Polizisten der Spezialeinheit betreten mit angelegter Waffe das Universitätsgebäude
Reuters/PolyU Campus Radio
Universität Hongkong

Polizei hindert Studenten an Flucht

Die Situation bei den Protesten in Hongkong hat sich erneut zugespitzt. Die Polizei umzingelte die Polytechnische Universität, in der sich Hunderte Studentinnen und Studenten verbarrikadiert haben. Laut Berichten wurden Menschen, die versuchten, das Gebäude zu verlassen, mit Gummigeschoßen und Tränengas zurückgedrängt.

Dutzende Personen versuchten am Montag die Universität zu verlassen und wurden von der Polizei gewaltsam aufgehalten, berichtete die BBC. Dutzende wurden verhaftet, teilweise schlugen die Polizisten mit Schlagstöcken auf die auf dem Boden liegenden Demonstranten ein. Zuvor hatte die Polizei gesagt, dass die Protestierenden die Universität über einen anderen Ausgang verlassen könnten, sofern sie vorher ihre Waffen und Atemschutzmasken ablegen würden. Doch der Weg sei mittlerweile versperrt, berichtete die BBC unter Berufung auf einen Augenzeugen.

Bei Sonnenaufang hatte die Polizei ihrerseits versucht, das Gelände zu stürmen, daraufhin warfen die Protestierenden Molotowcocktails und legten Feuer am Haupteingang. Die Polizei hatte den Aktivisten der Demokratiebewegung am Abend zuvor mit dem Einsatz scharfer Munition gedroht, nachdem sie mit Pfeil und Bogen, Molotowcocktails und Steinschleudern angegriffen worden war. Dabei ging ein gepanzertes Polizeifahrzeug in Flammen auf. Ein Polizist wurde durch einen Pfeil verletzt.

Polizisten der Spezialeinheit nehmen einen Studenten innerhalb der Universität fest
Reuters/PolyU Campus Radio
Dutzende Menschen wurden bei Fluchtversuchen verhaftet

Dutzende flohen über Fußgängerbrücke

Laut Augenzeugen soll es auf dem Unigelände zahlreiche Verletzte geben, zudem sollen die Essensvorräte zu Neige gehen. Die Universität ist seit Tagen besetzt, es sollen mehrere hundert Personen auf dem Gelände sein. Sie sollen selbst gebaute Waffen und diverse Brandsätze haben. Die Universität selbst spricht von schweren Schäden an den Gebäuden. Unterdessen sammelten sich an anderen Punkten in Hongkong wieder Hunderte Menschen zu Protesten, auch mit dem Ziel, Polizeiressourcen zu binden, berichtete der „Guardian“. Die Polizei reagierte erneut mit Tränengas und Wasserwerfern.

Am Abend (Lokalzeit) kam die Meldung, dass Dutzende Aktivisten aus der Universität geflohen sind. Wie auf Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zu sehen war, seilten sie sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn ab, wo sie von wartenden Motorradfahrern abgeholt wurden. Es war zunächst unklar, wie vielen Aktivisten genau die Flucht gelang.

Hongkong überlegt Verschiebung der Wahl

Hongkongs Regierung erwägt mittlerweile eine Verschiebung der für Sonntag geplanten Kommunalwahl. Die Ereignisse des Wochenendes hätten die Chancen verringert, die Wahlen für die Bezirksräte abzuhalten, sagte der Sekretär für Verfassungs- und Festlandangelegenheiten, Patrick Nip, nach Angaben des Rundfunks RTHK. Man werde den Schritt nur machen, wenn es „absolut notwendig“ sei.

Polizei umzingelt Uni in Hongkong

In Hongkong hat die Polizei die besetzte Universität eingekesselt. Zuvor scheiterte der Versuch, das Gelände zu stürmen.

Im Hinblick auf die Wahl gab es bereits Kontroversen, nachdem der Wortführer der Demokratiebewegung, Joshua Wong, Ende Oktober als Kandidat disqualifiziert worden war. Als Grund hatten die Behörden angeführt, dass der 22 Jahre alte Führer der oppositionellen Demosisto-Partei für die „Selbstbestimmung“ Hongkongs eintrete und indirekt die Unabhängigkeit der chinesischen Sonderverwaltungsregion unterstütze.

Vermummungsverbot aufgehoben

Das oberste Gericht in Hongkong hob indes das von der Regierung verhängte Vermummungsverbot auf. Die Regelung sei verfassungswidrig, urteilte das Gericht am Montag. „Die Beschränkungen, die das Verbot für die Grundrechte impliziert, gehen weiter als notwendig“, teilte das oberste Gericht der chinesischen Sonderverwaltungszone mit. Angesichts der Massenproteste hatte die Regierung Hongkongs Anfang Oktober auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit zurückgegriffen und ein Vermummungsverbot verhängt.

Demonstranten versuchen sich mit Regenschirmen vor der Universität zu schützen
APA/AFP/Anthony Wallace
Mit Schirmen und Gasmasken versuchen sich die Demonstranten vor dem Tränengas zu schützen

Bürgerrechtler Wong verteidigt Gewalt

Der Bürgerrechtler Joshua Wong verteidigte unterdessen den Einsatz von Gewalt durch die Demonstranten. „Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen“, sagte Wong der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). „Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.“ Das gewaltsame Vorgehen der Polizei stoße auf immer mehr Widerstand in der Hongkonger Bevölkerung. „Erst hat die Polizei nur Demonstranten verhaftet, dann Ersthelfer, Pastoren und nun Zivilisten. Über 4.000 Menschen wurden inzwischen festgenommen. Das stärkt das Verständnis der Bevölkerung für die Proteste“, meinte Wong.

„Aufräumaktion“ von Chinas Armee

Zuvor hatte die chinesische Volksarmee entgegen den Bestimmungen für Hongkong am Samstag ihre Soldaten in der Sonderverwaltungszone auf die Straße geschickt – um beim Aufräumen zu helfen. Dutzende unbewaffnete Soldaten in einheitlicher Sportkleidung und mit Bürstenhaarschnitt sammelten nach den jüngsten Antiregierungsprotesten Trümmer einer ehemaligen Barrikade nahe ihrer Kaserne auf.
„Subtile Botschaft“

Beobachter sahen in dem blitzschnellen Einsatz eine „subtile“ Machtdemonstration. Das kurzzeitige Erscheinen der Soldaten auf den Straßen Hongkongs „sendet eine subtile Botschaft“, dass China hinter der Regierung in Hongkong stehe, sagte der Politikexperte Dixon Sing. Es sei zugleich ein Zeichen an die Demonstranten, „dass, wenn die Sache kippt, China die Volksarmee in noch offenerer Weise einsetzen kann“, fügte er hinzu.