Metropolitan Correctional Facility
APA/AFP/David Dee Delgado
Fall Epstein

Verschwörungstheorien blühen wie nie zuvor

Knapp dreieinhalb Monate nach dem Tod des US-Multimillionärs Jeffrey Epstein, verurteilt wegen einer Reihe von Sexualverbrechen, blühen noch immer die – mitunter absurdesten – Verschwörungstheorien. Der Investmentbanker starb laut Obduktionsergebnis durch Suizid. Doch ständig werden Zweifel an dieser Version laut. Der Fall liefert offenbar das richtige „Futter“.

Diese Zweifel seien praktisch umgehend nach Bekanntgabe der Todesursache aufgetaucht, schrieb die „Financial Times“ am Wochenende. Epstein war, mit einem Leintuch erhängt, am 10. August leblos in seiner Zelle in einer New Yorker Haftanstalt aufgefunden worden. In einem Krankenhaus wurde sein Tod festgestellt.

Zuletzt zeigte sich laut der Londoner Zeitung etwa John Kennedy, ein republikanischer Senator aus dem US-Bundesstaat Louisiana, skeptisch, was den Tod des 66-Jährigen betrifft und fand dabei etwas ungewöhnliche Worte. Epstein würde sich genauso wenig selbst aufhängen wie Weihnachtsdekoration, sagte er in einer Anhörung im Kapitol in Washington. Eine Theorie, die immer wieder auftauche, sei die, dass „der Mann, der mit Businesstitanen und Präsidenten verkehrt hatte“ „zu viel wusste“ und deshalb ermordet worden sei.

Die absurdesten Theorien

Dann gebe es noch weitere, eher seltsame Versionen. Eine davon: Epstein lebe noch und verstecke sich, etwa in Israel. Warum gerade in Israel, erschließt sich nicht direkt. Er wuchs zwar in einer jüdischen Familie auf, allerdings auf Coney Island, im New Yorker Stadtteil Brooklyn.

Gerichtsmediziner im New York Presbyterian-Lower Manhattan Hospital, in das die Leiche des US-Milliardärs Jeffrey Epstein gebracht wurde
Reuters/Jeenah Moon
Epsteins Tod wurde im Presbyterian-Lower Manhattan Hospital festgestellt

Eine weitere Theorie, die laut „Financial Times“ kursiert und noch etwas grotesker ist: Der Multimillionär hätte zu einem geheimen Kreis sehr mächtiger Pädophiler und „Agenten“ eines Schattenstaates, die die Fäden in der Weltpolitik zogen, gehört.

Justizbeamte festgenommen

Zurück zu den Fakten: Vor wenigen Tagen waren zwei Justizbeamte, die Epstein in den Stunden vor seinem Tod im Metropolitan Correctional Center (MCC New York) zu überwachen hatten, festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Pflicht vernachlässigt zu haben, Dienstprotokolle zu Kontrollgängen seien falsch ausgefüllt und Epstein stundenlang nicht überwacht worden. Er hatte bereits im Juli in seiner Untersuchungshaft einen Suizidversuch unternommen und sollte deshalb rund um die Uhr unter Beobachtung stehen.

FBI-Ermittlungen verstärken Zweifel

Zuletzt habe die Direktorin des Büros der Bundeshaftanstalten im US-Justizministerium (Federal Bureau of Prisons, BOP), Kathleen Hawk Sawyer, im Senat mitgeteilt, dass das Federal Bureau of Investigation (FBI), die Möglichkeit eines kriminellen Hintergrunds für Epsteins Tod prüfe. Sie war früher selbst Chefin der US-Bundespolizei.

US-Justizminister William Barr bemühte sich laut „Financial Times“, die Spekulationen zu bremsen. Er hätte sich selbst Fragen zum Tod des Multimillionärs in seiner Zelle gestellt und deshalb persönlich Überwachungsmaterial eingesehen. Er könne Zweifler verstehen, sagte Barr, schließlich sei alles Mögliche schiefgegangen.

