Eine Mitarbeiterin der Spurensicherung vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe in Dresden
APA/Sebastian Kahnert
Coup in Dresdner Schatzkammer

Fahndung nach Tätern läuft auf Hochtouren

Wie viele Täter gibt es? Wie hoch ist der Schaden? Und was wird mit der Beute geschehen? Nach dem spektakulären Juwelendiebstahl in der berühmten Schatzkammer Grünes Gewölbe im deutschen Dresden Montagfrüh bleiben einige Fragen offen. Eine 20-köpfige Sonderkommission namens „Epaulette“ fahndet derzeit mit Hochdruck nach den Tätern.

Beim Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden zerschlugen die Täter die Vitrine im Juwelenzimmer mit einer Axt. Auf diesem Weg seien sie an die wertvollen, mit Edelsteinen besetzten Schmuckstücke gekommen, teilte die Polizei am Montagabend mit. Zuvor zerschlugen die Diebe demnach ein Fenstergitter sowie eine Glasscheibe und drangen so in das Gebäude – wo sich große Teile des Kunstschatzes des sächsischen Herrschergeschlechts der Wettiner befinden – ein.

Die Tat habe insgesamt nur wenige Minuten gedauert. Den Angaben zufolge flüchteten die Täter mit einem Audi A6 vom Tatort. Wenig später wurde ein baugleiches Fahrzeug in einer Tiefgarage im Dresdner Stadtgebiet in Brand gesetzt. Die Ermittler untersuchen derzeit das Fahrzeug und sichern Spuren. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei könnten weitere Täter beteiligt gewesen sein. Bisher fehlt von ihnen jede Spur. Am Abend veröffentlichte die Polizei einen Ausschnitt aus einem Überwachungsvideo. Darauf ist zu sehen, wie zwei Einbrecher mit Taschenlampen in das Juwelenzimmer im Residenzschloss kommen

„Staatsschatz“ aus 18. Jahrhundert

Das Diebesgut besteht aus Diamanten und Brillanten aus dem 18. Jahrhundert. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sprach bei einer Pressekonferenz Montagmittag von einem „Staatsschatz“. Die drei betroffenen Juwelengarnituren umfassen laut dem Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, insgesamt etwa hundert Schmuckstücke.

„Aus der einen Vitrine mit drei Garnituren sind noch relativ viele Werke verblieben“, sagte Ackermann am Montagabend im ZDF. „Die Täter konnten nicht alles mitnehmen, weil alle Objekte auch einzeln befestigt waren, sie waren mit Stichen vernäht mit dem Untergrund.“

Sicherheitskonzept wird überprüft

„Ein solches Vorkommnis wird natürlich dazu führen, dass man sich die Frage stellen muss, was man noch verschärfen muss, was man anders machen muss“, sagte Ackermann. Das Sicherheitskonzept soll nach dem Einbruch jedenfalls noch einmal überprüft werden. Die Räume des Grünen Gewölbes sind eigentlich streng gesichert. „Es sind mehrere Alarme ausgelöst worden, beim Einbruch selbst, durch die Bewegungsmelder im Raum, beim Aufbrechen der Vitrine, und die Polizei ist beim ersten Alarm informiert worden“, sagte die Museumschefin.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch des Grünen Gewölbes im Jahr 2006
Reuters/Arnd Wiegmann
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch 2006 – eine solche Vitrine wurde „zielgerichtet“ aufgebrochen

Erinnerung an Diebstahl von Goldmünze

Laut Ackermann hatte das Sicherheitspersonal die Verdächtigen auf der Videoüberwachung gesehen und die Polizei verständigt. Das Personal sei nicht bewaffnet. Weltweit ist es Ackermann zufolge üblich, dass sich die Mitarbeiter in solchen Fällen keiner Gefahr aussetzen und die Polizei informieren.

Spektakulärer Juwelendiebstahl in Dresden

Es ist einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle der vergangenen Jahre: Bei einem Einbruch in die berühmte Schatzkammer Grünes Gewölbe in Dresden haben die Täter drei Juwelengarnituren gestohlen.

Auch der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa kündigte an, das Sicherheitskonzept auf den Prüfstand zu stellen. Aber dazu müsse man erst einmal wissen, was passiert sei, so Kubiessa. Die Dresdner Polizei hat nach eigenen Angaben auch Kontakt zu Ermittlern in Berlin aufgenommen. Sie stünden in Kontakt, um zu sehen, „was gibt es für Zusammenhänge, was gibt es für ähnliche Tatmuster“, sagte der Leiter der Kriminalpolizei, Lange. In Berlin hatten Unbekannte im Frühjahr 2017 im Bode-Museum die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ gestohlen.

