Croupier dreht Roulette
Reuters/Francois Lenoir
Causa Casinos

Chats lassen mehrere Deals vermuten

Die jüngst von „Falter“ und „Presse“ veröffentlichten belastenden Protokolle von Textnachrichten zwischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sorgen für neuen Zündstoff in der Casinos-Affäre – und womöglich darüber hinaus. Denn eine WhatsApp-Nachricht von Strache an Löger legt nahe, dass es nicht nur für die Casinos einen Personaldeal gegeben haben könnte.

Die in der „Presse“ veröffentlichten Chatprotokolle lassen laut der Zeitung Vereinbarungen zwischen FPÖ und ÖVP auch bezüglich Personalbesetzungen in Verbund, BIG, ÖBAG, Post, Telekom Austria und OMV vermuten. Die Nachricht vom 19. März dokumentiert laut der Zeitung, dass der Personaldeal zum ehemaligen Wiener FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo, dessen Bestellung zum Finanzvorstand der Casinos die Affäre ins Rollen brachte, nur „einer von vielen“ der beiden Parteien gewesen sei.

„Lieber Hartwig, Im Anschluss geht es schwer, da wir Verhandlungen mit dem Bundeskanzler haben. Am Nachmittag reden Schiefer (Arnold, inzwischen ÖBB-Finanzvorstand, Anm.) und Schmitt (gemeint ist wohl Thomas Schmid, Anm.) sowieso. Und die haben für beide Seiten eine Vereinbarung fixiert“, hieß es in einer Nachricht von Strache an Löger laut „Presse“.

„Alles andere wäre eine Provokation“

Die "Presse“ zitiert weiter: „Beide haben bereits für ÖBIB/ÖBAG-neu vereinbart, dass wenn Schmitt AR-Vorsitzender (gemeint ist wohl Vorstand der ÖBAG; AR steht für Aufsichtsrat, Anm.) ist, dann alle AR-Neubesetzungen sofort – nämlich 2019 erfolgen … vor der HV (Hauptversammlung, Anm.) im April vom Verbund, Post, OMV, BIG, etc. Alles andere wäre eine Provokation.“

In der Nachricht heißt es weiter: „Wir haben bei der ÖBB; Asfinag, Donau, etc alle eure 30 AR sofort umgesetzt … in euren Ressorts warten wir bis heute … auch Telekom! Ausgemacht war 2018/2019. das bitte sicherstellen und einhalten. Lg HC“ Nachdem Strache durch neue Vorwürfe ins Zentrum der Causa gerückt war, meinte der ehemalige FPÖ-Chef am Donnerstag, dass er „keine Chatverläufe“ kenne.

„Kurz will davon nichts wissen“

Zitiert werden von „Falter“ und „Presse" weitere Chats Straches mit Parteikollegen: „Bitte alle Vereinbarungen, welche mit Löger, Schmidt und co getroffen worden sind sammeln und für mich dokumentieren. Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht.“ „Unser Entgegenkommen bei OeNB zu FMA-neu gibt es nur, wenn wir den zweiten Vorstand sofort bekommen (…) und von den 5 Aufsichtsräten bzw. Direktoren 2 und darunter 2 Abteilungsleiter. Sonst gibt es keine FMA-Neu! Auch die Vereinbarungen ÖBAG-Neu bitte mir aufbereiten. Wir stimmen nirgend wo mehr zu wenn das nicht geklärt wird …..!!!! Dar war extra vereinbart, das muss halten.“

„Lieber Hartwig, Herzlichen Dank für deine Unterstützung“

Insbesondere zur Causa Casinos, in der die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Besetzung des Ex-FPÖ-Bezirksrats Sidlo als Casinos-Vorstand und möglichen Gegengeschäften ermittelt, veröffentlichte der „Falter“ weitere Textnachrichten der involvierten Politiker. Diese sollen unter anderem zeigen, wer wann in die Bestellung eingebunden gewesen sein soll.

„Lieber Hartwig, Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Liebe Grüße HC“, schrieb Strache laut „Falter“-Veröffentlichungen am 11. Februar 2019 an Löger – zu dem Zeitpunkt war der Deal zu Sidlos Bestellung unter Dach und Fach. Löger antwortete mit einem „Daumen hoch“. CASAG ist die Abkürzung für die Casinos Austria AG.

