Israels Premier-Minister Benjamin Netanyahu
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Israel

Netanjahu muss wegen Korruption vor Gericht

Israels geschäftsführender Premierminister Benjamin Netanjahu soll wegen Korruption vor Gericht. Das Justizministerium teilte am Donnerstag mit, Netanjahu werde wegen Betrugs und Untreue sowie Bestechlichkeit angeklagt. Für Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, für Betrug und Veruntreuung bis zu drei Jahre.

Die Entscheidung von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit sei nach einer „umfassenden und grundlegenden Untersuchung“ der zahlreichen Argumente, die seitens der Vertreter des Ministerpräsidenten während einer viertägigen Anhörung Anfang Oktober 2019 aufgeführt wurden, getroffen worden, so das Justizministerium. Keines der Argumente habe dazu geführt, die grundlegenden Vorwürfe gegen Netanjahu zu ändern.

Nach Angaben des Justizministeriums hat Mandelblit die Anklagen bereits dem Parlamentspräsidenten vorgelegt. Vor Journalisten erklärte Mandelblit, dass die Entscheidung für die Anklage nicht politisch motiviert sei. Es sei ein „harter und trauriger“ Tag für Israel, aber auch ein „wichtiger“ Tag, der zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe.

Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit
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Generalstaatsanwalt Mandelblit verteidigte die Entscheidung für eine Anklage

Er habe die Entscheidung „schweren Herzens, aber auch mit ganzem Herzen“ getroffen, so Mandelblit weiter. „Strafverfolgung ist keine Wahl. Es ist keine Frage von links oder rechts. Es ist keine Frage der Politik.“ Er kritisierte weiters Kampagnen von Unterstützern Netanjahus gegen die Ermittlungen. Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender Ministerpräsident direkt vor einer Anklage steht.

Netanjahu sieht „versuchten Putsch“

Netanjahu kritisierte seinerseits am Abend die Anklagen. Sie seien ein „versuchter Putsch“ gegen einen Regierungschef. Er respektiere die Justizbehörden, aber man „muss blind sein, um nicht zu sehen, dass etwas Schlechtes bei der Polizei und im Büro der Staatsanwaltschaft vor sich geht“. Ziel der Ermittlungen sei gewesen, eine rechte Regierung zu stürzen.

Er wolle weiter als Ministerpräsident dienen. Einen Rücktritt im Fall einer Anklage hatte er schon vorab ausgeschlossen. Netanjahu warf den zuständigen Behörden unsaubere Arbeit bei den Ermittlungen vor und forderte eine unabhängige Untersuchung der Ermittlungsarbeit. Der langjährige Regierungschef weist alle Vorwürfe als „Hexenjagd“ gegen sich und seine Familie zurück.

Unterstützer des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu
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Anhänger Netanjahus demonstrierten für ihn auf der Straße

Das oppositionelle Mitte-Bündnis Blau-Weiß schrieb in einer ersten Reaktion auf die Anklage Netanjahus: „Ein Ministerpräsident, der bis zum Hals in Korruptionsvorwürfen steckt, hat kein öffentliches oder moralisches Mandat, um schicksalhafte Entscheidungen für den Staat Israel zu treffen.“ Oppositionsführer Benni Ganz erklärte in einer kurzen Stellungnahme, es handle sich um einen „sehr traurigen Tag für den Staat Israel“.

Zahlreiche Vorwürfe

Gegen den 70-jährigen Netanjahu laufen Ermittlungen wegen einer Reihe von Vorwürfen. Der schwerwiegendste Vorwurf lautet, dass der Rechtspolitiker als Kommunikationsminister der Telekommunikationsfirma Besek Vorteile bei der Regulierung gewährt haben soll, damit die vom selben Chef geführte Nachrichtenwebsite Walla positiv über ihn berichtet.

Israel: Netanjahu muss vor Gericht

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Netanjahu spricht von einem Putschversuch.

Außerdem soll sich der Ministerpräsident um eine geheime Absprache mit der israelischen Zeitung „Jediot Achronot“ bemüht haben. Ferner geht es darum, dass Netanjahu und seine Angehörigen von reichen Persönlichkeiten Luxusgeschenke für finanzielle und persönliche Gefallen erhalten haben sollen. Im Gegenzug soll Netanjahu sich für günstige Gesetze und ein US-Visum starkgemacht haben. Die Polizei hatte im Februar eine Anklage empfohlen.

Verfahren könnte Jahre dauern

Es dürfte mehrere Monate dauern, bis tatsächlich ein Verfahren gegen Netanjahu beginnt, das wiederum Jahre dauern könnte. Allerdings könnte Netanjahu einen Vergleich einer Gerichtsverhandlung vorziehen. Sollte ihm eine Regierungsbildung gelingen und er Ministerpräsident bleiben, müsste er nicht zurücktreten. Das ist laut israelischem Recht nur im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung vorgesehen.

Allerdings braucht er für eine handlungsfähige Regierung Partner, und die könnten angesichts der anstehenden Gerichtsverhandlung eine Zusammenarbeit ablehnen. Andererseits könnten willige Partner ihm auch helfen, ein Gesetz durchzubringen, dass ihm garantiert, bis zu einem endgültigen Urteil weiter im Amt zu bleiben.

Gegner wollen Höchstgericht anrufen

Die Arbeitspartei mit Bündnispartner Gescher erklärte, das höchste Gericht anrufen zu wollen, um den Status Netanjahus zu klären. Die Partei werde argumentieren, dass Netanjahu aktuell rechtlich wie ein Minister zu behandeln sei, hieß es in einer Stellungnahme des Vorsitzenden Amir Perez. Danach müsste Netanjahu zurücktreten.

Nach Angaben von Laut Juval Schani vom Israelischen Demokratie-Institut bleiben Netanjahu nun regulär 30 Tage Zeit, um beim Parlament Immunität vor Strafverfolgung zu beantragen. Die Experten sind sich allerdings uneins, inwiefern in der derzeitigen Lage über ein mögliches Immunitätsgesuch Netanjahus entschieden werden könnte.

Regierungsbildung gescheitert

Die Anklage dürfte die Regierungsbildung in Israel erschweren, die sich bereits über Monate und zwei Parlamentswahlen hinzieht. Der letzte Versuch dazu war am Mittwoch gescheitert. Präsident Reuven Rivlin hat daraufhin erstmals in der Geschichte des Landes das Parlament damit beauftragt, einen mehrheitsfähigen Ministerpräsidenten zu suchen, nachdem Netanjahu bereits zweimal und zuletzt Ganz gescheitert waren.

Jeder Abgeordnete der Knesset kann nun versuchen, eine Mehrheit von 61 der 120 Parlamentarier für eine Regierungskoalition zu finden. Scheitert auch das innerhalb der nächsten 21 Tage, muss Israel zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament wählen. Die Neuwahl könnte nach Medienberichten in der ersten März-Hälfte stattfinden.