Filmstill aus „Frozen II“
© 2019 Disney
„Eiskönigin 2“

Frostige Suche nach dem Kinderzimmerhit

Die „Eiskönigin“ ist mittlerweile seit sechs Jahren Disneys Goldgrube: Neben praktisch jeder Variante von Merchandise-Produkten – bevorzugt mit dem Konterfei von Königin Elsa – ist vor allem die Filmmusik nicht aus Kinderzimmern wegzudenken. Nun gibt es eine Fortsetzung, die nicht nur finanziell und erzählerisch anschließen, sondern „Let It Go“ musikalisch ablösen muss – auch für Disney ist das eine große Aufgabe.

Der erste „Eiskönigin“-Film war freilich kein reines Kinderphänomen, sondern mehr wie „Mamma Mia!“ – der andere markante, familientaugliche Musical-Film der vergangenen Jahre. Im Idealfall singen die Kinder also jene Songs lautstark (und mit unterschiedlicher Textsicherheit), die man selbst gerne singt (mit unterschiedlicher Textsicherheit). Für das Autoradio war „Let It Go“ somit lange Zeit ein Kompromiss, der Eltern und Kinder gleichermaßen glücklich machte.

Für Disney hat sich der Boom rund um die „Eiskönigin“ gelohnt: Mit einem Einspielergebnis von knapp 1,3 Milliarden Dollar ist der Film einer der erfolgreichsten Zeichentrickfilme aller Zeiten. Nicht eingerechnet: die Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandise-Produkten, der nicht weniger lukrativ verlaufen sein dürfte. Das liegt wohl in erster Linie an den Charakteren: Das Schwesternpaar aus Königin Elsa und Prinzessin Anna wurde für eine ganze Generation von Kindern zum Superheldinnenduo, Slapstick-Schneemann Olaf zieht die restliche Fangemeinde in den Bann.

Filmstill aus „Frozen II“
© 2019 Disney
Ein geheimnisvolles Geräusch aus der Ferne bildet die Basis für den zweiten „Eiskönigin“-Teil

„Der Wind bläst kälter, wir alle sind älter“

Dass das Regie- und Drehbuchduo Chris Buck und Jennifer Lee für ihre „Eiskönigin“-Fortsetzung nicht weit von der bisherigen Formel abweichen, wird dann gleich am Anfang in einem Lied thematisiert. „Der Wind bläst ein bisschen kälter, wir sind alle älter“, doch: „Manche Dinge bleiben gleich.“ Das ist zwar eine passende Zusammenfassung des restlichen Films – Ohrwurm ist es aber noch keiner.

Disney ist es mit dem Hitpotenzial aber ernst, und man setzt daher auf einen Kniff: Schon in den ersten Minuten ertönt ein recht eingängiger Sirenengesang, den nur Königin Elsa hören kann. Im Laufe des Films wird die lockende Tonfolge an vielen zentralen Stellen wiederholt und verwandelt sich damit zu einer Art Leitmotiv, das sich binnen der gut eineinhalb Stunden fast so stark wie „Let It Go“ einprägt.

Farbenpracht verdrängt Winteridyll

Erst will Elsa nicht auf den Ruf der geheimnisvollen Sirene eingehen, nur wenig später reist sie dann aber gemeinsam mit Anna, Olaf, Annas grobschlächtigem Freund Kristoff und Rentier Sven doch in den Norden. Das ist vor allem optisch eindrucksvoll: Denn im Gegensatz zum überwiegend in Blautönen gehaltenen ersten Teil ist der magische Wald, durch den die Reise führt, äußerst farbenfroh.

Filmstill aus „Frozen II“
© 2019 Disney
Disney setzt im zweiten Teil auf mehr Farbe – Eis kommt dennoch nicht zu kurz

Überhaupt ist „Frozen 2“ nicht mehr nur von Kälte, sondern von den vier Elementen geprägt: Neben Wasser (nicht nur in Form von Eis) spielen Feuer, Wind und Erde eine ebenso gewichtige Rolle. Dadurch werden auch ein paar neue Figuren eingeführt – zumindest eine davon mit besonders hohem Weihnachtsgeschenkpotenzial.

