Die israelische Siedlung Maale Adumim im Westjordanland
Reuters/Ronen Zvulun
Siedlungen im Westjordanland

USA machen Kehrtwende zugunsten Israels

Die US-Regierung vollzieht eine weitere Kehrtwende in der Nahost-Politik – sie sieht im israelischen Siedlungsbau im Westjordanland keinen Verstoß gegen internationales Recht mehr. US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Montag in Washington, der Bau von israelischen Siedlungen im Westjordanland „ist nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht“.

Es habe den Friedensprozess im Nahen Osten nicht vorangebracht, die Siedlungen für illegal zu erklären, so Pompeo. Der Schritt reiht sich in eine Serie einseitig proisraelischer Entscheidungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump ein. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, die USA würden eine „historische Fehlentscheidung“ korrigieren. „Es gibt keinen Zweifel am Recht des israelischen Volkes am Land Israel“, sagte Außenminister Israel Katz laut einer Mitteilung. Er dankte der Regierung von US-Präsident Trump für ihre „anhaltende und starke Unterstützung“.

Schon vor der US-Ankündigung Pompeos hatte die israelische ultrarechte Ex-Justizministerin Ajelet Schaked auf Twitter dazu aufgerufen, die israelischen Siedlungen im Westjordanland zu annektieren. „Das jüdische Volk hat das gesetzliche und moralische Recht, in ihrem historischen Heimatland zu leben“, schrieb Schaked. „Jetzt ist die Zeit gekommen, unsere Souveränität auf diese Siedlungen anzuwenden.“

US-Außenminister Mike Pompeo
APA/AFP/Jim Watson
Siedlungsbau im Westjordanland für Pompeo „nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht“

Palästinenser üben Kritik

Die Palästinenserführung kritisierte die US-Kehrtwende indes. „Israelische Siedlungen stehlen palästinensisches Land, beschlagnahmen palästinensische natürliche Ressourcen und beuten sie aus“, teilte Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) mit. Die Siedlungen beschränkten zudem das Recht auf Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung. Er rief die internationale Gemeinschaft zum Handeln gegen „das unverantwortliche Verhalten der USA“ auf.

„Die Position der Europäischen Union zur israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten ist klar und bleibt unverändert“, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montagabend in Brüssel mit. „Alle Siedlungsaktivitäten sind nach dem Völkerrecht illegal und unterhöhlen die Tragfähigkeit der Zwei-Staaten-Lösung die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden (…).“ Die EU rufe Israel auf, sämtliche Siedlungsaktivitäten im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen als Besatzungsmacht zu unterbinden.

Umstrittene Siedlungspolitik

Israel hatte 1967 während des Sechstagekriegs unter anderem das Westjordanland und Ostjerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser sehen beide Gebiete als Teil eines künftigen unabhängigen Staates.

Die Siedlungspolitik Israels ist hoch umstritten. Der UNO-Sicherheitsrat hatte Israel im Dezember 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ostjerusalems aufgefordert. Siedlungen wurden in der Resolution 2334 als Verstoß gegen internationales Recht und als großes Hindernis für einen Frieden in Nahost bezeichnet. Auch die Amerikaner lehnten die Erweiterung israelischer Siedlungen in diesen Gebieten bisher ab.

Der Siedlungsbau ging jedoch weiter. Israel genehmigte nach Angaben der Friedensorganisation Peace Now allein im Oktober den Bau von 2.342 Siedlerwohnungen im besetzten Westjordanland. Seit Jahresbeginn sei der Bau von insgesamt 8.337 Wohnungen in israelischen Siedlungen gebilligt worden – deutlich mehr als im Vorjahr.

Volle Unterstützung für Israel

Mit der US-Kehrtwende bekommt Israel kraftvolle Unterstützung für die eigene Siedlungspolitik. Die Trump-Regierung hat in den letzten Jahren bereits eine ganze Reihe proisraelischer Entscheidungen getroffen: Sie erkannte den israelischen Anspruch auf die besetzten Golanhöhen ebenso an wie Jerusalem als Israels Hauptstadt. Sie verlegte die US-Botschaft auch dorthin. Die Palästinenser beanspruchen den Ostteil der Stadt als Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates. Die Palästinenser werfen der US-Regierung vor, vor allem die Interessen Israels zu vertreten. Deshalb lehnen sie inzwischen die Vereinigten Staaten als Vermittler im Nahost-Konflikt ab.

Trumps Regierung setzt sich mit ihrer Nahost-Politik auch konsequent vom Kurs internationaler Partner ab. Die Entscheidung fällt nun in innenpolitisch besonders bewegte Zeiten für Israel und spielt Netanjahu in die Hände, der schwer unter Druck steht. Israel steckt in einer politischen Krise: Nachdem Netanjahu nach der Parlamentswahl im September mit dem Versuch gescheitert war, eine neue Regierung zu bilden, läuft an diesem Mittwoch die Frist zur Regierungsbildung für Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß ab. Sollte Gantz ebenfalls scheitern, droht die dritte Wahl innerhalb eines Jahres.

Wirbel über EuGH-Entscheidung

Für Kontroversen sorgten in der Vorwoche zudem eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Zusammenhang mit der israelischen Siedlungspolitik. Der EuGH entschied, dass exportierte Waren aus israelischen Siedlungen im Westjordanland und anderen 1967 besetzten Gebieten in der EU besonders markiert werden müssen und nicht als Produkt Israels ausgewiesen werden können. Israel kritisierte die Entscheidung als diskriminierend. Die USA äußerten sich ebenfalls besorgt und beklagten, die Vorgabe diene lediglich dazu, Boykotte gegen Israel zu fördern.