Chinesische Soldaten in Sportkleidung beim Aufräumarbeiten in Hongkong
APA/AFP/HKFP/Kris Cheng
Volksarmee in Hongkong

Aufräumen als Machtdemonstration Chinas

Entgegen den Bestimmungen für Hongkong hat die chinesische Volksarmee am Samstag ihre Soldaten in der Sonderverwaltungszone auf die Straße geschickt – um beim Aufräumen zu helfen. Dutzende unbewaffnete Soldaten in einheitlicher Sportkleidung und mit Bürstenhaarschnitt sammelten nach den jüngsten Antiregierungsprotesten Trümmer einer ehemaligen Barrikade nahe ihrer Kaserne auf.

Der ungewöhnliche Einsatz fand große Beachtung, weil es unter einigen Hongkongern seit Monaten Befürchtungen gibt, dass China sein Militär nutzen könnte, um die Proteste in der Stadt niederzuschlagen. Laut der Verfassung von Hongkong dürfen sich die in der Sonderverwaltungszone stationierten chinesischen Soldaten nicht in Angelegenheiten Hongkongs einmischen.

Gemäß Artikel 14 kann die Hongkonger Regierung sie jedoch um Unterstützung bitten, wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist. Das ist seit der Rückgabe Hongkongs an China vor 22 Jahren jedoch noch nie geschehen. Das letzte Mal leisteten die Soldaten im Vorjahr einen öffentlichen Arbeitseinsatz, als sie bei Aufräumarbeiten nach einem Taifun halfen. Damals sagte Sicherheitsminister John Lee, es stehe der Volksarmee frei, sich bei derartigen Freiwilligeneinsätzen zu beteiligen.

„Subtile Botschaft“

Beobachter sahen in dem blitzschnellen Einsatz eine „subtile“ Machtdemonstration. Das kurzzeitige Erscheinen der Soldaten auf den Straßen Hongkongs „sendet eine subtile Botschaft“, dass China hinter der Regierung in Hongkong stehe, sagte der Politikexperte Dixon Sing. Es sei zugleich ein Zeichen an die Demonstranten, „dass, wenn die Sache kippt, China die Volksarmee in noch offenerer Weise einsetzen kann“, fügte er hinzu.

Die Volksbefreiungsarmee erklärte im chinesischen Onlinedienst Weibo, die Soldaten hätten dabei geholfen, eine Straße nahe ihrer Kaserne in Kowloon Tong von Trümmern zu räumen. Dabei sei ihnen „von Anrainern applaudiert“ worden. Ein Sprecher der Regierung von Hongkong sagte am Samstag, die Hilfe der Soldaten sei nicht angefordert worden. Die Kaserne habe die Aufräumaktion „von sich aus gestartet“.

„Wir haben das in die Wege geleitet. ‚Die Gewalt stoppen und das Chaos beenden‘ ist unsere Verantwortung“, sagte ein Soldat laut der „South China Morning Post“ und zitierte damit eine Phrase des chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Mehr als 10.000 Soldaten der chinesischen Armee sind seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China in Hongkong stationiert. Nach unbestätigten Berichten soll die Truppenstärke heimlich aufgestockt worden sein.

Zusammenstöße könnten Grund für Einsatz sein

Der demokratische Politiker James To wollte dem Bericht zufolge von der Regierung wissen, ob diese die Soldaten angefordert habe. „Es sieht nicht nach einem freiwilligen Einsatz aus – eher nach der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit.“ Er warnte, dass es bei einem derartigen Einsatz zu Konfrontationen zwischen der Protestbewegung und den Soldaten kommen könnte. Sollte ein Soldat dabei verletzt werden, hätte China einen Grund, die Armee in Hongkong einzusetzen.

Chinesische Soldaten in Sportkleidung beim Aufräumarbeiten in Hongkong
APA/AFP/HKFP/Kris Cheng
Die Soldaten halfen dabei, eine von der Protestbewegung errichtete Straßenblockade zu beseitigen

Laut der „South China Morning Post“ soll es „angespannte Momente“ zwischen den Soldaten und einer Gruppe von Demonstrierenden gegeben haben, die in der Nähe der Aufräumaktion einen Sitzstreik abhielt. Neben den Soldaten und den Einsatzkräften beteiligten sich auch zahlreiche Anrainer und Studierende an der Aufräumaktion.

Kein Ende der Proteste in Sicht

Am Abend formierten sich in Hongkong indes neue Proteste und Blockaden. Es kam erneut zum Einsatz von Tränengas, Demonstrierende warfen Benzinbomben. Radikale Demonstranten schossen auch erneut mit Pfeil und Bogen. Ein für Medienarbeit zuständiger Polizist wurde dabei von einem Pfeil getroffen. Auf Fotos von dem Vorfall war zu sehen, wie das Geschoss im Bein des Beamten steckte. Auch bauten einige Demonstranten Katapulte, mit denen sie Brandsätze abfeuerten.

In der vergangenen Woche hatte es an fünf Tagen hintereinander schwere Zusammenstöße, erhebliches Verkehrschaos und Störungen des öffentlichen Lebens gegeben. Die Proteste wurden durch den Tod eines Studierenden angeheizt, der vergangene Woche in der Nähe eines Tränengaseinsatzes von einem Parkdeck gestürzt und zu Tode gekommen war. Die Proteste spitzten sich Anfang der Woche weiter zu, als die Polizei einem 21-Jährigen mit scharfer Munition in die Brust schoss. Am selben Tag wurde ein prochinesischer Mann mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und in Flammen gesetzt.

Es ist mittlerweile der sechste Protestmonat in Hongkong. Die Demonstrationen richteten sich zunächst gegen ein geplantes Gesetz, das erstmals auch Auslieferungen nach Festland-China ermöglicht hätte. Inzwischen fordert die Protestbewegung umfassende demokratische Reformen und die Absetzung der prochinesischen Regierung.