Epstein wurde vorgeworfen, unzählige Minderjährige missbraucht und zur Prostitution gezwungen zu haben. Eine Reihe von Frauen in den USA erhebt Vorwürfe, wonach Epstein sie auch als „Sexsklavinnen“ an Freunde und Bekannte weitervermittelt habe. Im Fall einer Verurteilung hätten ihm bis zu 45 Jahre Haft gedroht.

Das richtige „Futter“

Doch warum kursieren so Verschwörungstheorien? Es gebe dafür schlicht viel „Futter“, zitierte die „Financial Times“ den Politikwissenschaftler Joseph Uscinski von der Universität Miami in Florida, Koautor des Buchs „American Conspiracy Theories“ („Amerikanische Verschwörungstheorien“). Es habe ein Motiv gegeben, ihn zu töten, der Fall sei medial stark präsent gewesen – und schließlich: Epstein hatte Kontakte zu allen möglichen Prominenten, angefangen von Ex-US-Präsident Bill Clinton über den aktuellen Präsidenten Donald Trump bis hin zu Prinz Andrew, Sohn der britischen Königin Elizabeth II.

Prince Andrew, Duke of York
Reuters/Toby Melville
Der britische Prinz Andrew geriet wegen seiner Freundschaft zu Epstein unter Druck und legte seine öffentlichen Funktionen zurück

Andrew geriet zuletzt wegen seiner Freundschaft mit Epstein gehörig unter Druck, dementiert aber, jemals von dessen Taten nur die geringste Kenntnis gehabt zu haben. Er gab vor wenigen Tagen bekannt, alle seine öffentlichen Funktionen bis auf Weiteres zurückzulegen.

„Fake News“: Trump macht es vor

Außerdem trage der gesamte „Fake News“-Diskurs dazu bei, dass die wildesten Verschwörungstheorien blühten, in den USA zeigten Umfragen deutlich, dass die Mehrheit der Menschen den „Mainstreammedien“ und Regierungsbehörden weitgehend misstrauten. „Ungewöhnlicherweise“, schrieb die britische Zeitung, habe es sich schließlich auch US-Präsident Trump zur Gewohnheit gemacht, Verschwörungstheorien via Soziale Netzwerke zu verbreiten. „Fake News“ ist eines seiner Lieblingsvokabel im Kurznachrichtendienst Twitter.

Schließlich erinnerte die „Financial Times“ noch an die absurde Debatte über die Staatsbürgerschaft von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama. Zu guter Letzt habe Trump selbst noch einen Tweet des Comedian Terrence K. Williams weiterverbreitet, nachdem der geschrieben hatte: „Tod durch Suizid bei Überwachung rund um die Uhr? Ja, sicher.“ Und weiter: „Jeffrey Epstein hatte Informationen über Bill Clinton & nun ist er tot.“

Selbst Assad hat seine eigene Version

Schließlich sei da noch ein von einem Bruder Epsteins beauftragter Gegengutachter, der renommierte frühere Leiter der New Yorker Gerichtsmedizin, Michael Baden, der die Meinung vertritt, eine Verletzung am Genick des Toten passe besser zu einer Strangulation als zu Erhängen. „Die Indizien deuten in Richtung Mord.“ Die derzeitige zuständige Forensikerin, Barbara Sampson, bleibt jedoch bei ihrer Überzeugung: Es sei Suizid gewesen.

So verrückt, dass sie keine Anhänger finde, könne gar keine Version zu Epsteins Tod sein, sagte Politikwissenschaftler Uscinski. „Aber erzählen Sie das Baschar al-Assad“, dem syrischen Machthaber, der sich zuletzt ebenfalls zu der Causa geäußert hatte. Seine Version, von der etwa das US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“ nach einem Interview Assads mit einem russischen TV-Sender vor etwa zehn Tagen berichtet hatte: „Sie sagen, es war Selbstmord“, in Wirklichkeit aber hatte Epstein gewaltsam sterben müssen, da er „Geheimnisse“ aus höchsten Kreisen gekannt habe. Diese hätten die britische, die US- und vielleicht auch noch andere Regierungen betroffen.