Die Veranstalter vom Bündnis „Eine Million Augenblicke für Demokratie“ sprachen von einer Viertelmillion Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Babis hatte den Demonstrierenden im Vorfeld vorgeworfen, die „Atmosphäre des Jahrestags“ zu missbrauchen. Ihre Beweggründe verstehe er nicht.
Der gebürtige Slowake steht an der Spitze einer Minderheitsregierung aus seiner populistischen Partei ANO (Tschechisch für „Ja“) und der sozialdemokratischen CSSD, die von den Kommunisten (KSCM) geduldet wird. Babis wird vorgeworfen, seine Macht zu missbrauchen.
Demokratische Wende nach Gewaltexzess
Die Kundgebung begann um 14.00 Uhr auf der Letna-Ebene in der Prager Innenstadt. Anlass war der bevorstehende 30. Jahrestag des Beginns der Samtenen Revolution. Mit der brutalen Niederschlagung einer friedlichen Studentendemonstration hatte am 17. November 1989 die demokratische Wende in der damaligen Tschechoslowakei ihren Anfang genommen. Daran erinnert am Sonntag ein offizieller Festakt im Prager Nationalmuseum.
„Es sieht heute nicht so aus, wie wir uns das damals vorgestellt haben“, sagte einer der Demonstranten am Samstag. „30 Jahre nach der Samtenen Revolution haben wir eine Regierung, die von den Kommunisten toleriert wird“, kritisierte eine andere Frau bei der am Samstag stattgefundenen Protestkundgebung.
Seit Ende April gibt es in Prag und anderen Städten in Tschechien immer wieder Kundgebungen gegen Babis und die damals angetretene Justizministerin Marie Benesova. Im Juni dieses Jahres gingen 300.000 Menschen gegen Regierungschef Babis auf die Straße – es war der größte Protest seit 1989.
Verfahren wegen EU-Subventionen an Babis-Konzern
Dem populistischen Politiker und Multimilliardär wird ein Interessenkonflikt als Premier vorgeworfen. Zwar wurden die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Babis wegen der „Storchennest“-Affäre vor Kurzem eingestellt, weiter läuft aber ein Rechnungsprüfungsverfahren der EU-Kommission zu den EU-Subventionen an Babis Konzern Agrofert. Der Endbericht wird in den kommenden Wochen erwartet.
Der Protest richtet sich laut den Organisatoren gegen die Einstellungen der strafrechtlichen Ermittlungen gegen Babis, aber auch gegen Präsident Milos Zeman. Dieser hatte im September angekündigt, den Regierungschef begnadigen zu wollen, sollten die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Babis wieder aufgenommen werden. In der Affäre um das Wellness-Ressort „Storchennest“ wurde der Firma Agrofert Subventionsbetrug vorgeworfen.
Babis legte 2018 heimlich Blumenstrauß nieder
Bereits vergangenes Jahr war der Jahrestag der Samtenen Revolution von Massenprotesten gegen Babis überschattet worden. Offenbar aus Angst vor den erwarteten Unmutskundgebungen legte Babis damals bereits in der Nacht auf den 17. November heimlich einen Blumenstrauß an einem Mahnmal für die Opfer des Kommunismus auf der Prager Nationalallee nieder. Auch vor fünf Jahren hatten zahlreiche Menschen den 25. Jahrestag der Wende genutzt, um gegen Zeman zu demonstrieren.
Der 17. November ist ein wichtiger Tag in der tschechischen Geschichte. So begannen die Proteste 1989 nicht zufällig genau an diesem Tag: Die Studenten und Studentinnen gedachten damals des 17. Novembers 1939. 60 Jahre zuvor waren die deutschen Nationalsozialisten nach einem Studentenprotest brutal gegen Studierende vorgegangen: Die tschechischen Hochschulen wurden geschlossen und neun Studentenführer erschossen.
Wegen dieses Jahrestags war auch die Studentenversammlung 1989 als offizielle Veranstaltung des Kommunistischen Jugendverbandes (SSM) erlaubt worden. Die Veranstaltung mündete jedoch in eine Demonstration gegen das kommunistische Regime. Dass die Polizei den friedlichen Protest brutal niederknüppelte, löste eine Protestwelle aus, die innerhalb weniger Tage zum Ende des Kommunismus in der Tschechoslowakei führte.