Polizei in Kitzbühel
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Frauenmorde

Arbeitslosigkeit und Trennung als Gefahren

Trennung, Arbeitslosigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch gehören zu den großen Risikofaktoren bei Frauenmorden – und diese ereignen sich vor allem in Beziehung und Familie. Zu diesem Schluss kommt eine Arbeitsgruppe, die angesichts einer Häufung schockierender Frauenmorde zu Beginn des Jahres noch von der alten Regierung eingesetzt wurde. Sie präsentierte nun die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen.

Für die Untersuchung rollte die Screening-Gruppe alle geklärten Mordfälle zwischen Jänner 2018 und Jänner 2019 auf. Insgesamt wurden 55 vollendete und 174 versuchte Tötungsdelikte betrachtet, wobei 36 der Opfer Frauen waren. Der Schwerpunkt der Analyse wurde auf 18 Frauenmorde gelegt. Die Untersuchung führten Fachleute aus Polizei, Kriminalpsychologie und dem Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien durch.

Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass die eigene Wohnung der gefährlichste Ort für Frauen ist: Die meisten Frauenmorde würden sich in Intimbeziehungen und Familien ereignen, so die Screening-Gruppe. In 92 Prozent der vollendeten Morde kannten Opfer und Täter einander, 54 Prozent waren miteinander verwandt oder zumindest bekannt, und 38 Prozent lebten in einer Intimbeziehung bzw. in Trennung.

Reihe an Risikofaktoren

Bei Morden in Beziehungen waren die Opfer fast durchgehend weiblich. Es zeigt sich: Speziell der Wunsch nach Trennung kann für Frauen gefährlich werden. Bei Intimbeziehungen seien eine Trennungsabsicht und Arbeitslosigkeit die größten Risikofaktoren, Alkohol- und Drogenmissbrauch und ein exzessives Kontrollverhalten des Täters spielen eine Rolle. Der Streit um das Sorgerecht für Kinder sei ebenfalls ein wiederkehrender Hintergrund.

Beobachtbar sei auch, dass Täter in mehr als der Hälfte der Fälle bereits mit dem Gesetz in Berührung gekommen sind. Dabei geht es um Körperverletzung, aber auch um Eigentums- und Drogendelikte. In 44 Prozent der Fälle wurde bereits ein Betretungsverbot verhängt, in 16 Prozent sogar mehrmals. In sieben Prozent der Fälle gab es auch in Vorbeziehungen Betretungsverbote.

Auch Faktor Herkunft untersucht

Untersucht wurde auch der Faktor Herkunft. Hierbei betonte der Direktor des Bundeskriminalamts, Franz Lang, bei der Präsentation der Ergebnisse, dass man mit dem Vorurteil „fremdländischer Täter, österreichisches Opfer“ aufräumen müsse. In der überwiegenden Zahl der Fälle gelte, dass sowohl Täter als auch Opfer entweder aus Österreich oder aus dem Ausland stammen.

stv. Generaldir. Öffentliche Sicherheit Franz Lang, Innenminister Wolfgang Peschorn, Frauenministerin Ines Stilling, Hanna Rumpold (Institut für Strafrecht und Kriminologie, Universität Wien)
APA/Hans Punz
Bundeskriminalamts-Direktor Franz Lang, Innenminister Wolfgang Peschorn, Frauenministerin Ines Stilling, Hanna Rumpold (Institut für Strafrecht und Kriminologie, Universität Wien) bei der Pressekonferenz

Insgesamt seien österreichische Staatsbürger bei der Täterschaft quantitativ führend, bei Morden in Intimverhältnissen seien 50 Prozent der Täter und 37 Prozent der Opfer fremde Staatsbürger. Versuchte Tötungsdelikte und Tötungsdelikte durch Asylwerber würden sich laut Lang vor allem im öffentlichen Raum ereignen; diese wiederum kosten vor allem Männer das Leben. Hierbei spiele der Asylstatus eine Rolle. Die Frage der Herkunft war laut Lang auch deswegen interessant, weil sich Präventionsarbeit auf alle Faktoren, darunter auch kulturelle, richten müsse.

Anstieg bei Frauenmorden

Eine Screening-Gruppe hat Frauenmorde in Österreich untersucht. Eine Erkenntnis: In zwei Dritteln der Fälle waren die Täter Partner oder andere Familienmitglieder.

Versuchte Morde: Schwankungen bei Vernehmungen

Analysiert wurden auch 50 versuchte Morde, bei denen die Frauen noch eine Aussage machen konnten. Auch hier ereignete sich die Mehrheit in einer Intimbeziehung. Erhoben wurde unter anderem, wie oft Gefahrensignale wie körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt bei polizeilichen Vernehmungen abgefragt wurden. Dabei gebe es Verbesserungsbedarf: Die Vernehmungen würden ohne Leitfaden ablaufen und daher stark an dem jeweiligen Ermittler hängen. Zu wenig ermittelt werde etwa, ob es erzwungenen Geschlechtsverkehr gab.

Hilfe für Betroffene

Gefordert werden deswegen leitfadengestützte Vernehmungen, Einschätzungen über ein Risikoeinschätzungstool und eine höhere Sensibilisierung der Beamtinnen und Beamten. Bei den Bezirkspolizeikommanden sollen zudem Kompetenzteams eingerichtet werden, sagte Lang: „Die 28.000 Polizisten draußen brauchen Rückfragemöglichkeiten.“

Zusätzlich gefordert wird nach der Untersuchung eine stärkere Vernetzung: Ähnlich wie bei Fahndungen soll es eine Evaluierungsstelle geben, die Ermittlungserkenntnisse bundesweit weitergibt. Einträge in der Gewaltschutzdatei sollen auf drei Jahre Speicherung ausgeweitet werden. Ausgebaut werden soll zudem die Täterarbeit. Weiters will das Innenministerium in Sachen Waffenrecht prüfen, ob es Verschärfungen bei Klappmessern geben soll. Sie werden vor allem bei versuchten und vollendeten Tötungsdelikten im öffentlichen Raum verstärkt verwendet.

Budget reicht „gerade einmal so“

Erste Schritte zur Umsetzung der vorgeschlagenen neuen Maßnahmen würden schon in den nächsten Wochen ergriffen und an die kommende Regierung weitergereicht, so Innenminister Wolfgang Peschorn und Frauenministerin Ines Stilling. Auf die dafür notwendigen Mittel angesprochen meinte Stilling, aktuell reiche das Budget „gerade einmal so“ für die Aufrechterhaltung des bestehenden Angebots. Für den Bereich Prävention könne gar nicht genug getan werden, meinte Peschorn.

Grafik zur Beziehung von Mordopfern und Tätern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMI

Heuer sei die Anzahl der Morde insgesamt im Vergleich zum Vorjahr wieder rückläufig, fügte der Innenminister an. Von Jänner bis Oktober 2018 verzeichneten die Behörden 57 Opfer (33 Frauen und 24 Männer), im Vergleichszeitraum 2019 waren es 51 Opfer (32 Frauen und 19 Männer), „ein Rückgang von rund zehn Prozent“, so Peschorn.