Pamela Rendi-Wagner
APA/Georg Hochmuth
SPÖ-Krise

Rendi-Wagner sieht sich weiter fest im Sattel

Donnerstagnachmittag hatte es noch so ausgesehen, als würden Pamela Rendi-Wagners Stunden an der Spitze der SPÖ gezählt sein: Berichte kamen an die Öffentlichkeit, die den parteiinternen Groll gegen sie weiter zu schüren drohten. Am Abend aber legten sich die Wogen offenbar wieder. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser wies Gerüchte zurück, für eine Übernahme der Partei zur Verfügung zu stehen.

Die Stimmung gegen Rendi-Wagner befeuerten am Donnerstag Berichte, wonach zum einen die 27 betroffenen Mitarbeiter in der SPÖ-Parteizentrale via E-Mail über ihre bevorstehende Kündigung informiert worden seien. Zum anderen hieß es, dass die SPÖ-Chefin monatelang ihre Parteisteuer schuldig geblieben sei.

„Aufgrund der äußerst angespannten finanziellen Situation der SPÖ werden wir bedauerlicherweise gezwungen sein, zum Jahresende das mit Dir bestehende Anstellungsverhältnis zum 31.3. 2020 zu kündigen“, hieß es laut „Wiener Zeitung“ in der Kündigungsmail. Und: „Bitte verstehe dieses Schreiben nicht als Kündigung, sondern als schlichte Information.“ Die „Wiener Zeitung“ berichtete von verärgerten Mitarbeitern, die „ohne Vorwarnung“ per E-Mail des Bundesgeschäftsführers Christian Deutsch und der Personalabteilung diese Informationen via E-Mail bekommen hätten.

In der E-Mail heißt es demnach, dass die SPÖ gemeinsam mit dem Betriebsrat eine „sozial verträgliche Lösung für alle Beteiligten“ herbeiführen möchte. Kommende Woche soll im Büro der Bundesgeschäftsführung die weitere Vorgehensweise mit den Betroffenen besprochen werden. Es werde derzeit auch versucht, „bei anderen Gesellschaften oder Organisationen für Dich und andere KollegInnen, von denen wir uns ebenfalls trennen werden müssen, Ersatzarbeitsplätze zu finden“.

Die Parteizentrale der SPÖ auf der Löwelstraße in Wien
ORF.at/Carina Kainz
Für Freitag sind Betriebsversammlungen in der SPÖ-Zentrale geplant

Rendi-Wagner mit Zahlungsversäumnis

Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtete unterdessen von einer ihm zugespielten Mahnung der SPÖ Wien an Rendi-Wagner, datiert mit Mai 2019. Demnach blieb die SPÖ-Chefin 16 Monate lang ihre im SPÖ-Parteistatut vorgesehene Mandatsabgabe („Parteisteuer“) schuldig. Die Außenstände sollen zwischenzeitlich mehr als 13.000 Euro betragen haben. Inzwischen ist Rendi-Wagner ihren Verpflichtungen nachgekommen, so das Magazin.

Hans Bürger (ORF) zum parteiinternen Gezänk der SPÖ

Der ZIB-Innenpolitik-Ressortleiter analysiert die SPÖ-internen Querelen um den Schuldenstand von fast 15 Millionen Euro und die Kündigungen von einem Viertel der SPÖ-Mitarbeiter.

Die Landesgeschäftsführerin der Wiener SPÖ, Barbara Novak, erklärte laut „profil“, Rendi-Wagner habe derzeit „keine Außenstände und ist allen Zahlungsverpflichtungen zu hundert Prozent nachgekommen“. Warum die Vorsitzende die Zahlungsaufforderung 16 Monate lang ignorierte, beantwortete Novak dem Bericht nach nicht.

