlossen. Ein Vorhabensbericht an die Oberbehörden ist allerdings ergangen. Es geht darin um die mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses durch einen bekannten und einen unbekannten Täter.

ÖVP weist Anschuldigungen gegen Edtstadler zurück

Die ÖVP wies unterdessen indirekte Vorwürfe von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl an die frühere Staatssekretärin im Innenministerium und nunmehrige EU-Abgeordnete, Karoline Edtstadler (ÖVP), im Zusammenhang mit dem Antrag auf Beschlagnahmung des Handys von NEOS-Mandatarin Krisper zurück. Laut ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer betreibe der vormalige Innenminister „wieder“ eine „Täter-Opfer-Umkehr“ und agiere „verlogen“.

Hintergrund ist, dass Kickl am Vortag darauf hingewiesen hatte, dass Edtstadler im Innenressort für Korruptionsbekämpfung zuständig gewesen sei. Nehammer schrieb in einer Aussendung, dass Kickl versuche, durch „absurde Anschuldigungen“ von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Es sei festzuhalten, dass sich die Staatssekretärin nie in Einzelstrafsachen eingemischt habe und auch konkret über diesen Fall nicht informiert gewesen sei.

Affäre begann mit Razzia im BVT

Zur Erinnerung: Im Parlament war ein U-Ausschuss eingesetzt worden, um die nächtliche Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz am 28. Februar 2018 unter die Lupe zu nehmen. Die Razzia war von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die vom Kabinett des damaligen Innenministers Kickl mit „Belastungszeugen“ gegen Verfassungsschutzbeamte versorgt worden war, angestrengt worden.

Der Großteil der damaligen Vorwürfe erwies sich als haltlos. Die Opposition vermutete als Motiv für das Vorgehen des Ministerbüros aber ohnehin, dass die FPÖ den wegen seiner Ermittlungen gegen Rechtsextreme unbequemen Verfassungsschutz unterminieren wollte.

„Noch nie da gewesene Grenzüberschreitung“

Scharfe Kritik an dem Versuch, das Handy einer Pressevertreterin zu beschlagnahmen, kommt von der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen Österreich. Das Vorgehen sei eine „noch nie da gewesene Grenzüberschreitung“, so Präsidentin Rubina Möhring.

Reporter ohne Grenzen sieht in dem – von der Staatsanwaltschaft Wien abgelehnten – Versuch, das Handy Thalhammers (wie auch jenes von Krisper) zu beschlagnahmen, einen „offenen Angriff auf die Pressefreiheit“. „Dieser dreiste Versuch, eine Journalistin an ihrer Arbeit zu hindern, ist schockierend und unvereinbar mit dem demokratischen Grundwert der Pressefreiheit“, kritisierte Möhring in einer Aussendung.