Menschen am Weg zu ihrer Abschiebung
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Sparvorschläge

McKinsey und Trumps Abschiebepolitik

Wie kann effektiver abgeschoben werden? Diese Frage stellte sich offenbar die US-Regierung, als Präsident Donald Trump ankündigte, „hart gegen illegale Einwanderung“ vorzugehen. Das internationale Beratungsunternehmen McKinsey habe als Antwort einige Kürzungen vorgeschlagen. Sparen sollten die Behörden etwa bei den Ausgaben für Lebensmittel und der medizinischen Versorgung für Migranten und Migrantinnen.

Das geht aus einem Dokument mit 1.500 Seiten hervor, das die „New York Times“ und die Investigativplattform ProPublica einsehen konnten. ProPublica erhielt das Papier infolge einer Klage auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes. Danach wurden laut den Medien die darin vorkommenden Beamten und Beamtinnen zu den Plänen und Vorschlägen der Beratungsfirma befragt.

So sei neben der Kostensenkung für Lebensmittel und medizinische Betreuung auch eine günstigere Beaufsichtigung vorgeschlagen worden, so die Medien unter Berufung auf Personen, die am Projekt beteiligt waren. Für die Grenzübertritte – vor allem an der Grenze zu Mexiko – ist die Polizei- und Zollbehörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) zuständig. Sie gilt als wichtigste US-Vollzugsbehörde für die US-Sicherheit und arbeitete bereits mit McKinsey zusammen.

Anderer Präsident, andere Aufgabe?

Das internationale Beratungsunternehmen wurde schon von der Regierung unter US-Präsident Barack Obama beauftragt, die Ausgaben in der Abteilung für Einwanderung und Zollkontrolle neu zu organisieren. Unter Trump, der nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt im Jahr 2017 per Dekret mehr Beamte für Haftzentren an der Grenze zu Mexiko forderte, sei aber die Aufgabe eine andere gewesen: Vorschläge für eine effektive und schnellere Rückführung von Personen, die sich illegal in den USA aufhalten.

US-Präsident Donald Trump
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Trump setzte mit Dekreten im Jänner und Februar 2017 mehrere Akzente in der US-Migrationspolitik

Die Vorschläge von McKinsey sollen bei den ICE-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern allerdings Zweifel und Sorgen hervorgerufen haben. Die Berater hätten die Bedürfnisse der Menschen, die sich in Haftzentren an der Grenze zu Mexiko befinden, gar nicht berücksichtigt, wurden drei Beamte, die in das Projekt involviert waren, zitiert. Man habe dem Beratungsunternehmen die Frage gestellt, ob das Geld, das man bei Lebensmitteln und bei der medizinischen Versorgung sparen möchte, die „möglichen menschlichen Kosten“ rechtfertige.

Allerdings sei der Einfluss von McKinsey auf die Behörde schon so groß geworden, dass die Berater an einem Regierungsdokument schrieben, das die Zuständigkeiten von McKinsey und eine Klausel für eine üppige Vertragsausweitung festhielt. „Können sie (die Berater, Anm.) das?“, so ein ICE-Beamter in einem Schreiben im Mai 2017. Die Antwort eines für den Vertrag zuständigen Beamten: „Es ist nicht ideal, dass uns ein Auftragnehmer sagt, was wir von ihm verlangen. Aber wenn sonst niemand unsere Ziele artikulieren kann, welche Optionen gibt es?“

McKinsey widerspricht Berichten

Im vergangenen Jahr berichtete die „New York Times“, dass McKinsey letztlich mehr als 20 Millionen US-Dollar (18 Mio. Euro) an Beratungsleistungen für die ICE-Behörde erbracht hatte. Wenige Tage später beendete McKinsey den Vertrag mit der US-Regierung, weil es firmenintern Bedenken mit der Migrationspolitik gebe. McKinsey habe sich nie auf die Entwicklung, Beratung oder Umsetzung von Einwanderungsrichtlinien konzentriert, schrieb das Unternehmen. Man werde „unter keinen Umständen irgendwo auf der Welt eine Arbeit verrichten, die Richtlinien vorantreibt oder unterstützt, die im Widerspruch zu unseren Werten stehen“.

