Julia Herr
APA/Barbara Gindl
Nach Steiermark-Wahl

Niederlage sorgt für Brodeln in SPÖ

Überraschend dürfte die herbe Wahlniederlage in der Steiermark für die SPÖ nicht gekommen sein. Trotzdem haben das historisch schlechteste steirische Ergebnis von rund 23 Prozent und der anschließende Rücktritt des Spitzenkandidaten Michael Schickhofer der ohnehin geschwächten Partei einen neuen Schlag versetzt. In der SPÖ gärt es – einmal mehr werden Rufe nach einer Rundumerneuerung laut.

Bereits am Sonntag sah sich Parteichefin Pamela Rendi-Wagner mit enttäuschten Parteimitgliedern und Appellen zu einer raschen Erneuerung konfrontiert. Denn: Die SPÖ steht nicht nur in der Steiermark schlecht da wie nie zuvor in der Zweiten Republik. Seit Rendi-Wagner im Amt ist, fuhr die Partei bei der letzten Nationalratswahl mit 21,2 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl ein. Zuvor wurden bereits in mehreren Bundesländern – Salzburg, Oberösterreich, Wien, Burgenland – historische Tiefs erreicht. Angesichts der jüngsten Niederlage in der Steiermark verkündete Schickhofer am Montag seinen Rücktritt.

Zu den Ausnahmen gehört Kärnten, wo die SPÖ 2018 mit knapp 48 Prozent fast die absolute Mehrheit schaffte. Es war auch der Kärntner Landeshauptmann und stellvertretende Parteivorsitzende Peter Kaiser, der sich nach der steirischen Wahlniederlage als Erster mit einem Rundschreiben an Bundesvorstand und Landesorganisationen wandte, in dem er eine „radikale Grundbesinnung“ forderte. Dabei gehe es nicht um eine „personelle Diskussion“, sondern um eine „Revolution“.

VAE LTW19 Steiermark
SORA/ORF

„In einem roten Elfenbeinturm sitzend“

Dabei fand Kaiser drastische Worte: Die Partei sehe – „untätig, hilflos, viele offensichtlich in einem roten Elfenbeinturm sitzend, unfähig zu erkennen, dass der Turm ohne grundlegende Sanierungsarbeiten völlig einstürzen wird“ – dabei zu, dass „vom politischen Widerpart versucht wird, das stolze ideologische Erbe unserer sozialdemokratischen Gründerväter und -mütter zu Grabe zu tragen“.

Währenddessen würden „konservative und neoliberale Opportunisten und Populisten Österreich und Europa mehr und mehr zu einer entsolidarisierten Gesellschaft entwickeln“. Konkret forderte Kaiser, sich dem Thema Grundeinkommen zu widmen und die Kommunikation der Partei zu verbessern – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Herr und Lercher für Sonderparteitag

Scharfe Kritik kam einmal mehr von der Parteijugend. Nationalratsabgeordnete und SJ-Chefin Julia Herr forderte im Interview mit „Österreich“ einen beschlussfähigen Sonderparteitag in naher Zukunft. Der nächste reguläre Parteitag sei erst in zwei Jahren, „das ist viel zu spät“. Die SPÖ habe eine Öffnung für „neue Ideen“ nötig. Es brauche aber keine Personaldiskussion, sondern eine Themendebatte. Herr war von der SPÖ-Spitze kürzlich zur Klimabeauftragten ernannt worden – auch als Signal an die Parteijugend.

Auch der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Nationalratsabgeordnete Max Lercher, ein Steirer, sah sich in seiner Kritik an der SPÖ nach der Nationalratswahl bestätigt. Die Wahl sei „eine weitere Bestätigung dafür, dass wir dringend einen inhaltlichen und organisatorischen Erneuerungsprozess brauchen“, schrieb Lercher auf Facebook. Die Gründe für das Minus seien „nicht zu trennen von den Problemen in der SPÖ“.

Wiener SPÖ bleibt zuversichtlich

Die Wiener SPÖ zeigte sich hingegen bezüglich der Wien-Wahl 2020 zuversichtlich. Laut Landesparteisekretärin Barbara Novak zeigte sich zuletzt, dass aus den vergangenen Landtagswahlen die Amtsinhaber stets gestärkt hervorgegangen sind. „Das war bei Peter Kaiser in Kärnten so, aber auch bei den ÖVP-Landeshauptleuten“, so Novak. Deshalb gehe man mit Bürgermeister Michael Ludwig „sehr zuversichtlich“ in die Wien-Wahl.

