Alltagsbeispiele für ISO-Zeichen
ORF.at/Roland Winkler
Symbole für alles

Die Urgroßeltern der Emojis

Rasierapparatsteckdose, Notausgang und Handbremsenwarnleuchte: Wer daran denkt, hat sofort die entsprechenden Symbole im Kopf – und kann sich darauf verlassen, dass sie weltweit gleich aussehen, schon seit Jahrzehnten. Dass die Urgroßeltern der Emojis auch wirklich überall verstanden werden, ist das Ergebnis eines langen Prozesses – an dem sich jeder beteiligen kann.

Zwar kein A-a-Häufchen und zwinkernder Bussi-Smiley, dafür praktisch das gesamte öffentliche Leben in Grafiken ist in den Normen der International Organization for Standardization (ISO) festgelegt. Rund 6.500 Symbole sind allein für die Beschriftung von Geräten gedacht, zahlreiche weitere Symbole für die Information im öffentlichen Raum vorgesehen. Darüber hinaus gibt es etwa eine Norm für Rettungs-, Warn- und Verbotszeichen.

Enthalten sind darin viele Zeichen, die im Alltag praktisch überall anzufinden sind, seien es die Warnleuchten auf dem Armaturenbrett im Auto, seien es die männlichen und weiblichen Strichzeichnungen, die auf WCs zu sehen sind. Das ist aber längst nicht alles: Wer im Onlineangebot der ISO blättert, findet obskure Symbole, deren Einsatzzweck nicht sofort klar ist, etwa „Haare nach oben“ und „Heiße Quelle“.

Screenshot www.iso.org
www.iso.org
Auf den Seiten der ISO werden Tausende Grafiken aufgelistet

Genaue Richtlinien und internationale Diskussion

Was die Grafiken ausdrücken sollen, ist hingegen bei den meisten schon auf den ersten Blick entzifferbar. Das liegt einerseits daran, dass es für die Erstellung dieser Piktogramme ausführliche Richtlinien gibt, die das – gemessen an der Vielzahl der Grafiken – relativ einheitliche Äußere sicherstellen. Andererseits ist der Entstehungsprozess umfassend und international: Bis eine Grafik von der ISO zum Teil einer Norm gemacht wird, können sich alle Mitgliedsländer an der Entstehung beteiligen.

Die ISO koordiniert seit ihrer Gründung im Jahr 1947 den Großteil der internationalen Normen (mit einigen Ausnahmen, die von vergleichbaren Organisationen verwaltet werden) und ist in 164 Ländern vertreten. In Österreich ist Austrian Standards für die Standardisierung verantwortlich – hierzulande werden diese in der ÖNORM festgehalten. Insgesamt gibt es „um die 22.000“ solcher ÖNORMEN, so Martin Lorenz von Austrian Standards im Gespräch mit ORF.at. Geregelt werden damit freilich nicht nur Symbole, sondern praktisch alles – von Richtlinien am Bau bis zum Gesundheitsbereich.

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Alltagsbeispiele für ISO-Zeichen
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Symbole spielen in Notfällen eine entscheidende Rolle
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Auch die Symbole auf dem Armaturenbrett sind genormt
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Waschen, trocknen, bügeln – die Piktogramme weisen den Weg
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Die ISO-Symbole sollen weltweit verständlich sein
Alltagsbeispiele für ISO-Zeichen
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Drei oder vier Sterne: Auch die Beschriftung im Tiefkühler ist genormt

Feedback aus aller Welt als wichtiger Faktor

Gerade bei Symbolen ist der Entstehungsprozess aber besonders vielschichtig – das Ziel, global einheitliche Grafiken zu entwerfen, die dann auch verstanden werden, ist kein leichtes Unterfangen. So müsse man dabei etwa „andere Kulturkreise“ bedenken, der „Eurozentrismus“ falle manchmal erst gar nicht auf, so Austrian-Standards-Sprecherin Regina Slameczka. Deshalb sei es gut, dass „internationale Vertreter“ an dem Entstehungsprozess beteiligt sind, die „ihren Blickpunkt einbringen“.

Das sei auch „keine rein technische“ Angelegenheit, so Slameczka, vielmehr gelte es, etwa „psychologische und gestalterische“ Aspekte zu beachten. Die verantwortlichen Komitees bestehen deshalb aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Branchen, primär aus Wirtschaft und Forschung, aber auch NGOs, Interessenverbände sowie Bund und Länder.

Und: Alle Entwürfe werden der Öffentlichkeit vorgelegt. Auch als Einzelperson kann man damit bei dem Prozess Feedback geben. Eine besondere Qualifikation brauche es dazu nicht, so Slameczka. Ähnlich wird auch in anderen Ländern vorgegangen – das gesammelte Feedback werde dann „zentral behandelt“, so Lorenz, der hierzulande selbst entsprechende Komitees betreut.

