EZB-Chefin Christine Lagarde
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Lagarde

EZB soll als Vorreiter Klimakrise bekämpfen

Die Europäische Zentralbank (EZB) sagt der Klimakrise den Kampf an. Kurz vor Beginn der Klimakonferenz am Montag in Madrid spricht sich deren Chefin Christine Lagarde laut „Financial Times“ dafür aus, in der strategischen EZB-Ausrichtung die negativen Auswirkungen des Klimawandels verstärkt zu behandeln. Lagarde will in dem erwarteten EZB-Bericht damit laut der Zeitung erreichen, dass das Thema Umwelt zu einem wesentlichen Bestandteil der internationalen Geldpolitik wird.

Der EZB soll dabei eine Vorreiterrolle zukommen. Die strategische Überprüfung der EZB werde „eine Gelegenheit sein, darüber nachzudenken, wie Nachhaltigkeitsüberlegungen innerhalb unseres geldpolitischen Rahmens angegangen werden können“, so Lagarde in einem Brief an den EU-Abgeordneten der spanischen Grünen Ernest Urtasun.

Lagardes Plan unterstreiche ihr erklärtes Ziel, die Klimakrise zur „missionskritischen“ Priorität für die EZB zu machen, so die Zeitung. Der genaue Aufbau des EZB-Berichts werde derzeit diskutiert, heißt es weiter. Es wird jedenfalls erwartet, dass die Umweltpolitik darin eine große Rolle spielen wird.

Kohlekraftwerk
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Geldanlage in Papiere, die CO2-intensive Branchen enthalten, werden derzeit von mehreren Seiten hinterfragt

NGO: Das größere Risiko ist, nichts zu tun

„Wir haben einen Punkt erreicht, wo das größere Risiko für den Ruf ist, nichts zu tun“, so Stanislas Jourdan von der Forschungs- und Kampagnen-NGO Positive Money Europe. Das heiße, die EZB müsse ein Programm in Richtung Umweltschutz nach ihrer internen Revision präsentieren – fraglich sei nur, wie das aussehe, so Jourdan weiter.

Lagarde riskiere mit ihrem Vorstoß eine Auseinandersetzung mit einigen anderen Zentralbankern, die der Meinung seien, das Vorgehen gegen die Erderwärmung sei „nur“ eine Aufgabe der Staaten, so die Zeitung weiter. So sprach sich bereits der Chef der Deutschen Bundesbank und EZB-Mitglied Jens Weidmann vor Kurzem gegen eine Verschiebung des Schwerpunkts der Geldpolitik in Richtung Vorgehen gegen den Klimawandel aus, so die „FT“ weiter.

Unterstützung aus Frankreich und der EU-Kommission

Das Thema Klimakrise aufzunehmen würde die EZB auch von anderen Zentralbanken unterscheiden. So vermeidet es die US-Notenbank Fed in ihren Strategie- und Ausrichtungsberichten. Das Thema sei wichtig, aber nicht für die Fed, sondern für die Politik, so Fed-Vorsitzender Jay Powell kürzlich vor dem US-Kongress. Die Bank of England fährt einen ähnlichen Kurs.

Schwimmende Solarpanele
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Erneuerbare Energien, hier ein schwimmender Solarpark in Südfrankreich, könnten für die Finanzbranche interessanter werden

Unterstützung für Lagarde kommt hingegen aus Frankreich. Francois Velleroy de Galhau, Chef der Banque de France, argumentierte seine Hilfe für Lagarde in der „FT“. Steigende Energiepreise und geringeres Weltwirtschaftswachstum als Folgen der globalen Klimaerwärmung könnten einen Schock auslösen, so de Galhau. Das heiße, dass das Problem bereits jetzt die EZB-Aufgabe des Beibehaltens der Preisstabilität betreffe.

