Die neue SPD-Führung Norbert Walter-Borjan und Saskia Esken
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Minister Scholz gescheitert

SPD hat neues Führungsduo

Die deutsche SPD hat Monate nach dem Rücktritt von Andrea Nahles wieder einen Vorsitz. Bei einem Mitgliedervotum setzten sich am Samstag die Koalitionskritiker Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neues Führungsduo durch. Gescheitert sind damit Finanzminister Olaf Scholz und seine Mitbewerberin Klara Geywitz.

Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg gewannen die Stichwahl des Mitgliederentscheids mit 53,06 Prozent der Stimmen, wie die SPD am Samstag mitteilte. Scholz und die Brandenburger Abgeordnete Geywitz kamen lediglich auf 45,33 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 54 Prozent. Esken und Walter-Borjans gelten als Vertreter des linken Parteiflügels.

Für die Sozialdemokraten endet mit dem Ergebnis eine halbjährige Suche nach einer neuen Führung. Im Sommer war die bisherige Parteichefin Nahles nach internen Machtkämpfen zurückgetreten. Doch bei der Nachfolgewahl ging es um mehr als nur eine Personalie: Das Mitgliedervotum gilt auch als Vorentscheid für die Zukunft der Großen Koalition. Der Parteitag in der kommenden Woche muss sie noch offiziell wählen.

Neues Führungsduo für SPD in Deutschland

In Deutschland haben die Sozialdemokraten nun eine neue Führung: Das Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken hat die Stichwahl um den SPD-Vorsitz mit 53 Prozent für sich entschieden.

Tauziehen um Koalition mit Union

In einer Woche will die SPD auf einem Parteitag entscheiden, ob sie das Bündnis mit CDU und CSU verlässt – die neuen Parteichefs werden bei dieser Entscheidung ein gewichtiges Wort mitreden. Walter-Borjans und Esken wollen zwar keinen überstürzten Ausstieg aus der Großen Koalition, sie wollen aber den Koalitionsvertrag neu verhandeln.

Auf dem Parteitag wollten sie inhaltliche Punkte benennen und die Delegierten darüber entscheiden lassen, „was jetzt so dringend umgesetzt wird, dass wir daran auch die Koalitionsfrage stellen“, sagte Walter-Borjans. Esken betonte, es brauche neue Vorhaben, wenn die Koalition fortgeführt werden solle. Konkret verlangte sie mehr Einsatz für den Klimaschutz, etwa einen deutlich höheren CO2-Preis von 40 statt zehn Euro.

V.l.n.r.: Klara Geywitz und Finanzminister Olaf Scholz, Norbert Walter-Borjan und Saskia Esken
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Geywitz und Scholz unterlagen, Walter-Borjans und Esken stehen künftig an der SPD-Spitze

Zieht die Union nicht mit, wie Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits angedeutet hat, wollen sie der Partei den Ausstieg aus dem Bündnis empfehlen. Dann könnte es im kommenden Jahr Neuwahlen geben oder – zumindest für eine Zeit – eine Minderheitsregierung der Union unter Führung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.

Die CDU erklärte jedenfalls, auch unter der neuen Parteiführung der SPD mit den Sozialdemokraten „vertrauensvoll“ zusammenarbeiten zu wollen. Entscheidend sei, gut zu regieren: „Dafür gibt es eine Grundlage, und das ist der Koalitionsvertrag, der zwischen der SPD und der Union geschlossen wurde, und daran hat sich nichts geändert“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Samstagabend in Berlin. Er wünschte der neuen Führung „für ihre zukünftige Arbeit als Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands alles Gute, viel Erfolg und Gottes Segen“.

Verliererduo sichert Untersützung zu

Das Verliererduo hat den neuen Parteichefs unterdessen die Unterstützung zugesagt: Die SPD habe mit Walter-Borjans und Esken nun eine neue Parteiführung, und hinter dieser müssten sich alle versammeln, so Scholz und Geywitz nach der Verkündung des Ergebnisses am Samstag im Willy-Brandt-Haus. Ziel bleibe, die SPD wieder stark zu machen, das sei gemeinsame Sache. Scholz will auch trotz der Niederlage Finanzminister bleiben. Er werde nicht zurücktreten, erfuhr die dpa aus Parteikreisen.

Birgit Schwarz (ORF) über die neue SPD-Führung

Das Ergebnis sei eine große Überraschung gewesen, berichtet ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz aus Berlin.

Auch die neue Führung will nun offenbar dringend einen Schlussstrich unter die Personaldebatte ziehen: „Wir haben gestritten und waren immer freundschaftlich dabei“, sagte Esken nach der Verkündung des Ergebnisses des Mitgliederentscheids. Walter-Borjans sagte, es sei klar, dass sie dafür sorgen müssten, „dass wir zusammenbleiben“. Esken und ihm sei bewusst, dass es keine Frage von Sieg oder Niederlage sei – zentral sei vielmehr, die SPD zusammenzuhalten. Esken sagte: „Jetzt müssen wir zusammenstehen.“

FDP und AfD sehen Deutschland vor Neuwahl

Die FDP sah die Sozialdemokraten nach dem Votum gespalten wie nie. Mit dem Linksruck sei das Ende der Großen Koalition besiegelt, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer am Samstag. „Deutschland steht vor Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung. Die FDP steht für die Übernahme von Verantwortung bereit, sofern inhaltliche Kernforderungen umgesetzt werden können.“

Auch AfD-Chef Jörg Meuthen rechnet mit einer vorgezogenen Bundestagswahl im kommenden Jahr. Die SPD sei eine „ehemalige Volkspartei im Niedergang“, sagte der frisch im Amt bestätigte AfD-Vorsitzende am Samstag beim Bundesparteitag in Braunschweig. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sagte: „Ich wünsche mir Neuwahlen.“ Der „Krampf“ der Großen Koalition müsse beendet werden.