Sparbuch und Bargeld
ORF.at/Christian Öser
Geldanlage

Negativzinsen und die Gefahr für Sparer

Banken und Sparern macht die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu schaffen. Auch wenn das Tabu der Negativzinsen für einfache Sparer in Deutschland bereits gebrochen wurde und für heftige Schlagzeilen und Diskussionen sorgte, besteht für österreichische Sparer und Sparerinnen nach aktueller Gesetzeslage keine akute Gefahr. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl warnt unterdessen vor einer globalen Tendenz.

Treichl, der mit Jahresende in den Ruhestand wechselt und dann den Aufsichtsrat der Erste-Privatstiftung führt, geht von einer längeren globalen Phase der Null- und Negativzinsen aus – und warnte im Interview mit dem „Standard“ erneut davor. „Durch die Nullzinssituation öffnet sich die Vermögensschere immer mehr – und das geht auf die Dauer nicht, es braucht eine andere Verteilung“, so der Banker – wien.ORF.at.

In ganz Europa diskutiert die Geldwirtschaft gerade, wie mit den Niedrigzinsen der Zentralbank umzugehen ist. In Deutschland hat u. a die Commerzbank Anfang November angekündigt, bei großen Einlagen anfangen zu wollen. In der Schweiz heben etliche Banken, auch die großen, für große Beträge schon Zinsen auf Einlagen ein. Und in Italien hat die Bank Austria Mutter UniCredit im Oktober angekündigt, Spareinlagen betuchter Privatkunden ab einer Million Euro Vermögen mit Negativzinsen belegen zu wollen.

Sitz des OGH im Justizpalast
ORF.at/Roland Winkler
Der Wiener Justizpalast, wo auch der Oberste Gerichtshof untergebracht ist

OGH-Urteil: Schutz mit Ausnahmen

Der Oberste Gerichtshof (OHG) in Österreich hat bereits 2009 festgehalten, dass Nullzinsen (und damit auch Negativzinsen) auf private Spareinlagen nicht zulässig sind. Anlassfall war damals ein Rechtsstreit zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Volkskreditbank (VKB-Bank). Diese hatte in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel, die bei flexiblen Zinssätzen auf Sparbücher Nullzinsen als Mindestgrenze vorsah.

Die Klausel orientiert sich laut OGH-Urteil „am Leitzinssatz der EZB, welcher wegen der damit verfolgten Finanzmarktpolitik tendenziell weniger den Interessen sparender Verbraucher, sondern eher jenen der Kreditinstitute entgegenkommt. Fundamentaler Zweck jeder Spareinlage ist nicht die Liquiditätsverbesserung der Bank, sondern die eine Anlage kennzeichnende Gewinn- und Vermögensbildungsfunktion.“

Da Sparer aber nicht ohne einen finanziellen Nachteil ihr Geld von ihrem Sparbuch abziehen und anders veranlagen könnten, sei eine Klausel, die einen Zinssatz von null ermöglicht, „gröblich benachteiligend und daher nichtig“, hieß es damals in dem OGH-Urteil. Das OGH-Urteil bezieht sich auf klar definierte Spareinlagen privater Einleger. Auf Einlagen etwa auf dem Girokonto und eine Reihe anderer Einlagen findet diese Judikatur keine Anwendung.

Bankbezirk mit Commerzbank in Frankfurt
AP/Michael Probst
In Frankfurt – dem Bankenzentrum Deutschlands – sieht man Negativzinsen für Sparer anders als in Österreich

Banken wollen weg von Sparbüchern

Mit klassischen Sparbüchern verdienen Banken schon lange nichts mehr. Immer mehr Kreditinstitute trachten, die Sparbücher durch Sparcards abzulösen. Das wurde der APA von mehreren Häusern bestätigt. Kunden, die noch (vergleichsweise) höher verzinste lang laufende Sparbücher haben, wird in vielen Häusern der Umstieg auf höherrentierliche Alternativen schmackhaft gemacht. Auch wiederkehrende Barabhebungen und Bareinzahlungen an Bankschaltern sind nicht mehr sonderlich beliebt.

Wer in einer Bankfiliale nach einem herkömmlichen Sparbuch fragt, wird in der Regel gefragt, ob es nicht besser eine Sparkarte mit Zusatzfunktionen sein soll, u. a. für Foyereinzahlungen und -abhebungen. Wird ein Sparbuch für ein Kind zum Geburtstag oder als Geschenk unterm Weihnachtsbaum gewünscht oder zum Beispiel für eine Mietkaution, so braucht man in der Regel keine Dauerauftragsfunktionen. Die Eröffnung eines Mietkautionssparbuchs soll auf Kundenanfrage auch schon explizit abgelehnt worden sein.