„Aus. Schluss“

Danach machten Gerüchte über einen bevorstehenden Abgang Rendi-Wagners die Runde. Kolportiert wurde am Abend, dass die SPÖ-Vorsitzende bereits am Freitag ihr Amt los sein könnte. Präsidiumsmitglieder schlossen ein entsprechendes Szenario nicht aus. Dem Vernehmen nach wurde Rendi-Wagner von den Landesparteiorganisationen am Donnerstag zum Rücktritt aufgefordert, wollte aber von sich aus nicht gehen.

Als prominente Stimme forderte am Abend via Twitter SPÖ-Klubvize Andreas Kollross zumindest indirekt Rendi-Wagners Abgang. „Manchmal muss man zur Kenntnis nehmen, dass es nicht mehr geht. Aus. Schluss“, schrieb er. Die SPÖ Niederösterreich erklärte in einem von Parteichef Franz Schnabl gezeichneten Schreiben, sich Konsequenzen für die Verantwortlichen des E-Mails an die gekündigten Mitarbeiter zu erwarten. Das Krisenmanagement der Parteispitze sei in den vergangenen Tagen ein „Alptraum“ gewesen.

Bundespartei spricht von „Unsinn“

Die Bundespartei zeigte sich unbeirrt – Spekulationen, wonach Rendi-Wagner gehen werde, wies man als „völlig falsch“ und „Unsinn“ zurück. „Pamela Rendi-Wagner ist fest entschlossen, den Weg der inhaltlichen Erneuerung der Partei und den leider notwendigen Konsolidierungs- und Stabilisierungskurs zur finanziellen Gesundung zu gehen“, ließ die Partei in einem von Kommunikationschef Stefan Hirsch übermittelten Statement wissen. Dabei lasse sich die Vorsitzende „auch von solchen unwahren Gerüchten nicht beirren“.

Auch die Kolportage, wonach Kärntens Landeshauptmann Kaiser bereit sei, die Partei für eine gewisse Zeit zu übernehmen, um wieder Ruhe in die Sozialdemokratie zu bringen, ließ Rendi-Wagners Pressesprecherin gegenüber ORF.at dementieren und verwies auf einen Twitter-Beitrag von Kaisers Pressesprecher. Auch wies sie Gerüchte zurück, wonach Rendi-Wagner parteiintern eine „Deadline“ für den Rücktritt gestellt worden sei. Am Freitag sagte Kaiser selbst gegenüber dem ORF Kärnten „in aller Deutlichkeit“: „Ich bin und bleibe weiterhin in Kärnten“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Dem Vernehmen nach lautet nun der Plan, dass Rendi-Wagner zumindest bis zur Burgenland-Wahl im Jänner die Partei weiter führen soll. Vor allem die Wiener und burgenländische Landesorganisationen, die 2020 Landtagswahlen vor sich haben, sollen sich gegen einen sofortigen Rückzug Rendi-Wagners gestemmt haben, während die Mehrheit der allerdings weniger mächtigen Landesorganisationen hinter den Kulissen den Tag über auf einen Abgang gedrängt hatten. Er sei zuversichtlich, „unsere Bundesparteivorsitzende wird auch im nächsten Jahr Pamela Rendi-Wagner heißen“, sagte Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil bei der Vorstellung seines Unterstützungskomitees am Donnerstagabend – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Betriebsversammlung in Parteizentrale

Inwieweit nun innerparteilich Ruhe einkehrt, ist offen. Am Freitag jedenfalls wird es angesichts der bevorstehenden Kündigungen in der SPÖ-Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße ab 8.00 Uhr zu einer ganztägigen Betriebsversammlung kommen. Spätestens Montag übernächster Woche soll der Parteivorstand ein von Bundesgeschäftsführer Deutsch gestaltetes Sparprogramm absegnen.

