ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler
Reuters/Lisi Niesner
Gewinne für ÖVP und Grüne

Steiermark-Ergebnis als mögliches Signal

Mit der ÖVP und den Grünen haben am Sonntag bei der Landtagswahl in der Steiermark genau jene beiden Parteien die größten Zugewinne eingefahren, die derzeit auch über eine gemeinsame Regierung im Bund verhandeln. Beobachter und auch einzelne Parteivertreter sehen das Ergebnis als Rückenwind für die Gespräche – die Parteispitzen geben sich wesentlich zurückhaltender. In der Steiermark selbst wird es jedenfalls keine schwarz-grüne Regierung geben.

Von einem „Rückenwind“ für die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen schreiben mehrere Tageszeitungen bei der Analyse des steirischen Wahlergebnisses. Denn tatsächlich fuhr die ÖVP mit großen Zugewinnen den Wahlsieg ein, auch die Grünen legten stark zu. Die SPÖ verlor deutlich, die FPÖ stürzte ab. KPÖ und NEOS schafften den Sprung in den Landtag.

Mit rund 36 Prozent laut Hochrechnung inklusive Briefwahlprognose konnte ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer die SPÖ klar auf den zweiten Platz verweisen. Knapp acht Prozentpunkte gewann die ÖVP dazu. Zweite große Gewinner sind die Grünen mit einem Plus von mehr als fünf Prozentpunkten und insgesamt über zwölf Prozent.

Ein herber Wahlabend war es für die SPÖ: Der im Wahlkampf propagierte „Schichtwechsel“ gelang Parteichef Michael Schickhofer nicht. Mit rund 23 Prozent und einem Minus von mehr als sechs Prozentpunkten zählen die Sozialdemokraten zu den klaren Wahlverlierern.

Hochrechnung LTW19 Steiermark
ORF/SORA

FPÖ abgestürzt

Einen Absturz bescherten die Wählerinnen und Wähler in der Steiermark der FPÖ, die mit einem Minus von mehr als neun Prozentpunkten nur noch auf rund 17 Prozent kam. Freude herrschte hingegen bei der KPÖ, die noch zulegen konnte und mit rund sechs Prozent im Landtag bleibt. Erstmals den Einzug schaffte NEOS mit etwas mehr als fünf Prozent – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Die Wahlbeteiligung sank auf ein Rekordtief. Auch wenn sie mit Auszählung der Briefwahl laut den Hochrechnern noch auf bis zu 63,3 Prozent steigen wird, ist das der niedrigste Wert seit 1945. Erstmals haben weniger als zwei Drittel der Steirerinnen und Steirer ihr Wahlrecht genützt.

ÖVP-Bundesparteichef Sebastian Kurz und der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhüfer (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Wahlsieger und Landeshauptmann Schützenhöfer gemeinsam mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz

Landespolitiker: Bestätigung für Koalitionsverhandlungen

Die Steiermark-Wahl ist nach der Europawahl, der Nationalratswahl und der Landtagswahl in Vorarlberg bereits die vierte Wahl mit einem ähnlichen Trend: Erfolge für ÖVP und Grüne, Verluste für SPÖ und FPÖ. Und diesen Trend sehen einige Politiker sowohl in der ÖVP als auch bei den Grünen als Signal für die gemeinsamen Koalitionsverhandlungen.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ortete in dem steirischen Wahlergebnis einen „gewissen, kleinen“ türkis-grünen Bundestrend – „auch wenn man nicht zu viel hineininterpretieren sollte“, sagte Wallner. Auch Grüne in mehreren Bundesländern sehen das Abschneiden ihrer Partei in der Steiermark als Bestätigung für die Entscheidung zu Verhandlungen mit der ÖVP auf Bundesebene.

Es handle sich um „eine Bestätigung, dass die ernsthaften Verhandlungen auf Bundesebene richtig sind, auch wenn es noch ein weiter Weg ist“, so Tirols grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe. Auch Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn und der Sprecher der Grünen Oberösterreich, Stefan Kaineder, äußerten sich ähnlich.

Parteispitzen zurückhaltender

Die Spitzen der Bundesparteien zeigten sich deutlich zurückhaltender. Grünen-Chef Werner Kogler sagte, er freue sich als Steirer über das Ergebnis besonders: „Eine Verdoppelung der Stimmen beinahe – also besser geht es nicht.“ Dass die Grünen mit dem Steiermark-Ergebnis Rückenwind für die Koalitionsverhandlungen im Bund haben, glaube er nicht, so Kogler.

