Gummistiefel und trockene Erde
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Umweltschutz

EU-Parlament erklärt Klimanotstand

Das EU-Parlament hat – wenige Tage vor Beginn des UNO-Gipfels zu dem Thema – den Klimanotstand für die Union ausgerufen. Die Abstimmung am vergangenen Donnerstag in Straßburg fiel ziemlich eindeutig aus. Damit verpflichtet sich das Parlament wie mittlerweile über 1.000 Städte, Gemeinden und Länder weltweit mehr für den Klimaschutz zu tun.

Der Entschließungsantrag selbst hat keine konkreten Folgen, sondern eher symbolischen Charakter. Die Erklärung soll jedoch den Druck auf die politisch Verantwortlichen, wirksame Maßnahmen zu setzen, erhöhen. Im Vorfeld der Abstimmung am Donnerstag in Straßburg hatte der Wortlaut der Resolution für Differenzen zwischen den verschiedenen Fraktionen gesorgt.

„Notstand“ war einigen zu alarmistisch

Deutsche Abgeordnete hatten gefordert, dass anstatt „Notstands“ der Begriff „Notfall“ verwendet werden soll, beide Übersetzungen des englischen „emergency“. Wiederum andere EU-Parlamentarier wollten „Dringlichkeit“, in diesem Fall „climate urgency“ im Text stehen haben. Der Wunsch kam aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP).

Plenum des europäischen Parlaments in Straßburg
Reuters/Vincent Kessler
Die Resolution wurde mit einer recht deutlichen Mehrheit angenommen

Einigen war „Notstand“ zu negativ belastet bzw. klang zu sehr nach Ausnahmezustand samt Konsequenzen, hieß es etwa aus den Reihen der deutschen Konservativen. Ein Änderungsantrag, der auf Deutsch die Formulierung „Klima-Dringlichkeit“ vorsah, fand jedoch keine Mehrheit. Man sei für eine offensive Strategie, wolle aber nicht „mitten im Prozess“ mit der Ausrufung eines „Klimanotstandes“ Panik provozieren, hatte Parlamentsvizepräsident Othmar Karas (ÖVP) im Vorfeld der Abstimmung gesagt. Bis auf Karas stimmten alle österreichischen ÖVP-EU-Parlamentarier gegen die Resolution.

CSU fühlt sich an 1933 erinnert

Auch nach der Abstimmung kam Kritik aus Deutschland. „Wer heute den Klimanotstand ausruft, fordert nichts anderes als Entscheidungen ohne demokratische Legitimation und zielt darauf ab, demokratische Rechte außer Kraft zu setzen“, erklärte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Entweder diese Menschen wissen nicht, wovon sie sprechen, oder sie empfinden es als legitim, den demokratischen Prozess auszuschalten. Beides ist zutiefst erschreckend, gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte und dem Jahr 1933.“

Im Februar 1933 hatte eine Notverordnung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg Grundrechte eingeschränkt und die Macht des damals neu eingesetzten Reichskanzlers Adolf Hitler gefestigt.

Tauziehen um Begriffe

Bei den Liberalen gab es zwar den Einwand, „Notstand“ klinge zu alarmistisch und zu wenig sachlich, NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon wünschte sich aber ein „wichtiges Zeichen“. Die FPÖ lehnte die Resolution von vornherein ab. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder bezeichnete das EU-Parlament als „Tempomacher“ in Klimafragen und erklärte seine Unterstützung für die Resolution.

Die Grünen sprachen von einem „Klimanotfall“, die EU-Abgeordnete Sarah Wiener wollte sich pragmatisch zeigen. „Besser dafür als dagegen.“ Die Fraktion der Linken forderte konkrete Maßnahmen anstatt reiner Symbolpolitik, der Begriff sei zweitrangig.

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider nannte die Resolution „völlig überzogen“, eine reine Panikmache, die einen realistischen und vor allem sachlichen Umgang mit der Materie deutlich erschwere. „Die FPÖ hat heute gegen diese Entschließung gestimmt, da wir der Meinung sind, dass eine Politik, die sich auf Panikmache und Angst konzentriert, jedwede überlegte Herangehensweise, die im Sinne aller Menschen ist, äußerst erschwert.“

In der Abstimmung am Donnerstag in Straßburg sprachen sich 429 Parlamentarierinnen und Parlamentarier für die Resolution aus, 225 dagegen, 19 enthielten sich ihrer Stimme (insgesamt hat das Parlament 751 Mandatare und Mandatarinnen). Das entspricht einer Zustimmung von 64 Prozent.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg begrüßte die Entscheidung des EU-Parlaments. Sie habe mitten auf dem Ozean von dem Beschluss der Abgeordneten erfahren, schrieb die 16-Jährige auf Twitter. „Wir können eine Krise nicht lösen, ohne sie als solche zu behandeln. Lasst uns hoffen, dass sie jetzt drastische hinreichende Maßnahmen ergreifen.“ Sie rief zugleich dazu auf, sich an den internationalen Klimaprotesten am Freitag zu beteiligen, um so Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben.

Länder, Städte, Gemeinden

In Österreich hatte der Nationalrat im September, wiederum ohne Zustimmung der FPÖ, eine „Climate Emergency“ beschlossen und damit die Eindämmung der menschengemachten Erderwärmung zur obersten Priorität erklärt. Auch das Land Vorarlberg beschloss im Sommer die Erklärung des Klimanotstands, außerdem mehrere Gemeinden bzw. Städte zwischen Kufstein in Tirol und Hartberg in der Oststeiermark. Bisher haben nach Angaben des EU-Parlaments mehr als 1.000 Verwaltungseinheiten weltweit – von Gemeinden bis hinauf zu Staaten – wegen der Folgen des Klimawandels den „Notstand“ ausgerufen und damit die Eindämmung der Erderwärmung zur Priorität erklärt.

Abgestimmt wurde auch über eine Resolution in Vorbereitung auf die UNO-Klimakonferenz, die bis 13. Dezember in Madrid stattfindet. Darin werden ehrgeizigere Ziele wie die Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent – statt wie bisher auf 40 Prozent im Vergleich zu 1990 – und deren Verankerung im „Green Deal“ gefordert.