Kleidung hängt auf Kleiderhacken
ORF.at/Roland Winkler
Weihnachten

Das Christkind entdeckt Secondhand

2019 ist ganz im Zeichen der Klimakrise gestanden – Rufe nach mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen sind lauter geworden. Wenig überraschend schlägt sich das offenbar auch auf das Weihnachtsgeschäft nieder. Vor allem Secondhand-Mode geht als Geschenketrend der besonderen Art hervor.

Aus „abgetragen, müffelnd, alt“ wird „nachhaltig, umweltschonend und hip“: Getragene Designerhandtaschen, Jeans, Schuhe und Armbanduhren dürften heuer beliebte Weihnachtsgeschenke werden. Allein in den USA erwägt jeder Zweite, ein gebrauchtes Kleidungsstück zu verschenken – zu dem Ergebnis kommt eine Umfrage des Unternehmensberaters Accenture. Gleich viele Menschen gaben an, dass sie sich über Secondhand-Geschenke freuen würden.

Dass in puncto bereits getragener Mode ein Umdenken stattfindet, nehmen auch heimische Secondhand-Shops wahr: „Zu unseren Beginnen vor etwa fünf Jahren gab es sehr wohl noch Skepsis: Ist es okay, etwas Gebrauchtes zu Weihnachten zu verschenken?“, so Diana Ranegger vom Grazer Vintage-Geschäft Dogdays of Summer auf ORF.at-Anfrage. „In den letzten zwei Jahren hat sich dies allerdings stark verändert, und es werden nicht nur fleißig Gutscheine verschenkt, sondern tatsächlich auch Vintage-Teile selbst.“ Beliebt seien Weihnachtspullover sowie Strickpullover mit Muster.

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„Noch in den Kinderschuhen“

„Besonders Accessoires wie Handtaschen, Schals oder auch Schmuck werden zunehmend auch als Weihnachtsgeschenk gekauft“, sagte Andrea Emathinger vom oberösterreichischen Secondhand-Shop Gwaundquadrat. An vielen Kleidungsstücken sei ohnehin noch das Originaletikett. Allerdings: „Secondhand-Mode verschenken steckt, würde ich sagen, noch in den Kinderschuhen“, so Emathinger.

Auf jeden Fall geändert habe sich inzwischen der Umgang mit dem Thema, wie die Niederösterreicherin Manuela Neumayer, die seit einigen Jahren den auf Kinderbekleidung und Spielzeug spezialisierten Onlineshop Wichtelfee betreibt, anmerkt. „Man kauft nicht mehr hinter vorgehaltener Hand und hauptsächlich aus Kostengründen, sondern aus Überzeugung.“ Umweltschutz und Nachhaltigkeit rücken immer mehr in den Vordergrund, so Neumayer.

Laut Daten der Onlineplattform willhaben aus dem Vorjahr sind vor allem gebrauchte, hochkarätige Modemarken in der Weihnachtszeit gefragt. Stücke von Louis Vuitton werden vor Weihnachten um 40 Prozent öfter gekauft, ähnlich bei der Marke Michael Kors, immerhin 35 Prozent mehr bei Burberry – und bei den Produkten von Waldviertler ist sogar ein Plus von 50 Prozent zu verzeichnen.

Auch Kardashian-Jenner-Clan sieht Potenzial

Secondhand-Mode boomt weltweit. Im Jahresvergleich verzeichnete Gebrauchtmode um 255 Prozent mehr Seitenaufrufe, stellte etwa die Suchmaschine Lyst in ihrem „Year in Fashion 2019“-Bericht fest. Bis 2023 soll der Markt für gebrauchte Mode 51 Milliarden US-Dollar (rund 46 Mrd. Euro) erzielen. Das errechnete die Wiederverkaufswebsite ThredUp.