Der grüne Bundesparteisprecher Werner Kogler und Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl
APA/Georg Hochmuth
Grünen-Chef Werner Kogler und die steirische Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sah einen „sensationellen Erfolg für Hermann Schützenhöfer und die steirische Volkspartei“. „Es zeigt, dass die Menschen honorieren, wenn ein guter Stil im Umgang miteinander gelebt wird“, sagte Kurz. Eine Koalitionsempfehlung von Kurz gab es für die Steiermark nicht: Schützenhöfer werde mit allen Parteien Gespräche führen. Auch spielte Kurz die Bedeutung der Wahl für die Bundesebene eher herunter.

Ähnlich sahen das offenbar auch die Wählerinnen und Wähler: In der Wahltagsbefragung von ISA/SORA für den ORF gab es nur bei den Wählern der Grünen bundespolitische Gründe für die Entscheidung bei der Landtagswahl – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Keine Mehrheit für Schwarz-Grün

In der Steiermark selbst geht sich eine Regierung von ÖVP und Grünen, wie sie in Vorarlberg nach der dortigen Wahl fortgesetzt und für den Bund gerade verhandelt wird, nicht aus: Mit den 18 Mandaten der ÖVP und sechs der Grünen hat man nur genau die Hälfte der Landtagssitze.

Mandate Hochrechnung LTW19 Steiermark
ORF/SORA

Rechnerisch möglich und laut Beobachtern wohl auch am wahrscheinlichsten wäre die Fortsetzung der bisherigen ÖVP-SPÖ-Zusammenarbeit, Schwarz-Blau nach dem Grazer Modell oder eine – eher unwahrscheinliche – Dreiervariante von ÖVP, Grünen und NEOS wie in Salzburg. Fraglich wäre, ob es zu Irritationen bei den Koalitionsverhandlungen im Bund kommen könnte, wenn die ÖVP in der Steiermark mit SPÖ oder FPÖ regiert.

Politologe Filzmaier kommentiert das Wahlergebnis

Peter Filzmaier zu den Koalitionsvarianten und welche Auswirkungen diese hätten.

Graz könnte grün werden

Zu relevanten Mandatsverschiebungen dürfte es mit dem Auszählen der Briefwahlstimmen nicht mehr kommen, lediglich ein Sitz ist zwischen SPÖ und KPÖ noch nicht ganz fix. Nach Auszählung der Briefwahlkarten könnte allerdings den Grünen noch ein symbolischer Coup gelingen. Sie liegen in Graz nur ein paar hundert Stimmen hinter der ÖVP und könnten diese noch abfangen. In der Landeshauptstadt liegt die KPÖ zudem vor der FPÖ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Tag der Freude und der Dankbarkeit"

Schützenhöfer kommentierte den Wahlsieg mit Tränen in den Augen. „Heute ist ein Tag der Freude und der Dankbarkeit“, sagte er in einer ersten Reaktion in der ÖVP-Zentrale an der Seite von Bundesobmann Kurz. Aber „wir brauchen einen Partner, wir sind nicht alleine auf der Welt. Ich werde morgen damit beginnen, gemeinsam die Steiermark zu entwickeln“, sagte Schützenhöfer.

Koalitionspräferenzen ließ Schützenhöfer am Abend auch im ZIB2-Interview nicht durchblicken. Eine Ankündigung vor dem Endergebnis wäre „hochmütig“ und „Schnee von morgen“, meinte er. Es stelle sich die Frage, mit wem man Koalition bilden könne, die die Steiermark weiter nach vorne bringen und in der man ein Zukunftsprogramm gestalten kann. Auch mit der FPÖ werde er sprechen, auch wenn es mit den Freiheitlichen schwieriger sei, weil es bei den Blauen derzeit „belastende Themen“ gebe.

Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP) über den Wahlerfolg

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) spricht über das gute Abschneiden der ÖVP bei der Landtagswahl in der Steiermark.

„Schmerzliches“ Ergebnis für SPÖ

Die SPÖ steht in der Steiermark jetzt schlecht wie nie da. Sie erlitt mit mehr als sechs Prozentpunkten ihren zweitgrößten Verlust – und stürzte damit in ein historisches Tief. SPÖ-Chef Michael Schickhofer wirkte bei seinem ersten Statement gefasst: Mit dem Ergebnis könne man nicht glücklich sein, sagte er. Das vorläufige Ergebnis sei besser als die Umfragen, die die SPÖ bei 19 Prozent gesehen hätten. Auch habe man besser abgeschnitten als bei der Nationalratswahl im September.