Casinos-Affäre: Belastende Textnachrichten veröffentlicht

Am Sonntag wurden Textnachrichten veröffentlicht, die zeigen sollen, wer in die Bestellung des FPÖ-Politikers Sidlo zum Vorstand der Casinos Austria involviert war. Darunter befindet sich eine Nachricht von Strache an Löger.

„Sidlo ein Muss“

Kurz zuvor soll Löger – laut einem Kalendereintrag von Novomatic-Chef Johann Graf – diesen und Geschäftsführer Harald Neumann am 31. Jänner im Novomatic-Forum getroffen haben, wie der „Falter“ berichtet. Vor dem Treffen ließ er sich von seinem Kabinettschef Thomas Schmid laut den Angaben Ministeriumsunterlagen zu Casinolizenzen zukommen. Nach dem Treffen schreibt Neumann in einer Nachricht an Löger: „War ausgezeichnet“. Tags darauf habe Löger bei Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner angerufen, der – wie bereits berichtet – notiert: „Löger hat mit Graf konferiert, der hat irgendeinen Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss.“

„Was soll ich ihm beruflich erzählen?“

Der zugezogene Personalberater Egon Zehnder hielt Sidlo allerdings für nicht geeignet. Sidlo bereitete Strache, der sich für Sidlos Bestellung einsetzte, laut „Falter“ deshalb auf etwaige Fragen vor. „Könnte sein, dass sich Egon Zehnder bei dir meldet bzgl Referenz für mich. Dann erzähl ihm halt, wie toll ich bin“, so Sidlo in einer Nachricht an Strache. „OK! Was soll ich ihm beruflich erzählen?“, so dessen Antwort. Sidlo meldete sich daraufhin mit einer Auflistung behaupteter Qualitäten.

Ebenfalls im „Falter“ zitiert wurde eine Mail des früheren CASAG-Chefs Alexander Labak. Er warnte Rothensteiner vor der Bestellung Sidlos. „Sidlo wurde von der Novo ganz offensichtlich mit dem klaren Ziel nominiert, von der FPÖ im Gegenzug eine politische Unterstützung für die Gewährung zusätzlicher Lizenzen (zB. Online-Gaming) zu sichern.“ Sidlo sei der Vertrauensmann der Novomatic und der FPÖ im Reich der Casinos Austria, eines Unternehmens, das zu einem Drittel im Eigentum der Republik steht.

Löger verweist auf Verantwortung des Aufsichtsrats

Löger nahm dazu am Sonntagabend in „Im Zentrum“ Stellung und verwies auf die Verantwortung des Casinos-Aufsichtsrats für die Bestellung Sidlos. Nicht er als Minister, sondern der Aufsichtsrat habe Sidlos Qualifikation zu prüfen gehabt und habe ihn als Vorstand bestellt, sagte Löger in der Diskussion. Einen Deal zwischen der FPÖ und Novomatic in Zusammenhang mit Lizenzen könne er nicht ausschließen, sagte Löger.

„Im Zentrum“: Sind Topjobs käuflich?

Die Ermittlungen in der Causa der Bestellung des früheren FPÖ-Kommunalpolitikers Peter Sidlo waren Thema bei „Im Zentrum“. Auch Löger war im Studio.

Er könne aber für sich ausschließen, dass er in irgendeiner Form in behauptete Gegengeschäfte zu Sidlos Bestellung involviert gewesen sei. Von seiner Seite sei auch keine Information zur Bestellung des Casinos-Vorstands an den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegangen. Löger gab sich offen für einen U-Ausschuss. Angesprochen auf Straches Nachricht vom Februar sagte Löger, das habe ihn damals spontan geärgert.

SMS über Novomatic-Treffen mit Tschank

Brisant muten auch vom „Falter“ zitierte SMS-Nachrichten an, die Novomatic-Chef Harald Neumann seinem Pressesprecher Bernhard Krumpel am 6. November 2017 – drei Wochen nach der Nationalratswahl – geschickt haben soll. Darin schreibt Neumann: „Hello, können wir tschank (FPÖ-Mandatar Markus Tschank, Anm.) treffen! Sollten etwas in die regierungsverhandlungen einbringen.“ Die Antwort des Pressesprechers: „Ja, er verhandelt allerdings medienbereich, wahrscheinlich brauchen wir eher finanzen.“ Neumann schreibt daraufhin laut „Falter“: „egal brauchen jemanden, der das thema kasinolizenzen einbringt!!“

