Bauernhof in Ruinerwold
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Isolierte Familie in Niederlanden

Zweiter Österreicher wurde gequält

Erst seit Kurzem ist bekannt, dass im Fall Ruinerwold, also in jener Familie, die jahrelang abgekoppelt von der Außenwelt gelebt hat, ein weiterer Österreicher eine Rolle gespielt hat. Er ist aber nicht Beschuldigter, sondern offenbar ein Opfer gewesen. Der Mann, hieß es am Freitag unter Berufung auf Ermittlungsakten, sei seinerzeit festgehalten und gequält worden, unter anderem, um „böse Geister“ zu vertreiben.

Die Entdeckung der Familie in der Ortschaft Ruinerwold ist inzwischen etwa eineinhalb Monate her, am Donnerstag hatte die niederländische Staatsanwaltschaft (OM) eine Nachrichtensperre gelockert und damit begonnen, Details des Falles zu veröffentlichen. Unter anderem wurde bekannt, dass der 67-jährige Vater der Kinder, ein Niederländer, zwei davon missbraucht haben soll. Gerrit-Jan D. und der 58-jährige gebürtige Oberösterreicher Josef B. spielen in dem Fall die Beschuldigten. D. soll sechs mittlerweile junge Erwachsene neun Jahre auf dem Hof festgehalten haben, Motiv und Hintergrund sind unklar. B. hatte den Hof gepachtet. Beide sind in Haft.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt die Männer nun auch, im Jahr 2009 mehrere Monate lang einen inzwischen 69-Jährigen, der wie B. aus Österreich stamme, festgehalten zu haben, wie es schon am Donnerstag hieß. Am Freitag berichteten die deutsche „Bild“-Zeitung und der niederländische „Telegraaf“, der offenbar Einsicht in Ermittlungsakten und Zeugenaussagen bekommen hatte, der ältere Österreicher könnte ein „Hilfsarbeiter“ seines Landsmanns gewesen sein.

„Stimme gegen ‚Urvater‘ erhoben“

Durch Familienvater D. soll er Torturen unterzogen worden sein. So sei einer Zeugenaussage zu entnehmen, dass man ihn „an einem Seil befestigt von der Decke in der Tischlerei des Hofes hängen ließ“, schrieb die „Bild“. Zuvor habe er „die Stimme gegen den ‚Urvater‘ (den beschuldigten Familienvater, Anm.) erhoben“. Durch die „Bestrafung“, die „böse Geister“ habe vertreiben sollen, sei der Mann „verkrüppelt worden“. Der Mann soll weiters „monatelang in einem Schuppen auf dem Hof eingesperrt worden sein“, zu essen habe er nur Äpfel und Honig bekommen.

Bauernhof in Ruinerwold
APA/AFP/Wilbert Bijzitter
Der 69-jährige Österreicher soll in einer Werkstatt auf dem abgelegenen Hof gequält worden sein

Laut offiziellen Behördenangaben laufen Ermittlungen wegen Geldwäsche, Freiheitsberaubung und Misshandlung. Der Familienvater lebte laut bisherigen Ermittlungen jahrelang völlig von der Außenwelt abgeschnitten mit sechs seiner neun Kinder auf dem Bauernhof, die Mutter war 2004 gestorben. Die Behörden wurden erst auf die Familie aufmerksam, als eines der inzwischen erwachsenen Kinder in verwahrlostem und verwirrtem Zustand in einem Gasthaus des Dorfes auftauchte.

Geister und Schläge

Der 67-jährige Familienvater war in den 1980er Jahren Mitglied des niederländischen Zweigs der Vereinigungskirche gehört, die früher unter dem Namen „Moon-Sekte“ bekannt war. „De Telegraaf“ zufolge soll sich der Niederländer später als „Urvater“ und seine Frau als „Urmutter“ angesehen haben. Er sei überzeugt gewesen, er könne mit Geistern kommunizieren und sie in andere Körper transferieren. Seine Kinder soll er geschlagen, eingesperrt und auch durch Nahrungsentzug bestraft haben. Immer wieder war in Medienberichten von einem möglichen „sektenartigen“ Leben die Rede gewesen.

Kinder existierten juridisch nicht

Das TV-Magazin „Hart van Nederland“ berichtete am Donnerstag, inzwischen seien DNA-Tests abgeschlossen. Diese hätten ergeben, dass die sechs Kinder, heute zwischen 18 und 25 Jahre alt, denselben Vater und dieselbe Mutter hätten. D. sei der Vater. Die Kinder hätten bisher keine Geburtsurkunden gehabt, existierten also rein formaljuridisch nicht.

Mit den DNA-Tests seien ihnen nun Personaldokumente ausgestellt worden. Wo das geschah, wurde von der Behörde laut ihrer Stellungnahme unter Verweis auf den Persönlichkeitsschutz nicht bekanntgegeben. Die Mutter sei 2004 gestorben, berichtete der öffentlich-rechtliche TV-Sender NOS.

Zu Anklage nicht einer Meinung

Die insgesamt neun Kinder des 67-Jährigen – einige hatten die Familie bereits verlassen, als der Mann auf den abgelegenen Hof zog – stünden dem Verfahren gegen ihren Vater gespalten gegenüber, berichtete am Donnerstag die Tageszeitung „AD“ (früher „Algemeen Dagblad“) und zitierte aus einer Presseaussendung. Die drei jüngeren Kinder seien nicht einverstanden mit der Anklage, sie hätten andere Erfahrungen mit ihrem Vater gemacht als die älteren.

Es sei schmerzhaft für sie, dass sich eine „Kluft zwischen uns und unseren ältesten Brüdern und Schwestern geöffnet hat“. Vier der älteren Kinder wollten mit einer niederländischen Dokumentarfilmerin zusammenarbeiten, um ihre Geschichte zu verarbeiten, hieß es. Die beiden Tatverdächtigen dürfen laut Gerichtsbeschluss mit Ausnahme ihrer Anwälte keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Ein erster Verfahrenstermin ist für den 21. Jänner angesetzt.