Ermittler vor dem Residenzschloss in Dresden
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Dresden

Coup „Super-GAU“ für Grünes Gewölbe

Nach dem Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe, der weltbekannten barocken Schatzkammer im deutschen Dresden, fahndet die Polizei weiter nach den Tätern. Eine Spur gibt es offiziell noch nicht. Ebenfalls noch unklar ist das Ausmaß des Verlusts. Museumsdirektor Dirk Syndram bezeichnete die Tat allerdings als „Super-GAU“.

Immerhin sei die Vitrine nicht vollständig leer geräumt worden, sagte er der dpa. „Ich habe ein Foto gesehen, das zeigt, dass nicht alles fehlt.“ Eine umfassende Bestandsaufnahme ist erst nach Ende der Spurensicherung möglich. „Sobald der Tatort freigegeben ist, werden wir die Sachen schnellstmöglich bergen und wissen, wie viel von den knapp hundert Objekten, die insgesamt in der Vitrine waren, nicht mehr da sind“, so Syndram.

Das historische Grüne Gewölbe bleibt vorerst geschlossen. Syndram sagte dem Sender MDR Sachsen am Dienstag, er rechne damit, dass die Schatzkammer längere Zeit zu bleibe. Die anderen Museen im Residenzschloss sollten am Mittwoch wieder öffnen.

Ein CCTV-Bild
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Ein Bild aus einem von der Polizei veröffentlichten Video der Tat

Debatte über Sicherheitsvorkehrungen

Die Spurensuche ging am Dienstag weiter. Die Suche nach DNA der Diebe sei nicht einfach in einem Museum, in dem ständig Betrieb ist, hieß es vonseiten der Ermittler. Heftig debattiert werden nun auch die Sicherheitsmaßnahmen. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Eckart Köhne, nahm das Grüne Gewölbe im Interview mit der dpa in Schutz: „In Dresden ist der Einbruch ja sofort bemerkt worden, ist auf Video aufgezeichnet worden. Die Sicherheitsmaßnahmen haben also schon gegriffen. Es ist nicht unbemerkt geblieben, was es auch gibt.“ Wenn genug Brutalität und kriminelle Energie vorhanden seien, komme es eben zu solchen Fällen.

Eröffnung des Historischen Grünen Gewölbes
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Das historische Grüne Gewölbe in Dresden gilt als einmalige Schatzkammer Europas

Vitrinen mit Axt eingeschlagen

Eine 20-köpfige Sonderkommission namens „Epaulette“ fahndet mit Hochdruck nach den Tätern. Beim Einbruch in das Grüne Gewölbe zerschlugen die Täter die Vitrine im Juwelenzimmer mit einer Axt. Auf diesem Weg seien sie an die wertvollen, mit Edelsteinen besetzten Schmuckstücke gekommen, teilte die Polizei am Montagabend mit. Zuvor hatten die Diebe ein Fenstergitter sowie eine Glasscheibe zerschlagen und waren so in das Gebäude eingedrungen, in dem sich große Teile des Kunstschatzes des sächsischen Herrschergeschlechts der Wettiner befinden. Am Abend veröffentlichte die Polizei einen Ausschnitt aus einem Überwachungsvideo. Darauf ist zu sehen, wie zwei Einbrecher mit Taschenlampen in das Juwelenzimmer im Residenzschloss kommen.

Die Tat habe insgesamt nur wenige Minuten gedauert. Den Angaben zufolge flüchteten die Täter mit einem Audi A6 vom Tatort. Wenig später wurde ein baugleiches Fahrzeug in einer Tiefgarage im Dresdner Stadtgebiet in Brand gesetzt. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei könnten weitere Täter beteiligt gewesen sein.

„Staatsschatz“ aus 18. Jahrhundert

Das Diebesgut besteht aus Diamanten und Brillanten aus dem 18. Jahrhundert. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sprach bei einer Pressekonferenz Montagmittag von einem „Staatsschatz“. Die drei betroffenen Juwelengarnituren umfassen laut Syndram insgesamt etwa hundert Schmuckstücke.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch des Grünen Gewölbes im Jahr 2006
Reuters/Arnd Wiegmann
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch 2006 – eine solche Vitrine wurde „zielgerichtet“ aufgebrochen

„Aus der einen Vitrine mit drei Garnituren sind noch relativ viele Werke verblieben“, sagte Ackermann am Montagabend im ZDF. „Die Täter konnten nicht alles mitnehmen, weil alle Objekte auch einzeln befestigt waren, sie waren mit Stichen vernäht mit dem Untergrund.“

„Ein solches Vorkommnis wird natürlich dazu führen, dass man sich die Frage stellen muss, was man noch verschärfen muss, was man anders machen muss“, sagte Ackermann. Das Sicherheitskonzept soll nach dem Einbruch überprüft werden. Die Räume des Grünen Gewölbes sind eigentlich streng gesichert. „Es sind mehrere Alarme ausgelöst worden, beim Einbruch selbst, durch die Bewegungsmelder im Raum, beim Aufbrechen der Vitrine, und die Polizei ist beim ersten Alarm informiert worden“, sagte die Museumschefin.