EU-Kommissar Valdis Dombrovskis – zuständig für Wirtschaft, Finanzdienstleistungen, Kapitalmarktunion – sieht das offenbar ähnlich. Er erwägt eine Reduktion der Kapitalkosten für Banken, die ihre Kredite klimafreundlich vergeben, wie er der „FT“ sagte. Der Druck auf die EZB steigt ebenfalls, das von der Bank anzulegende Geld nicht in CO2-intensive Branchen zu investieren bzw. bereits getätigte Investitionen wieder abzustoßen.

Finanzbranche nutzt Marktmacht kaum

Umweltschützer und Klimaaktivisten setzen die Finanzbranche seit Jahren unter Druck, ihre Investmentstrategie zu ändern und aus Branchen mit hohem CO2-Ausstoß auszusteigen. Ungeachtet diesen Drucks nutzen die 15 weltgrößten Vermögensverwalter ihre immense Marktmacht einer neuen Studie zufolge bisher kaum für klimafreundliche Investitionen.

Eine Mehrheit der Finanzfirmen legt nach wie vor Milliardensummen in der Öl-, Gas- oder Autoindustrie an, wie die Londoner Initiative Influencemap in einer Ende November veröffentlichten Analyse schreibt. Insgesamt gebieten die 15 Unternehmen demnach über Kapitalanlagen in Höhe von 37 Billionen US-Dollar (33,64 Billionen Euro), was etwa einem Fünftel des globalen Kapitalmarkts entspricht.

Weiter an Pariser Zielen vorbei

Zu den wenigen in dem Bericht positiv hervorgehobenen Ausnahmen zählt der Münchner Allianz-Konzern, zusammen mit der Schweizer Bank UBS und der britischen Legal & General. Diese drei Unternehmen nehmen demnach engagiert Einfluss auf ihre Kunden, damit diese ihre Geschäftsmodelle an die Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung anpassen.

Auch für diese drei gilt aber laut Influencemap, dass sie gemessen an den Pariser Zielen überproportional in vier CO2-trächtige Branchen investiert sind: Öl- und Gasförderung, Kohlebergwerke, Autohersteller und Kraftwerke. Kurz nach der Veröffentlichung des Berichts gab der französische Versicherungskonzern AXA bekannt, dass er bis 2030 in Europa und bis 2040 weltweit aus jeglichen Geschäften mit der Kohlebranche aussteigen will.

Initiative unter Dach der UNO

Darüber hinaus erklärten die AXA und drei weitere große Finanzfirmen ihren Beitritt zur Net-Zero-Asset-Owner-Alliance, einem von der Allianz initiierten Zusammenschluss großer internationaler Investoren unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die sechzehn Net-Zero-Unternehmen streben bis 2050 klimaneutrale Portfolios an, nach Angaben der Allianz geht es dabei um eine Gesamtsumme von 3,9 Billionen Dollar.

Weit weniger aktiv in Sachen Klimaschutz sind laut Influencemap US-Firmen wie Blackrock oder die Investmentbank Goldman Sachs. Blackrock ist mit sechs Billionen Dollar Kapitalanlagen größter Vermögensverwalter der Welt, Aufsichtsratschef der deutschen Dependance wurde 2016 der CDU-Politiker Friedrich Merz.

Pensionsfonds nicht dabei

Grundlage der Untersuchung waren öffentlich verfügbare Daten, in welche Branchen und Unternehmen die Vermögensverwalter ihr Geld stecken. Beispiel: Hält eine Finanzfirma drei Prozent der Anteile eines Ölproduzenten wie Exxon Mobil, zählt das als dreiprozentiger Anteil an dessen Ölproduktion und den damit verbundenen CO2-Emissionen. Nicht untersucht wurden die Kapitalanlagen anderer großer institutioneller Anleger, etwa der großen Pensionsversicherer und -fonds.

Die Aktivitäten der westlichen Finanzbranche allerdings werden nicht genügen, um einen weltweiten Kohleausstieg zu forcieren. Die Axa beklagte, die Realität sei trotz steigenden internationalen Bewusstseins „alarmierend“. Allein in China seien innerhalb eines Jahres neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 43 Gigawatt gebaut worden, weitere 148 Gigawatt sind demnach geplant.