Otto Neurath

Piktogramme, die bildlich Wissen vermitteln sollen, waren eine Idee des österreichischen Nationalökonomen Otto Neurath Anfang des 20. Jahrhunderts – mehr dazu in science.ORF.at.

Wohin führt der Weg?

Fragen zur Verständlichkeit kommen beim näheren Betrachten jedenfalls schnell auf. Gerade das Notausgangsschild – die Figur, die aus der offenen Tür läuft – könnte Raum für Interpretationen lassen. Bedeutet etwa eine Figur, die sich von rechts auf die Tür zu bewegt, dass man nach der offenen Tür links weitergehen muss? Wenn ein Schild „geradeaus“ symbolisieren will, muss der Pfeil nach oben oder nach unten zeigen? Solche Fragen werden im Rahmen der Standardisierung geklärt – Ziel ist ein möglichst breiter Konsens.

Regionale Unterschiede trotzdem möglich

Auch wenn die ISO als internationaler Gradmesser gilt: Regionale Unterschiede gibt es dennoch hin und wieder. In Österreich gilt, wenn es um Warnschilder geht, neben der weltweiten Norm auch die national gültige Kennzeichnungsverordnung. Meistens gehen solche Unterschiede darauf zurück, dass der Gesetzgeber noch vor der weltweiten Standardisierung entsprechende Regeln beschlossen hat. In der Praxis sind die Unterschiede im Detail zu finden: So hat das Feuerlöschersymbol in der österreichischen Variante einen Schlauch, der ISO-Feuerlöscher aber einen Griff und Flammen daneben. Für die Verständlichkeit macht das freilich kaum einen Unterschied.

Zwei verschiedene Symbole für einen Feuerlöscher
ORF.at/Roland Winkler, Christian Öser (Montage)
Links das Symbol der ISO, rechts die ebenfalls gültige Kennzeichnungsverordnung

Das liegt wohl auch daran, dass die einzelnen Symbole über die Jahrzehnte praktisch unverändert geblieben sind. Raum für Veränderung gibt es dennoch: Regelmäßig werden Normen überarbeitet, heißt es von Austrian Standards. Und so könnte es gut sein, dass etwa das Symbol für ein Notfalltelefon – mit klassischem Telefonhörer – nicht ewig bestehen wird, immerhin sind derartige Telefone praktisch nicht mehr im Alltag anzutreffen.

Gesellschaftliche Debatte nimmt Einfluss

Auch gesellschaftliche Debatten fließen in die Aktualisierung ein, wie es von Austrian Standards heißt. Als Beispiel wird etwa das „ISO-Männchen“, also das Piktogramm für Personen, genannt, dessen Rolle im Hinblick auf die Genderdiskussion zum Thema wird. Aber: Vorpreschen könne man in solchen Fragen nicht.

Für die Normierung müsse es auch einen breiten gesellschaftlichen Konsens geben, sagt Slameczka. So gab es deshalb 2014 zahlreiche Debatten über die ÖNORM A 1080 – „Richtlinien für die Textgestaltung“. Die Norm hätte um einen Abschnitt über „geschlechtersensiblen Umgang mit Sprache“ ergänzt werden sollen. Letztlich wurde die Aktualisierung aber gekippt – denn „wenn sich die Meinungen nicht vereinbaren lassen, gibt es keine Norm“, so die Sprecherin.

Emoji als Aufreger

Das Streben nach Einheitlichkeit und universeller Verständlichkeit bei Grafiken setzt sich heute auch an anderer Stelle fort: Über 60 Jahre nach der Gründung der ISO wurden 2010 erstmals Emojis in einem Standard festgehalten. Zuständig dafür ist das Unicode-Konsortium – dessen Standards werden auch als ISO-Norm festgeschrieben.

Und so gab es dann auch 2017 eine Diskussion über das A-a-Häufchen-Emoji: Geplant war damals, dass es zusätzlich zu dem meist als fröhlich dargestellten Häufchen auch eine grantig schauende Variante geben soll. Das führte zu einer heftigen Debatte – der Sprachwissenschaftler Michael Everson, der für Tausende Zeichen der Unicode- und ISO-Norm verantwortlich zeichnet, schrieb damals: „Dieses Zeichen fügt sowohl der ISO 10646 als auch dem Unicode-Standard Schaden zu.“ Dass praktisch ein Gesicht für das Häufchen geplant ist, sei nicht im Sinne der Norm – und: „Bioabfälle sind nicht süß“, so Everson. Die Einführung würde Tür und Tor für weitere Variationen öffnen, so Everson. Letztlich fehlte also der Konsens für das grantige A-a-Häufchen – es wurde damit nicht zur Norm.