Das Potenzial des Verkaufs von Kleidung aus zweiter Hand hat nicht zuletzt auch der Kardashian-Jenner-Clan erkannt: In dem neuen Onlineshop „Kardashian Kloset“ können seit Kurzem exklusive Teile aus dem Kleiderschrank von Kris Jenner, Kylie Jenner, Kim Kardashian-West und Co. erstanden werden. Kostenpunkt: von 20 Euro bis mehrere tausend Euro. Rückerstattet, storniert oder zurückgenommen werden bereits getätigte Einkäufe jedoch nicht.

Nachhaltigkeitsgedanke als Leitmotiv

„Die Dinge ändern sich, besonders unter jungen Menschen, die versuchen, nachhaltig zu leben und Teil der Kreislaufwirtschaft zu werden“, sagte Sucharita Kodali, Analystin bei Forrester Research, gegenüber Bloomberg. „Sie sind diejenigen, die sich nicht nur gut fühlen, weil sie die Ware kaufen, sondern auch, weil sie Freunde und Familie mit solchen Stücken vertraut machen.“ Laut ThredUp kaufe heuer bereits mehr als jeder Dritte im Alter von 18 bis 24 Jahren gebrauchte Kleidung ein. Auch fast jeder Dritte im Alter von 25 bis 37 „thriftet“ bereits.

Ein etwas anderes Bild ergibt eine deutschlandweite Umfrage über Nachhaltigkeit beim Geschenkekauf von der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Demnach gaben knapp ein Viertel der Zwölf- bis 22-Jährigen an, beim Kauf auf umweltfreundliche Materialien oder biologische Herstellung zu achten. Bei den 23- bis 38-Jährigen sagten das 67 Prozent, bei den 39- bis 54-Jährigen dann nur noch gut die Hälfte.

Gegentrend zu „Fast Fashion“

Secondhand ist quasi der Gegentrend zu „Fast Fashion“, also günstige, massenproduzierte „Wegwerfmode“. „Es ist ein ganzheitliches Konzept, das Nachhaltigkeit und Einzigartigkeit vereint und gegen unfaire Bedingungen in Fast-Fashion-Konzernen wirkt“, so Ranegger. Dass Wiederverwertung zu Zeiten von weltweiten Klimademos im Trend liegt, liegt auf der Hand. Immerhin gilt die Textilindustrie als einer der größten Umweltsünder.

Das zeigte auch eine Studie der Ellen-MacArthur-Stiftung: Mit 1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr ist die Textilindustrie für mehr CO2-Emissionen verantwortlich als die Schifffahrt und der internationale Flugverkehr zusammen. Außerdem trägt sie jährlich mit einer halben Million Tonnen Mikroplastik zur Verschmutzung der Ozeane bei.

Österreicher werfen viel Gewand weg

Österreicherinnen und Österreicher allein haben 72 Millionen Kleidungsstücke im Kasten, die sie noch nie oder nur sehr selten getragen haben. Bei einer Umfrage von Greenpeace gab die Hälfte der Befragten zudem an, Kleidung auszusortieren, wenn sie nicht mehr gefällt – selbst wenn das Stück keine Mängel hat. „Das meiste davon landet dann in erster Linie im Müll“, hieß es.

Alternativen wie Tauschen oder Leihen sind für die große Mehrheit hingegen noch Neuland: Rund 81 Prozent der Österreicher haben noch nie Kleidung getauscht, zwei Drittel noch nie welche verliehen. Doch es zeigt sich Greenpeace zufolge ein langsamer Wandel: „Mehr als ein Drittel der Teenager tauscht bereits Kleidung, wenn die Hose nicht mehr passt oder das Shirt nicht mehr gefällt. Das ist ein Trend, der auch der Umwelt guttut. Denn je länger ein Kleidungsstück genutzt wird, desto später braucht man ein neues“, sagte Kaller.

Aber: Gebrauchtes zu verschenken sei, darauf wies Emathinger nochmals ausdrücklich hin, „eine heikle Angelegenheit“. Wer erwägt, bereits getragene Kleidung zu verschenken, der müsse darauf achten, dass die Beschenkten damit „auch etwas anfangen können“, so die Vintage-Händlerin, „sonst könnte der Eindruck entstehen, dass man einfach nur Geld sparen wollte“.