D: Negativzinsen für Neukunden

In Deutschland gibt es einen Schutz vor Null- oder Negativzinsen wie in Österreich nicht. Zwar urteilte im vergangenen Jahr das deutsche Landgericht in Tübingen, dass Negativzinsen für Bestandskunden unwirksam sind. Für Neukunden und -kundinnen gilt das aber nicht.

Genau das haben sich die ersten Banken in Deutschland bereits zunutze gemacht. So erhebt die Volks- und Raiffeisenbank im oberbayrischen Fürstenfeldbruck seit 1. Oktober Negativzinsen auf Tagesgeldkonten neuer Kunden – ab dem ersten Euro. Dabei gehe es der Bank vor allem darum, Neukunden abzuwehren, Bestandskunden sollen dagegen nicht abgestraft werden, hieß es von dem Chef der Bank.

Denn neue Kundeneinlagen verursachen für Banken im herrschenden Zinsumfeld nur mehr Kosten. Geld, das nicht wieder in Form eines Kredits gewinnbringend ausgegeben werden kann, muss von der Bank veranlagt werden – und die Anlageoptionen sind derzeit nicht attraktiv: Die EZB gibt den Banken für Einlagen bei ihr einen Einlagenzins von minus 0,5 Prozent vor, und auch für risikoarme Staatsanleihen muss meist ein Strafzins berappt werden.

Bei Unternehmenskunden sieht es anders aus

Die bayrische Volks- und Raiffeisenbank ist mit ihrem Vorgehen nicht alleine. Auch die Commerzbank hat bereits angekündigt, reiche Kunden mit Mitteln von mehr als einer Million in Zukunft stärker zur Kassa bitten zu wollen. Für Unternehmenskunden sind Negativzinsen auf Spareinlagen sowohl in Deutschland als auch in Österreich dagegen schon seit Längerem Realität – vor allem dann, wenn sie größere Summen bei einer Bank parken wollen. Dann heben Banken nach individueller Absprache mit den Kunden oft eine Gebühr für die Verwahrung der liquiden Mittel ein.

Nullzinsen bei österreichischen Bundesschätzen

Aber auch in Österreich sind nicht alle Einlagen Privater von dem OGH-Spruch erfasst und geschützt. Dazu gehören in Österreich die Bundesschätze. Diese Sparprodukte der zum Finanzministerium gehörenden Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) werden seit 2002 aufgelegt. Sie sind mit voller Republiksbonität behaftet. Mittlerweile werden rund 55.000 Konten unterhalten. Mehr als drei Jahre schon stand der nominelle Zinssatz bei kurzen Laufzeiten bis zu einem Jahr auf null. Im Sommer 2019 wurden auch die Zinsen auf Einlagen mit ein-, zwei-, vier-, fünf- sowie zehnjähriger Bindungsfrist auf 0,00 Prozent gestellt.

Das erfolgte heuer im Juli, sagte OeBFA-Chef Markus Stix zur APA. Im September senkte die EZB die Zinsen weiter, verschärfte also nochmals die Strafzinsen für Einlagen der Banken bei der Euro-Zentralbank. Dieser abermalige Zinsschritt war im Juli schon absehbar gewesen.

Republik sichert gesamte Einlage

„Bundesschatz ist ein Wertpapier der Republik Österreich, wir sind keine Bank und vom Urteil des Obersten Gerichtshofs sind wir nicht erfasst“, sagte Stix. Für diese Einlagen, die rechtlich kein Sparbuch seien, gelte auch nicht die übliche nach oben begrenzte Sparereinlagensicherung (bis zu 100.000 Euro), sondern die gesamte Einlage ist zu 100 Prozent von der Republik garantiert. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zum Sparbuch: Für Bundesschätze gilt – sofern es eben Zinsen darauf gibt – die Wertpapier-Kapitalertragsteuer (KESt) von 27,5 Prozent, für Spareinlagen sind es 25 Prozent KESt.

Auch auf ihrer Website macht die Bundesfinanzierungsagentur darauf aufmerksam, dass Bundesschätze Republikswertpapiere sind und direkt bei der Republik bzw. über das Internet erworben werden können. Der Slogan lautet: „Bundesschätze. Die sichere Art des Sparens“. Dass es bei den Bundesschatz-Zinsen ins Minus geht, sei aufgrund der Bedingungen für das bis 2032 laufende, dahinter liegende Wertpapier nicht möglich, sagte Stix. Man müsse die Augen aber offen halten. An eine Einstellung des Produkts sei nicht gedacht, ergänzte er. In Deutschland hatte es ein ähnliches Produkt gegeben. Es wurde vor sechs Jahren beendet.