Der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ)
APA/Erwin Scheriau
SPÖ-Chef Schickhofer muss möglicherweise um seinen Vorsitzsessel bangen

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch bezeichneten in einer gemeinsamen Aussendung das Resultat als „ein schmerzliches Ergebnis für die SPÖ Steiermark“. Als einen Grund machte Deutsch aus, dass die SPÖ 2015 der ÖVP den Landeshauptmann überlassen habe, obwohl sie stärkste Partei war. Zur Ruhe kommen wird die SPÖ mit diesem Ergebnis freilich nicht. Ob weitere Konsequenzen – in der Steiermark oder in Wien – anstehen, ist offen.

Kaiser fordert Grundsatzdebatte über Inhalte

Als Erster meldete sich der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser zu Wort. Er fordert von seiner Partei eine Grundsatzdebatte über Inhalte."Die Sozialdemokratie braucht eine radikale Grundbesinnung", hieß es in einem Brief, den der stellvertretende Bundesparteivorsitzende an die Vorstände von Bundes-SPÖ und Landesparteien schickte. „Ich habe genug von der Reduktion auf Personaldebatten“, sagte Kaiser, diese seien unnötig. Er forderte von den Genossen mehr „politisches Selbstbewusstsein“.

Die Landtagswahl beschert der SPÖ auch im Bund einen schweren Dämpfer: Im Bundesrat verlieren die Sozialdemokraten damit an Gewicht. Bisher hatte die SPÖ nämlich ein Drittel der Abgeordneten in der Länderkammer und konnte Verfassungsänderungen, die in Landeskompetenzen eingreifen, im Alleingang blockieren. Nun hat die SPÖ das entscheidende Mandat verloren.

Enttäuschte FPÖ

Ebenfalls als eine „schmerzliche Niederlage“ bezeichnete FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunsaek das Abschneiden seiner Partei. „Es hat während des Wahlkampfes immer wieder Themenlagen gegeben, die für uns nicht positiv gewesen sind“, versuchte Kunasek den Absturz in der Wählergunst zu erklären. Als Koalitionspartner für die ÖVP wollte sich Kunasek nicht aus dem Spiel nehmen: „Der Ball liegt jetzt jedoch beim Landeshauptmann, wir sind ergebnisoffen“, so der FPÖ-Spitzenkandidat – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Mario Kunasek (FPÖ)
APA/Erwin Scheriau
Lange Gesichter auch bei der FPÖ – hier Spitzenkandidat Kunasek

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer zeigte sich „enttäuscht“. „Die Nachwirkungen des Ibiza-Skandals haben nach der Bundespartei und unseren Freunden in Vorarlberg nun leider auch die Steiermark getroffen“, so Hofer. Noch deutlicher wurde Ex-Innenminister Herbert Kickl auf Facebook: „Der Mix aus Skandalen rund um Heinz-Christian Strache und in deren Windschatten aus Skandalisierungsversuchen gegenüber Personen, die sich nachweislich nichts zuschulden kommen haben lassen, haben leider unsere erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre überschattet und nun auch in der Steiermark viel an Wählervertrauen gekostet.“

Freude bei NEOS und KPÖ

Hocherfreut zeigten sich hingegen jene beiden Parteien, die um den Einzug in den Landtag weniger zittern mussten als erwartet, KPÖ und NEOS. NEOS-Generalsekretär Nikola Donig zeigte sich „sehr erfreut“, dass seine Partei auch in der Steiermark den Einzug in den Landtag geschafft habe. Er sprach von einem „guten Tag“ und verwies darauf, dass NEOS nun den vierten Wahlerfolg in Folge und den sechsten Einzug in einen Landtag geschafft haben. Donig lobte den steirischen Spitzenkandidaten Nikolaus Swatek als „tollen Spitzenkandidaten“ und „jugendlichen Herausforderer“.

Reaktionen der Spitzenkandidaten

Alle sechs Spitzenkandidaten sind bei ORF-Steiermark Chefredakteur Wolfgang Schaller zu Gast, der mit ihnen über Hintergründe, Motive und mögliche Folgen diskutiert.

Als „kollektiven Erfolg“ bezeichnete die Spitzenkandidatin der KPÖ, Claudia Klimt-Weithaler, das Wahlergebnis. „Wir freuen uns sehr über den Wiedereinzug“, meinte sie in einer ersten Reaktion. „Ich freue mich nicht nur für uns, sondern auch für die Wählerinnen und Wähler, dass wieder eine Partei, die sich für die Menschen einsetzt“, den Einzug geschafft habe. „Unsere Arbeit der letzten 15 Jahre ist belohnt worden“, sagte Klimt-Weithaler. Die Erfolge der KPÖ gelten als Spezifikum der Steiermark – in keinem anderen Bundesland kann die Partei auch nur annähernd solche Ergebnisse erzielen.