Ursula von der Leyen
APA/dpa/Kay Nietfeld
Nach einigen Hürden

Von der Leyen kann auf baldigen Start hoffen

Mit einem Monat Verzögerung ist das Team der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen komplett. Das Europaparlament gab nun auch dem für Erweiterung zuständigen Ungarn Oliver Varhelyi grünes Licht. Dass Großbritannien keinen Kommissar benannt hat, ist wohl kein Hindernis.

Nun steht nur noch die Schlussabstimmung im EU-Parlament aus. Findet von der Leyens Personalpaket nächste Woche insgesamt eine Mehrheit im EU-Parlament, kann die Kommission wenige Tage später starten. Eigentlich sollte die Deutsche bereits am 1. November die Geschäfte vom Luxemburger Jean-Claude Juncker übernehmen.

Doch zog sich die Nominierung der Kommissare in die Länge, da die ursprünglichen Kandidaten aus Frankreich, Rumänien und Ungarn vom EU-Parlament gestoppt wurden. Die Nachrücker aus Frankreich und Rumänien bekamen vorige Woche das Plazet der zuständigen Ausschüsse. Im Fall des designierten Erweiterungskommissars Varhelyi forderte der Auswärtige Ausschuss jedoch zusätzliche schriftliche Antworten an.

Sorge um Orban-Nähe

Am Montagnachmittag entschieden die Obleute im Ausschuss, dass diese nun ausreichen. Die fünf zusätzlichen Fragen des Außenausschusses zielten unter anderem auf seine politische Heimat in der rechtskonservativen FIDESZ-Partei von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ab. Es wurde sinngemäß hinterfragt, ob er sich von Orban beeinflusst fühlt oder an diesen gebunden sei, oder ob er im Sinne der EU handeln werde.

Die ungarische FIDESZ ist – wie die ÖVP – formal Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP). Seit März liegt die Mitgliedschaft jedoch auf Eis, Orban werden antieuropäische Umtriebe, autoritäre Züge sowie Einschränkungen der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit vorgeworfen.

Zudem wurde auch danach gefragt, wie er zum Asyl für den ehemaligen nordmazedonischen Regierungschef Nikola Gruevski in Ungarn steht, ohne diesen namentlich zu nennen. Der Nationalkonservative Gruevski war im Vorjahr in Nordmazedonien rechtskräftig zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen Korruption verurteilt worden. Varhelyis Antworten dürften nun ausgereicht haben, um die notwendige Zweidrittelmehrheit der anwesenden EU-Mandatare zu überzeugen.

Erster Kandidat scheiterte wegen Interessenkonflikten

Die Entscheidung von der Leyens, das Erweiterungsressorts Ungarn zuzuteilen, war aufgrund des gegen Budapest laufenden Rechtsstaatlichkeitsverfahrens von Anfang an umstritten gewesen. Ungarns erster Kandidat, Laszlo Trocsanyi, scheiterte bereits im Rechtsausschuss des Europaparlaments wegen möglicher Interessenkonflikte. Die EU-Parlamentarier warfen ihm Unregelmäßigkeiten der Tätigkeit seiner Anwaltskanzlei in seiner Zeit als Justizminister von 2014 bis 2019 vor.

Damit nähert sich für von der Leyen eine sehr lange Vorlaufzeit ihrem Ende. Die 61-Jährige war bereits im Juli mit knapper Mehrheit als neue Kommissionschefin bestätigt worden. Im Sommer hatte sie mit der Auswahl ihrer 26 Kommissare begonnen – einen für jedes EU-Land.

Von der Leyen bat Johnson mehrmals um Kandidaten

Großbritannien hatte wegen des geplanten Brexits auf eine Nominierung verzichtet. Zum Problem wurde das, als der EU-Austritt von Ende Oktober auf Ende Jänner verschoben wurde. Denn eigentlich muss jedes Mitgliedsland in der Kommission vertreten sein. Von der Leyen bat Premierminister Boris Johnson mehrmals, doch noch einen Kandidaten zu benennen.

Johnson lehnte unter Verweis auf Regeln vor der Parlamentswahl am 12. Dezember ab. Die EU-Kommission reagierte mit einem Strafverfahren. Nach gängiger Lesart kann von der Leyen während des Verfahrens schon einmal ohne britischen Kommissar starten.

Österreichische Abgeordnete bleiben kritisch

Der ÖVP-EU-Abgeordnete Lukas Mandl und außenpolitischer Sprecher der ÖVP im EU-Parlament freute sich am Montagnachmittag, dass der parlamentarische Prozess „so ausgereift bis ins kleinste Detail funktioniert hat“ und kündigte an, Varhelyi „genau auf die Finger“ zu schauen. Die EU-Delegationsleiterin der Grünen, Monika Vana, steht der Besetzung nach wie vor kritisch gegenüber. „Im Hearing hat Varhelyi seine Loyalität gegenüber der EU betont, aber es bleibt abzuwarten, inwieweit es sich hier um ein Lippenbekenntnis handelt“, so die EU-Abgeordnete.

Ähnlich sieht es NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon. „Wir erwarten von ihm, genauso wie von allen KommissarInnen, dass er die Interessen der Union als Ganzes vertritt und nicht die seines Herkunftsstaates“, so die Liberale. Nach Ansicht von SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder konnte der Kommissarsanwärter „in einigen Bereichen nachbessern“, er erwartet sich aber „mehr als ein Bekenntnis zur EU“. FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky hatte im Vorfeld seine Unterstützung für Varhelyi erklärt, „in der Hoffnung, dass hier eine entsprechend vernünftige Stimme in der EU-Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik zum Tragen kommt“.