Die SPÖ Steiermark habe ohnehin ein „sehr gutes Ergebnis“ einfahren können, wo sie schon bisher den Bürgermeister gestellt habe oder „gut aufgestellt“ gewesen sei. Manche Städte und Gemeinden, „die bei der Nationalratswahl (im September, Anm.) mit Türkis an erster Stelle durchs Ziel gegangen sind“, hätten sich nun wieder die Roten sichern können. An Konsequenzen auf Bundesebene wollte Novak nicht denken: „Die Sozialdemokratie ist nicht eine Organisation, die in Bund und Länder aufgeteilt ist. Es gibt nur eine Sozialdemokratie. Wir sind solidarisch, wenn wir Wahlen gewinnen, und wir sind auch solidarisch, wenn wir Wahlen verlieren.“

Nach Steiermark-Wahl: Rumoren in der SPÖ

Am Tag nach der Steiermark-Wahl beraten die Parteien über die Folgen. In der SPÖ rumort es.

Zeiler mit Tipps für SPÖ

Just am Montag meldete sich auch der Medienmanger Gerhard Zeiler, der 2016 neben Christian Kern als SPÖ-Chef im Gespräch war, mit Ratschlägen für die SPÖ zu Wort. Er sagte bei der Präsentation seines Buches „Leidenschaftlich rot“ über die SPÖ, dass er im Falle eines Rücktritts Rendi-Wagners die Partei nicht übernehmen wolle. Er habe das Buch auch nicht geschrieben, um sich für den Vorsitz oder eine andere Funktion zu bewerben.

Gerhard Zeiler
APA/Helmut Fohringer
Zeiler präsentierte am Montag sein SPÖ-Buch

Der Ex-Pressesprecher der früheren SPÖ-Bundeskanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky verteidigte Rendi-Wagner und betonte, dass sie „die Loyalität der SPÖ verdient“ habe. Er sagte aber auch, dass die SPÖ einen personellen Neuanfang mit ihr brauche. Zeiler riet Rendi-Wagner, nicht nur eine breite inhaltliche Diskussion in Gang zu setzen, sondern auch ein junges, weibliches Team, das die Zukunft der SPÖ repräsentiert, aufzustellen.

Neues Buch von Gerhard Zeiler über SPÖ

Der ewige rote Chefkandidat kritisiert in seinem neuen Buch „Leidenschaftlich rot“ das SPÖ-Personal.

Zeiler glaubt, dass sie dabei auch Anleihen bei ÖVP-Obmann Sebastian Kurz nehmen könnte, der vor seiner Wahl ein junges Team um sich geschart habe. Etwaige personelle Konsequenzen in der Bundespartei würde Zeiler Rendi-Wagner überlassen, aber die Bestellung von Deutsch zum Bundesgeschäftsführer hält er für „kein gutes Signal“.

Marode Finanzen am Dienstag Thema

Unterdessen kämpft Rendi-Wagner nicht nur mit der politischen Schwäche ihrer Partei, sondern auch mit den maroden Finanzen. Rendi-Wagner wird am Dienstag gemeinsam mit ihrem Bundesgeschäftsführer bei einer Betriebsversammlung einen Sanierungsplan für die finanziell angeschlagene Partei vorstellen. Kürzlich wurde kolportiert, dass einige Posten in der Parteizentrale möglicherweise auch durch Kündigungen wegfallen sollen. Sie wollte sich nicht äußern, da die Belegschaft hier natürlich ihre erste Ansprechpartnerin sei.

Die Belegschaftsvertretung drängt wiederum darauf, dass die teuren Beraterverträge u. a. mit dem früheren Kanzlersprecher Nedeljko Bilalic, dessen Rat Rendi-Wagner schätzen soll, und der von Ex-Bundesgeschäftsführer Lercher geführten Leykam aufgelöst bzw. redimensioniert werden.

Mandate LTW19 Steiermark
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ÖVP klar voran

Die SPÖ hatte am Sonntag ihr schlechtestes Ergebnis in der Steiermark eingefahren. In insgesamt 251 Gemeinden verlor die Partei Stimmen. Bei der Wahl am Sonntag hatten ÖVP und Grüne die größten Gewinne eingefahren. Mit rund 36 Prozent laut Hochrechnung inklusive Briefwahlprognose konnte ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer die SPÖ klar auf den zweiten Platz verweisen. 7,6 Prozentpunkte gewann die ÖVP dazu. Zweite große Gewinner waren die Grünen mit einem Plus von mehr als fünf Prozentpunkten und insgesamt rund zwölf Prozent.

Einen Absturz bescherten die Wählerinnen und Wähler in der Steiermark der FPÖ, die mit einem Minus von mehr als neun Prozentpunkten nur noch auf 17,5 Prozent kam. Freude herrschte hingegen bei der KPÖ, die noch zulegen konnte und mit sechs Prozent im Landtag bleibt. Nach Auszählung aller Briefwahlstimmen wanderte ein Mandat noch zur SPÖ – die KPÖ bekommt somit nun doch keinen dritten Sitz im Landtag. Erstmals den Einzug schaffte NEOS mit etwas mehr als fünf Prozent.