Zumindest noch verstummen die innerparteilichen Kritiker nicht. Nationalratsabgeordnete und SJ-Vorsitzende Julia Herr erklärte, die Situation der Partei sei „inakzeptabel“. Den vorherrschenden Unmut „verstehe und teile“ sie. Den Rücktritt von Andrea Brunner als Vize-Bundesgeschäftsführerin und den Verbleib von Christian Deutsch als Parteimanager bezeichnete sie als „absolut falsches Zeichen“ – und: „Da gibt es offensichtlich Versagen von der Führungsriege.“

Die niederösterreichische Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) postete unterdessen auf Facebook: „Was DA jetzt passiert ist unpackbar!!!!!“ Und die geschäftsführende Vorsitzende der GPA-djp, Barbara Teiber, richtete der SPÖ aus, dass der Umgang mit den Mitarbeitern inakzeptabel sei: „MitarbeiterInnen per Mail von ihrer bevorstehenden Kündigung zu informieren, das geht so nicht“, twitterte sie.

Politikberater Hofer zum SPÖ-Zank

Thomas Hofer bespricht die Abwärtsspirale, in der sich die SPÖ seit einiger Zeit befindet, und nimmt zu den jüngsten Gehässigkeiten in der Partei Stellung.

Politikberater Thomas Hofer sagte am Donnerstag in der ZIB2, es sei wohl „der Sukkus für die SPÖ, dass dieser Selbstbeschädigungskurs sehr, sehr konsequent vorgetragen wird. Wenn Sie sich anschauen, was da in den letzten Stunden und auch Tagen passiert ist, dann wird fast mutwillig der Markenkern der SPÖ ramponiert. Auch die Art und Weise, wie diese Kündigungen, die betrieblich vielleicht notwendig sein mögen, wenige Tage vor Weihnachten per Mail gemacht wurden, das ist schon atemberaubend.“

Nachfolgefrage völlig offen

Wer Rendi-Wagner früher oder später nachfolgen könnte, ist völlig offen. Neben Kaiser wurde zuletzt immer wieder der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher genannt. Gegenwind für den Steirer gibt es aber vor allem in den Landesparteien im Burgenland und in Wien.

Der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures wurden vor Wochen ebenfalls schon gute Chancen auf den Parteivorsitz nachgesagt, damals winkte sie aber ab. Und nun gilt sie als zu nahe an Rendi-Wagner – und vor allem als zu eng verbandelt mit Deutsch. Vor einigen Monaten galt der burgendländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als erster Konkurrent Rendi-Wagners – doch danach warfen ihn Gesundheitsgründe aus dem Rennen. Mittlerweile steht er mitten im Wahlkampf für die Landtagswahl im Jänner. Noch am Donnerstagabend verkündete er beim Wahlkampfauftakt, Rendi-Wagner werde auch nächstes Jahr Parteichefin sein.

Hebenstreit, Hacker oder Hanke?

Die Gewerkschaft, ob der Vorgangsweise mit den gekündigten SPÖ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern schwer verärgert, soll laut Medienberichten Roman Hebenstreit ins Rennen schicken wollen. Doch der 48-jährige Chef der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida ist bundesweit kaum bekannt. Eher still geworden ist es in den vergangenen Monaten um die Chancen des Wiener Sozial- und Gesundheitsstadtrats Peter Hacker, der von einigen in der Partei als „Geheimwaffe“ der Sozialdemokraten gesehen wurde. Dafür fällt nun ein anderer Name aus der Wiener Stadtregierung immer öfter: der von Finanzstadtrat Peter Hanke.

Post von Kern

Öl ins Feuer der SPÖ-Krise goss am Donnerstag auch noch Ex-SPÖ-Chef Christian Kern: Er rechnete via Facebook mit parteiinternen Gegnerinnen und Gegnern ab. In einem Post veröffentlichte Kern einen Brief an die aktuelle Führungsriege der Partei. Der Vorgänger von Rendi-Wagner erinnert darin an eigene Erfolge, aber auch an die an internen Widerständen gescheiterte Organisationsreform. Die größten Gegner der SPÖ ortete er in den eigenen Reihen.

Donnerstagabend bei der Eröffnung des Europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg sagte er allerdings, dass er sich zu den internen Konflikten und zur finanziellen Lage der SPÖ nicht mehr weiter öffentlich äußern werde. „Ich habe heute schon an die 20 Interviewwünsche abgewimmelt“, sagte Kern.