Impfpass
APA/Barbara Gindl
Impfen

Österreich setzt auf Anreize statt Strafen

In neun europäischen Ländern gibt es sie schon, in Österreich ist sie weiter umstritten: die Masernimpfpflicht. Aktuell flammt auch hier die Diskussion über eine Einführung auf – entsprechende Forderungen kommen jüngst aus der Steiermark und Niederösterreich. Laut Gesundheitsministerium will man weiterhin auf Freiwilligkeit setzen, dabei aber mit anderen Mitteln die Durchimpfungsrate erhöhen.

Auslöser der aktuellen Debatte ist das Ansteigen der Masernfälle: In ganz Österreich gab es heuer laut Ministerium 148 Erkrankungen (Stand 5. Dezember). Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 77 Fälle, 2017 erkrankten 64 Personen und im Jahr davor 21. Neue Fälle hatte es zuletzt in der Steiermark gehäuft gegeben. Rund zwei Dutzend nicht geimpfte Volksschüler in der Obersteiermark müssen wegen eines Masernfalls etwa drei Wochen zu Hause bleiben.

Wie es aus dem Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at heißt, ist in Österreich keine generelle Impfpflicht geplant, in Vorbereitung sei jedoch eine Novelle des Epidemiegesetzes, die nächstes Jahr in Begutachtung und Umsetzung gehen soll.

Grafik zur Impfpflicht
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ECDC

Impfgespräch für skeptische Eltern

Der oberste Sanitätsrat habe empfohlen, dass sämtliche im Kinderimpfprogramm vorgesehenen Impfungen (nicht nur Masern) vor dem Eintritt in Kindergarten oder Volksschule nachgewiesen werden. Wer dem nicht nachkommt, muss ein Impfgespräch bei einem Arzt absolvieren mit dem Ziel, dort von einer Impfung überzeugt zu werden. Eine Nachweispflicht soll auch für Personal im Gesundheitswesen (bei Berufs- und Ausbildungsantritt) kommen.

Sanktionen – etwa die Kürzung von Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe – sind nicht geplant. „Wichtig ist ein niederschwelliges Angebot, das ermöglicht, dass es viele Zeitpunkte gibt, an denen Impfungen nachgeholt werden können“, hieß es aus dem Ministerium. Eine wichtige Maßnahme sei, dass mit der heuer verlautbarten Schulärzteverordnung die Rechtsgrundlage für das Impfen an Schulen durch Schulärztinnen und Schulärzte geschaffen wurde.

Weiters wurde gerade die Begutachtung der gesetzlichen Grundlage für den elektronische Impfpass gestartet. Ab dem zweiten Halbjahr 2020 soll ein Pilotversuch in Wien, Niederösterreich und der Steiermark dazu anlaufen. Der elektronische Impfpass wird automatische Erinnerungsfunktionen für Termine der empfohlenen Impfungen enthalten.

Ärztekammer will verpflichtende Impfung

Die Ärztekammer bleibt unterdessen bei ihrem Appell für eine Impfpflicht: „Österreich sollte rasch dem Beispiel Deutschlands folgen“, sagte ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres unlängst. Nur wenn bei Masern eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent erreicht werde, könne sichergestellt werden, dass auch Menschen geschützt sind, die keine oder noch keine Impfungen erhalten können, so Szekeres.

Gesundheitsministerin Zarfl zu Masern und Impfpflicht

Der Vorstoß von zwei Landeshauptleuten für eine Masernimpfpflicht hat die Diskussion wieder in Gang gebracht. Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl sprach sich am Freitag in der ZIB2 gegen eine Pflicht aus.

„Wir sehen, dass die Impfpflicht bei den Nachbarländern funktioniert“, so Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferates. Ein verpflichtender aufrechter Impfschutz vor dem Eintritt in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten sei ein wesentlicher Punkt im Kampf gegen Masern. Auch in Gesundheitsberufen tätige Personen sollten auf einen aufrechten Impfstatus achten.

Geldstrafen in Deutschland

In Deutschland wurde ein entsprechendes Gesetz des deutschen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) im November beschlossen, in Kraft treten soll es am 1. März 2020. Eltern müssen dann vor der Aufnahme nachweisen, dass ihre Kinder (ab dem Alter von einem Jahr) geimpft sind. Für Kinder, die schon in den Kindergarten oder in die Schule gehen, gilt eine Frist bis 31. Juli 2021. Bei Verstößen drohen bis zu 2.500 Euro Strafe. Auch gegen die Einrichtungen können Geldstrafen verhängt werden, wenn sie die Vorgaben nicht befolgen. Kindergärten dürfen ungeimpfte Kinder nicht mehr annehmen.

Zweiteilige Impfung

Die Masernimpfung wir derzeit in zwei Dosen als Kombinationsimpfstoff gemeinsam mit Komponenten gegen Mumps und Röteln verabreicht, laut Empfehlung ab dem neunten Monat. Der Impfstoff ist für alle gratis.

Nicht jeder verträgt jede Impfung

Auf Websites von Impfgegnervereinen wird vor Nebenwirkungen von Impfstoffen gewarnt, die in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Schutz stünden. Tatsächlich gibt es Fälle, in denen eine Impfung nicht empfohlen oder möglich ist, etwa wenn das Immunsystem durch bestimmte Krankheiten geschwächt ist, sowie bei Säuglingen.

Doch genau dort soll der „Herdenschutz“ greifen, da bei einer ausreichend hohen Durchimpfungsrate die Wahrscheinlichkeit, mit einem Erreger in Kontakt zu kommen, bis zum Minimum reduziert werden soll. Horrorgeschichten von Impfschäden und -reaktionen fallen aber auch bei besorgten Eltern auf fruchtbaren Boden und erzeugen Verunsicherung.

Tausende Kinder in Österreich ohne Masernimpfung

Rund 18 Prozent der Zwei- bis Fünfjährigen, das sind etwas mehr als 47.000 Kinder, sind nicht oder nur mit der ersten Dosis des Masernimpfstoffes geimpft. In der Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen liegt die Durchimpfungsraten für die zweite Dosis etwas höher bei 89 Prozent, in dieser Altersgruppe sollten fast 27.000 Kinder (elf Prozent) eine zweite Dosis einer MMR-Impfung erhalten, so der „Kurzbericht Masern“ des Gesundheitsministeriums.

Im österreichischen Impfplan werden daher auch die Eltern dezidiert angesprochen: „Entsprechend der UNO-Konvention vom 20. November 1989 haben Kinder das Recht auf beste Gesundheitsversorgung. Dazu gehört auch der Schutz vor Erkrankungen, die durch Impfung vermeidbar sind. Den Eltern obliegt es, die Schutzimpfungen bei ihren Kindern vornehmen zu lassen.“ Als allgemeiner Grundsatz könne bei den Impfungen gelten: „Jeder, der sich und seine Familienangehörigen (Kontaktpersonen) schützen will, soll sich impfen lassen.“