Erinnerung an Diebstahl von Goldmünze

Laut Ackermann hatte das Sicherheitspersonal die Verdächtigen via Videoüberwachung gesehen und die Polizei verständigt. Das Personal sei nicht bewaffnet. Weltweit ist es Ackermann zufolge üblich, dass sich die Mitarbeiter in solchen Fällen keiner Gefahr aussetzen und die Polizei informieren.

Spektakulärer Juwelendiebstahl in Dresden

Es ist einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle der vergangenen Jahre: Bei einem Einbruch in die berühmte Schatzkammer Grünes Gewölbe in Dresden stahlen die Täter drei Juwelengarnituren.

Auch der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa kündigte an, das Sicherheitskonzept auf den Prüfstand zu stellen. Aber dazu müsse man erst einmal wissen, was passiert sei, so Kubiessa. Die Dresdner Polizei hat nach eigenen Angaben auch Kontakt zu Ermittlern in Berlin aufgenommen. Sie stünden in Kontakt, um zu sehen, „was gibt es für Zusammenhänge, was gibt es für ähnliche Tatmuster“, sagte der Leiter der Kriminalpolizei, Volker Lange. In Berlin hatten Unbekannte im Frühjahr 2017 im Bode-Museum die hundert Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ gestohlen.

Ermittler am Tatort
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Die Spurensicherung am Tatort sucht nach Hinweisen

Verkauf von Diamanten „extrem schwer“

Der Verkauf gestohlener Diamanten auf dem freien Markt sei Fachleuten zufolge jedoch extrem schwer. Wie Margaux Donckier, Sprecherin des Diamantenhandelszentrums von Antwerpen, des wichtigsten einschlägigen Handelsplatzes der Welt, sagte, sind die Händler eng vernetzt und haben über Datenbanken Zugriff auf Angaben zu gestohlenen Steinen weltweit. Hehler dürften sich auf dem Antwerpener Markt auch nicht sicher fühlen: Die Händler hätten einen direkten Draht zur belgischen Polizei, das Diamantenviertel werde mit 2.000 Kameras beobachtet.

Anders als bei der riesigen Goldmünze aus dem Bode-Museum, die sich leicht als Gold verwerten lässt, behalten die Dresdner Juwelen nur als ganze Stücke ihren einzigartigen Wert. Zwar lässt sich etwa eine Brosche oder ein Diamant zerlegen. Händlern würde aber etwa durch die alte Schleiftechnik ein Diamant zweifelhaften Ursprungs sofort auffallen.

Die Räume des historischen Grünen Gewölbes, das seinen Namen durch die teils malachitgrüne Bemalung erhielt, entstanden bereits im 16. Jahrhundert. Ab 1723 baute sie August der Starke zur Schatzkammer aus. In prachtvoll ausgestatteten Räumen beherbergt die Sammlung rund 3.000 Schmuckstücke und andere Meisterwerke aus Gold, Silber, Edelsteinen, Elfenbein und anderen wertvollen Materialien. Drei der acht Räume aus dem 18. Jahrhundert waren den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg 1945 zum Opfer gefallen. Die Rote Armee beschlagnahmte die ausgelagerten Kostbarkeiten und brachte sie nach Moskau. 13 Jahre später kehrte die Sammlung zurück. Wegen Platzmangels konnte aber lange nur ein Teil gezeigt werden.

Grüner Diamant derzeit in New York

In die Wiederherstellung der Räume in ihrer barocken Fassung – vom Bernsteinzimmer über den Pretiosensaal bis zum Juwelenzimmer – investierte Sachsen 45 Millionen Euro. Seit der Wiedereröffnung im September 2006 gehört es zu den Besuchermagneten der Stadt. Heute wird die Schatzkammer in zwei Abteilungen präsentiert. Der historische Teil befindet sich im Erdgeschoß des Residenzschlosses in den authentisch wiederhergestellten Räumen der Sammlung. Einen Stock weiter oben zeigt das Neue Grüne Gewölbe besondere Einzelstücke.

Eines der wertvollsten Stücke des Grünen Gewölbes wird derzeit im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt – der Grüne Diamant. Das Hutschmuckstück mit dem einzigartigen Stein von 41 Karat und natürlicher Färbung gilt als spektakulärste Leihgabe der Ausstellung „Making Marvels: Science and Splendor at the Courts of Europe“ des Metropolitan Museum of Art.