Der Punkt: Gegen Tschank wird in der Causa Ibiza ermittelt. Strache hatte im „Ibiza-Video“ ja über Spendenkonstruktionen über Vereine gesprochen, die am Rechnungshof vorbeigehen sollen. Tschank war daraufhin in den Fokus gerückt, weil er in mehreren FPÖ-nahen Vereinen aktiv war, die Spenden in Höhe von mehreren 100.000 Euro bekommen haben. Wie „profil“ im Sommer berichtete, soll ein Thinktank Tschanks namens Institut für Sicherheitspolitik (ISP) auch 200.000 Euro von Novomatic bekommen haben. Sowohl Tschank als auch Novomatic bestätigten „profil“ einen entsprechenden „Kooperationsvertrag“. Dass Geld an die Partei geflossen sein könnte, weisen die Vereine in Zusammengang mit „Ibiza“ aber zurück. Auch Tschank dementiert die Vorwürfe. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

„Vorstandsbeschluss isp sponsoring“

Am 10. November 2017 soll Novomatic-Pressesprecher Krumpel jedenfalls an Novomatic-Chef Neumann geschrieben haben: „Vorstandsbeschluss isp sponsoring (tschank) mach ich heute mit ö. fertig“. Laut „Falter“ sollen die 200.000 Euro wenig später an Tschanks Thinktank überwiesen worden sein. Tschank weist diese Behauptung gegenüber ORF.at aber zurück: Der Kooperationsvertrag zwischen seinem Thinktank und der Novomatic sei im Oktober 2017 für drei Jahre abgeschlossen worden und habe klar definierte Leistungen für den Zeitraum 2018 bis 2020 umfasst. Der Vertrag habe eine Bezahlung des Werklohnes nach erfolgter Leistungserbringung in Teilbeträgen vorgesehen.

Laut einer Auswertung von Neumanns Kalender durch die WKStA soll auch ein Termin „Markus Tschank“ mit dem Vermerk „Casinolizenzen“ gefunden worden sein. Ein Sprecher der Novomatic bestreitet laut „Falter“, dass die Zahlung und die politischen Wünsche in Zusammenhang stünden. Tschank hält zudem fest, dass er für das Thema Casinolizenzen keine Zuständigkeit hatte, und er ausschließlich Zuständigkeit für den Bereich Medien hatte.

Verfahrensbeteiligte haben Einsicht in Akten

Von der Chefin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, war auf Ö1-Anfrage zur Causa nichts zu erfahren. Es handle sich um einen Verschlussakt, es gelte besondere Geheimhaltung. Verfahrensbeteiligte hätten aber Akteneinsicht, so Vrabl-Sanda. Sie entgegnete damit Vorwürfen, wonach die WKStA vertrauliche Informationen Medien zuspielen würde. Man entziehe sich keiner sachlichen Kritik, verwehre sich aber gegen unsubstantiierte öffentliche Spekulationen.

„Wir verwehren uns jedoch gegen unsubstantiierte, öffentliche Spekulationen, die den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Anschein parteipolitischen Handelns (das letztlich sogar jenem des Amtsmissbrauchs zumindest nahekommt) in den Raum stellen, und weisen diese entschieden zurück. Dass es sich dabei um haltlose Vorwürfe handelt, zeigt sich bereits dadurch, dass sich in keiner der relevanten Medienberichterstattungen Belege oder Quellen für diese Behauptungen finden.“

Anzeige wegen Amtsmissbrauchs erstattet

Unterdessen erstattete Wolfgang Rauter, einst FPÖ-Chef im Burgenland und pensionierter Richter, wegen Veröffentlichung der Chats Anzeige bei der WKStA. In einer Sachverhaltsdarstellung äußerte er den Verdacht des Amtsmissbrauchs – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

„Falter“-Chefredakteur Florian Klenk wies den Vorwurf zurück: „Der Herr Richter Rauter weiß ganz genau, dass auch Privatpersonen Akteneinsicht haben und die Akten völlig legal an Medien kommen können“, erklärte Klenk. „Solche Angriffe gegen Journalisten und Staatsanwälte sind eine Nebelgranate, um von Verfehlungen der ehemaligen Bundesregierung abzulenken.“