Schnee in Osttirol
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Schnee und Regen

Zu warmes Meer „schickte“ Unwetter

Nach den Unwettern der vergangenen Tage ist in den betroffenen Gebieten Aufräumen angesagt. An der Südseite der Alpen waren innerhalb weniger Tage Unmengen an Schnee und Regen niedergegangen. Dafür verantwortlich war auch das – zu warme – Mittelmeer.

„Südlich von Österreich“ lägen die Wassertemperaturen derzeit ein bis drei Grad über den für diese Jahreszeit durchschnittlichen Werten, heißt es aus der ORF-Wetterredaktion. Und „überdurchschnittliche Wassertemperaturen tragen zu überdurchschnittlicher Verdunstung bei und damit zu überdurchschnittlichen Niederschlägen“. Mit anderen Worten: Über dem warmen Mittelmeer konnte die Luft zuletzt verhältnismäßig viel Wasser aufnehmen, das sie später wieder loswerden musste. In den vergangenen Tagen tat sie das an der Südseite der Alpen.

Das bescherte so mancher Region in Österreich in wenigen Tagen viermal so viel Schnee und Regen wie in einem ganzen durchschnittlichen November. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) schrieb bereits zu Wochenbeginn, dass etwa das Osttiroler Lienz mit derartigen Niederschlagsmengen nur „alle 40 bis 50 Jahre“ konfrontiert sei. Noch weiter nördlich, zum Beispiel in Bad Gastein, kämen „derartige Dreitagesschneemengen“ überhaupt seltener als alle 50 Jahre vor. Denn üblicherweise würden sich „die vom Mittelmeer aufziehenden Regen- und Schneewolken“ bereits an den „ersten Gebirgsketten“ entleeren.

Aufräumarbeiten bei einem Murenabgang nach Schneefällen und Starkregen
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Die tagelangen Unwetter waren für die Jahreszeit sehr ungewöhnlich – und hinterließen vielerorts Verwüstung

Erinnerung an vergangenen Winter

Das war dieses Mal anders. Und das lag eben auch daran, dass über dem Mittelmeer ungewöhnlich viel Wasser verdunstete. Ein ähnliches Phänomen war auch im vergangenen Winter zu beobachten – wenn auch geografisch aus der anderen Richtung: Anfang des Jahres war die Nordsee für die Jahreszeit noch relativ warm. So konnte sich die Luft überdurchschnittlich stark mit Feuchtigkeit „volltanken“.

Die feuchte Luft wurde dann nach Süden transportiert, wo sie an der Nordseite der Alpen hängen blieb. Historisch große Schneemengen waren die Folge. Auf den Zusammenhang wies Anfang der Woche auf Twitter auch der deutsche Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung hin. Im Moment sind übrigens laut der ORF-Wetterredaktion die Temperaturen „im Atlantik westlich von Europa durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittlich, in der Nordsee normal bis überdurchschnittlich“.

Die Wassertemperatur an der Oberfläche der Meere ist dabei von mehreren Faktoren abhängig. Maßgeblich wird sie durch Sonneneinstrahlung und die Lufttemperatur beeinflusst. Aber auch Meeresströmungen haben Auswirkungen darauf, wie stark sich das Oberflächenwasser erwärmt. Die relevanten Klimamodelle rechnen in den kommenden Jahrzehnten jedenfalls mit einem deutlichen Anstieg der Meeresoberflächentemperatur. Dieser hätte unter anderem zur Folge, dass sich mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre sammelt – die dann auch wieder abregnen muss. Das ist einer der Gründe, warum die Klimaforschung für die Zukunft von mehr Starkwetterereignissen ausgeht.

Jetstream schwächelt

Es ist aber nicht die einzige mögliche Verbindung, die sich zwischen Erderwärmung und Extremwetter auftut: Sowohl für die jüngsten Niederschlagsmengen als auch die Schneemassen im vergangenen Winter war vermutlich auch der Jetstream mitverantwortlich. Die Höhenströmung schiebt üblicherweise die großen Wettersysteme in unseren Breiten von West nach Ost. Angetrieben von Temperaturunterschieden zwischen Tropen und Arktis weht der starke Westwind in etwa zehn Kilometer Höhe rund um den Globus.

Doch die Arktis erwärmt sich zurzeit besonders schnell. Laut Klimaforscher Rahmstorf hat das vermutlich einen Einfluss darauf, dass sich der Jetstream destabilisiert. Und mit dieser Ansicht ist er nicht allein. Tatsächlich konnte die Wissenschaft in den vergangenen Jahren eine Abschwächung des Windbandes beobachten. Der Jetstream begann zu mäandern und Schlangenlinien über die Nordhalbkugel zu ziehen.

Das kann dann dazu führen, dass – wie in den vergangenen Tagen – feuchte Luft vom Mittelmeer im großen Stil nach Norden bis in die Alpen gedrückt wird. Auch die Kältewelle in den USA im Jänner war dem sich schlängelnden Jetstream geschuldet. Zugleich kann eine Abschwächung des Windbandes dazu führen, dass Wetterlagen nicht mehr so schnell „abtransportiert“ werden. Das gilt für starken Regen ebenso wie für drückende Hitze.

Murengefahr für das Frühjahr

Wie viel Schnee und Regen der heurige Winter bringen wird, ist freilich noch offen. „Über die zu erwartenden Niederschlagsmengen des Winters gibt es nach dem aktuellen Stand der Forschung keine seriöse Vorhersagemöglichkeit“, so die ORF-Wetterredaktion.

Sehr wohl an eine – durchaus besorgniserregende – Vorhersage wagte sich hingegen der Salzburger Landesgeologe Gerald Valentin. Laut Valentin sind viele Berghänge von den jüngsten Wassermassen „verwundet und verletzt“. Spätestens mit der Schneeschmelze im Frühjahr könnten erneut viele Berghänge ins Rutschen geraten – mehr dazu in salzburg.ORF.at.