Menschen werden am Flugfeld vor ihrer Abschiebung untersucht
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Um Kosten bei der Unterbringen von Geflüchteten zu sparen, sollten diese in Gefängnisse auf dem Land übersiedelt werden, so McKinsey

Die neuen Dokumente und Interviews zeigten jedoch ein vollkommen anderes Bild. Das Unternehmen sei an der Umsetzung von politischen Richtlinien im Zuge der US-Migrationspolitik beteiligt gewesen, so die interviewten Personen. Ein McKinsey-Sprecher widersprach diese Sichtweise. Am Umfang der Leistungen habe sich seit der Obama-Ära nichts geändert. „Die Behauptung, dass sich unsere Arbeit wegen der Präsidialdekrete von Trump geändert habe, ist falsch.“

Der Consulter reagierte im Februar 2017 sehr schnell auf die Dekrete des US-Präsidenten. Am 13. Februar sollen die Berater laut „New York Times“ und ProPublica eine Reihe von „Initiativen zur Verbesserung der Einstellung von ICE-Beamte und zur Bewältigung der Dekrete“ präsentiert haben. Trump forderte, dass 10.000 zusätzliche Beamte für die Einwanderung eingestellt werden. Bis heute sei aber nur ein Bruchteil angestellt worden – unter den McKinsey-Vorschlägen.

Günstiger im ländlichen Gebiet

Ein ICE-Sprecher bestritt, dass die Empfehlungen von McKinsey das Wohlergehen oder die Rechte der Inhaftierten beeinträchtigen könnten. Laut den jüngsten Berichten zeigten jedoch Präsentationen der Berater, dass man empfahl, Migrantinnen und Migranten in günstigere Einrichtungen – meist Gefängnisse – in ländlichen Gebieten zu bringen. Damit spare man in den Haftzentren Kosten. Die Amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU), die mehrmals gegen die Migrationspolitik der US-Regierung geklagt hatte, bestätigte dieses Vorgehen der ICE-Behörde.

Die McKinsey-Vorschläge, die Ausgaben für Lebensmittel und medizinische Versorgung zu kürzen, seien nicht in die neuen Richtlinien aufgenommen worden, teilte ein ehemaliger ICE-Beamter mit. Interne E-Mails würden allerdings darauf hinweisen, dass weniger Wachpersonal die meisten Kosten spart. Aber die Empfehlungen seien heute noch in den Büchern der Behörde zu finden. In einem Bericht des US-Heimatschutzministeriums in diesem Sommer wurden etwa Bedenken zur Lebensmittelqualität und der Instandhaltung der Haftzentren geäußert.

Aufregung über Beratertätigkeiten

Dass McKinsey Behörden berät, ist freilich nicht neu. 2016 erstellte das Beratungsunternehmen ein Gutachten für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Auch hier ging es um eine „Verbesserung der Abschiebung“. Die Studie kostete Medienberichten zufolge 1,86 Millionen Euro. In den Jahren 2015 bis 2018 erhielt McKinsey für Asylberatungen 45,4 Millionen Euro. Umgehend wurde Kritik an den hohen Kosten laut, der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) beendete die Zusammenarbeit.

Zuletzt ging McKinsey auf Distanz zum Pharmaunternehmen Purdue, das mit seinem Schmerzmittel OxyContin im Zentrum der amerikanischen Opioidkrise steht. In einer Klageschrift, die dieses Jahr mehrere Medien zitierten, hieß es etwa, dass das Pharmaunternehmen McKinsey angeheuert habe, um herauszufinden, wie man Ärzte dazu bringt, noch mehr OxyContin zu verschreiben. OxyContin ist ein Analgetikum und wird unter anderem mit dem starken Anstieg von Drogentoten in den USA in Verbindung gebracht.

In Südafrika ist McKinsey ebenfalls wegen fragwürdiger Geschäfte mit staatlichen Unternehmen unter Druck geraten. Die Staatsanwaltschaft forderte vom US-Unternehmensberater Einnahmen aus seinen Tätigkeiten in Höhe von 1,6 Milliarden Rand (rund 107 Mio. Euro) zurück. Es geht dabei um Verträge mit dem staatlichen Energiemonopolisten Eskom, die angeblich unter politischem Druck widerrechtlich vergeben wurden. McKinsey wies Vorwürfe, dass Schmiergeld geflossen sein soll, kategorisch zurück, entschuldigte sich aber für das „Fehlverhalten“.