Viele Songs, die Hits sein wollen

Mit jeder musikalischen Nummer, die angestimmt wird – es sind einige –, tut sich die eine entscheidende Frage auf: Ist es das jetzt, ist das das neue „Let It Go“? Mangelnde Variation kann man Disney jedenfalls nicht vorwerfen: Es gibt heitere und wenig heitere Songs, jede der Figuren bekommt angemessene Zeit, das eigene musikalische Talent unter Beweis zu stellen.

Filmstill aus „Frozen II“
© 2019 Disney
Ein mysteriöses Wasserpferd ist nur einer der möglichen Kandidaten für neue Fanartikel

In Erinnerung bleibt etwa Kristoffs Powerballade „Lost in the Woods“ („Verlassen im Wald“), inklusive furchtbar kitschiger 80er-Jahre-Musikvideoaufmachung. Gut funktioniert auch Olafs komödiantische Einlage „When I Am Older“ („Wenn ich erst groß bin“), in der es heißt: „Wenn du erst einmal groß bist, dann ergibt absolut alles Sinn“. Das dürfte zumindest beim erwachsenen Publikum ein paar Lacher garantieren.

Bleibt noch der Titelsong „Into the Unknown“ („Wo noch niemand war“): Im Laufe des Films wurde das Publikum jedenfalls schon darauf konditioniert, denn der Song greift das Sirenenleitmotiv geschickt auf und bastelt daraus quasi ein Duett Elsas mit der schönen unbekannten Stimme. Das ist schlau, aber ob Kinder und Eltern damit „Let It Go“ endgültig sein lassen können, wird sich erst zeigen.

Ein bisschen Politik, ein bisschen Herzschmerz

Erzählerisch ist die „Eiskönigin 2“ unterdessen relativ komplex für einen Disney-Familienfilm, mit leicht politischem Anstrich. Da gibt es etwa den jahrzehntealten Konflikt des Königreichs Arendelle mit einem im Norden ansässigen Volk – und die Frage nach dem Auslöser für die schlechte Beziehung zwischen den beiden.

Filmstill aus „Frozen II“
© 2019 Disney
Elsa lässt einmal mehr ihre magischen Kräfte spielen

Die Figuren lassen sich nicht sofort in gut und böse einordnen, die Story hat einige Wendungen und tangiert wohl nicht unabsichtlich die US-Geschichte. Die Moral der Geschichte ist dabei auch ein bisschen Kritik am neu gefundenen US-Protektionismus: Für die gute Tat heißt es eben manchmal, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen, so macht es Königin Elsa vor. Diese Botschaft wird für Kinder – und damit im Idealfall auch für das erwachsene Publikum – verständlich gemacht.

In erster Linie bleibt die „Eiskönigin“ aber eine bunt ausstaffierte Fantasy-Story, die mit ihrem neuen, dichteren Unterbau schon fast ein bisschen in Richtung „Herr der Ringe“ geht. Natürlich geht es auch um Liebesglück und Herzschmerz, die bei vielen im Kinosaal wohl einige Taschentücher erfordern werden. Doch auch diesmal, so viel sei verraten, lehnt man sich gegen die von Disney über Jahrzehnte propagierte Idee der Klischeeprinzessin auf.

Eine Fortsetzung, die Abwechslung bringt

Am Ende bleibt die Frage, welche Anforderungen an eine Fortsetzung gestellt werden: Oft verräumte das Micky-Maus-Studio Fortsetzungen gleich auf DVDs, bei einem Film wie „Frozen“ war das freilich keine Option. Entsprechend viel Aufwand ist in die Produktion geflossen, was sich sichtbar niederschlägt: Der Zauber des Waldes ist in erster Linie ein optisches Highlight.

Und doch bleibt „Eiskönigin 2“ ein typisches Sequel, das Charaktere einführt, um aus ihnen Kuscheltiere zu machen und mit jedem Song an möglichst vielen emotionalen Knöpfen herumdrückt, um ihre Songs als neue Hits zu verkaufen. Im Abspann spielen Panic! at the Disco eine Version von „Into the Unknown“, Weezer ein Cover von „Lost in the Woods“. Vielleicht ist das ja ein dezenter Hinweis darauf, dass beim Autoradio immer noch die Eltern bestimmen, was gespielt wird – die Abwechslung ist jedenfalls willkommen.