Ermittler am Tatort
AP/dpa/Sebastian Kahnert
Am Vormittag war die Spurensicherung am Tatort

Rätsel über brennenden Stromverteiler

Um 4.59 Uhr hätten sie vom Sicherheitsdienst die Information bekommen, dass es einen Einbruch gebe, sagte Kubiessa zudem. Kurz darauf wurde der erste Streifenwagen alarmiert, wenig später waren demnach alle 16 im Stadtgebiet verfügbaren Einsatzwagen mit der Fahndung beauftragt. Geprüft wird auch ein möglicher Zusammenhang mit dem Brand eines Stromverteilers im Bereich der Augustusbrücke. Dieser hatte für einen Stromausfall gesorgt. Unter anderem seien die Straßenlampen im Bereich des Residenzschlosses ausgefallen.

Eröffnung des Historischen Grünen Gewölbes
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Das historische Grüne Gewölbe in Dresden gilt als einmalige Schatzkammer Europas

Verkauf von Diamanten „extrem schwer“

Der Verkauf gestohlener Diamanten auf dem freien Markt sei Fachleuten zufolge jedoch extrem schwer. Wie Margaux Donckier, Sprecherin des Diamantenhandelszentrums von Antwerpen, dem wichtigsten einschlägigen Handelsplatz der Welt, sagt, sind die Händler eng vernetzt und haben über Datenbanken Zugriff auf Angaben zu gestohlenen Steinen weltweit. Hehler dürften sich auf dem Antwerpener Markt auch nicht sicher fühlen: Die Händler hätten einen direkten Draht zur belgischen Polizei, das Diamantenviertel werde mit 2.000 Kameras beobachtet.

Anders als bei der riesigen Goldmünze aus dem Bode-Museum, die sich leicht als Gold verwerten lässt, behalten die Dresdner Juwelen nur als ganze Stücke ihren einzigartigen Wert. Zwar lässt sich etwa eine Brosche oder ein Diamant zerlegen. Händlern würde aber etwa durch die alte Schleiftechnik ein Diamant zweifelhaften Ursprungs sofort auffallen.

Residenzschloss am Montag geschlossen

Die „Bild“-Zeitung berichtete, der gestohlene Schmuck aus den Staatlichen Kunstsammlungen, der Schatzkammer des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken (1670–1733), sei bis zu eine Milliarde Euro wert. In zehn prachtvoll ausgestatteten Räumen beherbergt die Sammlung rund 3.000 Schmuckstücke und andere Meisterwerke aus Gold, Silber, Edelsteinen, Elfenbein und anderen wertvollen Materialien.

Für Besucher blieb das Residenzschloss am Montag geschlossen. Ein Schild am Eingang in deutscher und englischer Sprache wies darauf hin, dass das Museum aus „organisatorischen Gründen“ geschlossen bleibe. Nach dem Einbruch kann das Residenzschloss eventuell am Mittwoch wieder geöffnet werden.

Schock über Diebstahl

Sachsens Regierungschef Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zeigte sich am Vormittag entsetzt: „Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen“, sagte Kretschmer. „Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloss zu finden sind, sind von den ‎Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet worden“, so Kretschmer. „Man kann die ‎Geschichte unseres Landes, unseres Freistaates nicht verstehen ohne das Grüne Gewölbe und ‎die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens.“

Es seien „Kunstschätze von unermesslichem Wert“ gestohlen worden, sagte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Es gehe dabei nicht nur um den materiellen Wert, sondern auch um die immaterielle Bedeutung der Kunstschätze. Wöller sprach von einem „Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen“.

Millionendiebstahl in Dresden

In Dresden sind Diebe in die berühmte Schatzkammer Grünes Gewölbe eingebrochen. Der Einbruch betrifft den historischen Teil der Sammlung, wo sich Juwelen und wertvolle Kunstobjekte befinden.

Die Räume des historischen Grünen Gewölbes, das seinen Namen durch die teils malachitgrüne Bemalung erhielt, entstanden bereits im 16. Jahrhundert. Ab 1723 baute sie August der Starke zur Schatzkammer aus. Drei der acht Räume aus dem 18. Jahrhundert waren den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg 1945 zum Opfer gefallen. Die Roten Armee beschlagnahmte die ausgelagerten Kostbarkeiten und brachte sie nach Moskau. Erst 13 Jahre später kehrte die Sammlung zurück. Wegen Platzmangels konnte aber lange nur ein Teil gezeigt werden.

Grüner Diamant derzeit in New York

In die Wiederherstellung der Räume in ihrer barocken Fassung – vom Bernsteinzimmer über den Pretiosensaal bis zum Juwelenzimmer – investierte Sachsen 45 Millionen Euro. Seit der Wiedereröffnung im September 2006 gehört es zu den Besuchermagneten der Stadt. Heute wird die Schatzkammer in zwei Abteilungen präsentiert. Der historische Teil befindet sich im Erdgeschoß des Residenzschlosses in den authentisch wiederhergestellten Räumen der Sammlung. Einen Stock weiter oben zeigt das Neue Grüne Gewölbe besondere Einzelstücke.

Eines der wertvollsten Stücke des Grünen Gewölbes wird derzeit im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt – der Grüne Diamant. Das Hutschmuckstück mit dem einzigartigen Stein von 41 Karat und natürlicher Färbung gilt als spektakulärste Leihgabe der Ausstellung „Making Marvels: Science and Splendor at the Courts of Europe“ des Metropolitan Museum of Art.