Impfstoff gegen Masern
APA/Georg Hochmuth
Auch Sanktionen

Ärztekammer für Impfpflicht

In Deutschland hat der Bundestag erst vor wenigen Tagen eine verpflichtende Impfung gegen Masern beschlossen. Sie gilt für alle Kinder vom Hort bis zur öffentlichen Schule. Eine entsprechende Impfpflicht, sogar noch weiter gefasst, kann sich auch die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) vorstellen – Sanktionen bei Nichtbefolgung inklusive.

Für ein entsprechendes Gesetz, mit dem Masernschutzgesetz in Deutschland vergleichbar, sprach sich am Samstag der Präsident der ÖÄK, Thomas Szekeres, aus. „Die Ärztekammer würde das begrüßen“, nämlich „eine Impfpflicht für alle empfohlenen Impfungen“, sagte er am Samstag in der Ö1-Interviewreihe „Im Journal zu Gast“.

Der Ärztekammer-Chef verwies auf die aktuelle Durchimpfungsrate von etwa über 80 Prozent. Laut Standard der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist diese zu niedrig und müsste bei 95 Prozent liegen, um dem Ziel, die Infektionskrankheit auszurotten, näherzukommen.

„Gutzureden“ und Werbung halfen nicht

Mit „Gutzureden“ oder Werbung sei es bisher nicht gelungen, diesen Standard zu erreichen, argumentierte Szekeres. Die Zahl der registrierten Fälle steige und die Durchimpfungsrate sei gesunken. Deshalb sollte die Impfung gegen Masern in eine Art verlängerten Mutter-Kind-Pass (aktuell umfasst dieser die ersten fünf Lebensjahre eines Kindes), einen Jugendpass, integriert werden. Auch Sanktionen bei Nichtbefolgung kann sich Szekeres vorstellen. Es könnten etwa bestimmte Sozialleistungen gekürzt werden. „Das heißt, wenn man sich nicht impfen lässt, bekommt man weniger bezahlt.“

Es gebe eine Reihe von empfohlenen Impfungen, „da würde ich das wollen“. Gegen Grippe sollte jedenfalls auch medizinisches Personal geimpft werden. Mit diesem Impfschutz schütze man auch die Patienten, sagte Szekeres, der im „Journal“ auch ausführlich zu den Themen Medizinermangel auf dem Land und Finanzierung des Gesundheitssystems Stellung nahm – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Nein von FPÖ

Eine generelle Impfpflicht sei abzulehnen, hieß es in einer Reaktion von der FPÖ. Eine Koppelung an Sozialleistungen und ein Ausbau des Mutter-Kind-Passes in einen Jugendpass wäre aber vorstellbar, so der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak in einer Aussendung.

Für neue Steuern oder Beitragserhöhungen sei die FPÖ nicht zu haben, sagte Kaniak zum Thema Finanzierung des Gesundheitssystems. „Man muss innerhalb des Systems Einsparungen und Umschichtungen vornehmen.“

„Ruf nach Geld“ für NEOS „zu wenig“

NEOS betonte ähnlich, die Forderung nach mehr Geld allein löse keine Probleme im Gesundheitswesen. „Der Ruf nach Geld ist zu wenig“, so Gesundheitssprecher Gerald Loacker. „Zunächst müssen genaue Ziele für Gesundheit und Versorgung definiert und dementsprechend die bestehenden Strukturen verbessert werden.“ Dasselbe gelte für den propagierten Ärztemangel: „Wenn es bei der höchsten Ärztedichte europaweit an Ärztinnen und Ärzten fehlt, dann passen die Strukturen nicht.“

Deutlich mehr Fälle als im Vorjahr

Mit Letztstand 13. November wurden in Österreich im laufenden Jahr laut Sozialministerium 146 Fälle von Masern gemeldet, betroffen seien alle Bundesländer gewesen, hieß es. Im Vorjahr waren es 77 Fälle. Die hochansteckende Virusinfektion ist meldepflichtig. Weltweit herrsche, hieß es vom Ministerium, „weiterhin eine erhöhte Masernaktivität“.

In der WHO-Region Europa (inklusive Russische Föderation, Türkei) seien 2018 mehr als 80.000 Erkrankungen und 72 Todesfälle gezählt worden. In den EU- bzw. EWR-Ländern seien es 12.790 Infektionen und 35 Todesfälle gewesen. Laut dem „Kurzbericht Masern“ des Ministeriums ist das Ziel eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent, einen Schutz bietet erst eine zweimalige Impfung.

Ausschluss und Strafen in Deutschland

Die in Deutschland nach langen Debatten beschlossene Impfpflicht, das „Masernschutzgesetz“ gilt ab März 2020, nicht nur (ab dem ersten Lebensjahr) in Kindergärten, Schulen und Kindertagesstätten, sondern auch für Bewohner und Bewohnerinnen von Asylwerber- bzw. Flüchtlingsunterkünften sowie deren Betreuungspersonal.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte in der Debatte das Masernschutzgesetz ein „Kinderschutzgesetz“. Die Viruserkrankung sei keine harmlose Kinderkrankheit. Die Abstimmung im Bundestag in Berlin war mit 459 zu 89 Stimmen (bei 105 Enthaltungen) relativ deutlich ausgefallen.

Kinder, deren Eltern die Impfung verweigern, können vom Besuch von Betreuungseinrichtungen ausgeschlossen werden, es drohen außerdem Geldstrafen. Laut deutschem Pharmaverband (VfA) bringt das Masernschutzgesetz dort quasi automatisch auch eine Impfpflicht gegen weitere Krankheiten mit sich, da der aktuell verwendete Impfstoff ein Kombinationsmedikament gegen Masern, Röteln, Mumps und teils Windpocken (Schafblattern) ist.

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