Rücktritt HC Strache
ORF.at/Christian Öser
„Ibiza-Video“

Strache blitzt mit Anzeige in München ab

Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und mehrere Privatpersonen sind mit Anzeigen gegen Verantwortliche der „Süddeutschen Zeitung“ wegen des „Ibiza-Skandals“ gescheitert.

Wie die Staatsanwaltschaft München I am Freitag mitteilte, wurden Ermittlungsverfahren gegen drei Journalisten und zwei Chefredakteure aus „rechtlichen Gründen“ eingestellt. Gegen zwei Geschäftsführer der Zeitung seien gar keine Verfahren eingeleitet worden, weil keine Anhaltspunkte für Straftaten vorgelegen seien.

In einem unter anderem von der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten heimlich gedrehten Video war Strache bei Gesprächen mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte in einer Villa auf Ibiza zu sehen. Die Affäre um Straches Aussagen – unter anderem über illegale Parteispenden – erschüttert seither die heimische Innenpolitik. Strache und sieben weitere Personen hatten in München eine Anzeige gegen die Veröffentlichung des Videos eingebracht.

Verweis auf Pressefreiheit

Die Staatsanwaltschaft München I sagte nun, dass das Veröffentlichen heimlich gefertigter Tonaufnahmen zwar grundsätzlich strafbar sei. Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Freiheit der Meinungsäußerung sei das Handeln der Journalisten in diesem Fall aber nicht unbefugt gewesen.

Angesichts der besonderen Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit für einen demokratischen Rechtsstaat überwiege das überragende Interesse an der Berichterstattung über die in dem Fall vorliegenden Missstände. Das stehe über den Nachteilen der Geschädigten, zu denen es durch die Veröffentlichungen gekommen sei.

Keine Hinweise auf rechtswidrige Beschaffung

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft schützt die Pressefreiheit nicht grundsätzlich die rechtswidrige Beschaffung von Informationen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte, dass die Journalisten rechtswidrig an das Video gekommen seien. Insbesondere gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie auf irgendeine Art und Weise in die Herstellung der Videoaufnahmen involviert gewesen seien.

Bereits vor einem Monat, Anfang November, war Strache in Hamburg mit einer Beschwerde gegen die Entscheidung der dortigen Behörde, das von ihm angestrebte Verfahren in Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ einzustellen, bei der Generalstaatsanwaltschaft abgeblitzt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren ohne Ermittlungen eingestellt.

„Kein hinreichender Tatverdacht“

Strache hatte ursprünglich über seinen deutschen Anwalt Strafanzeigen gegen alle Personen eingebracht, die für die Herstellung, Verbreitung und Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ verantwortlich waren. Das angestrebte Verfahren betraf insbesondere Verantwortliche des „Spiegel“, wie die Staatsanwaltschaft Hamburg damals laut „Standard“ bestätigte. „Spiegel“ und „Süddeutsche“ hatten das Video nach gemeinsamer Recherche zeitgleich publiziert.

Die Behörde stellte in der Folge das von Strache angestrebte Verfahren „nach Sichtung des verfahrensgegenständlichen Videos“ noch vor Aufnahme von Ermittlungen wieder ein, da „kein hinreichender Tatverdacht“ bestanden habe. Daran hat sich offenbar nichts geändert. Laut „Standard“, der als Erstes über die Entscheidung berichtete, hatte Straches Anwalt die Beschwerde unter anderem damit begründet, dass die Beurteilung der in Hamburg zuständigen Staatsanwaltschaft „allein auf dem wenige Minuten umfassenden veröffentlichten Video“ basiere.

Medien: Strache wollte „Ibiza-Video“ kaufen

Medienberichten zufolge hatte Strache nach dem Auffliegen des „Ibiza-Skandals“ versucht, an das komplette Video heranzukommen. Wie „Presse“ und „Standard“ im November berichteten, habe Strache bzw. sein Umfeld über diverse Kanäle ein sechsstelliges Angebot an die Hintermänner des „Ibiza-Videos“ herangetragen. Sein Anwalt bestritt ein finanzielles Angebot.

Dass Strache, der seine Aussagen in dem Video aus dem Zusammenhang gerissen sieht, gern das ganze Video hätte, ist nicht neu. Versuche, die veröffentlichenden Medien zur Herausgabe zu bewegen, schlugen jedoch bisher fehl, weil sich „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ erfolgreich auf den Quellenschutz beriefen.

Auch Staatsanwaltschaften haben Video nicht

Auch die ermittelnden Staatsanwaltschaften verfügen den Berichten zufolge nicht über das gesamte Bildmaterial. Und das, „obwohl bereits vor dem Einleiten offizieller Ermittlungen eine Weisung erfolgte, dieses zu beschaffen“, wie der „Standard“ schreibt.

Die Aufklärung der Hintergründe des Zustandekommens des Videos läuft unterdessen auf Hochtouren weiter. Vieles dürfte den ermittelnden Behörden dabei bereits klar sein. Dazu kommen auch andere Ermittlungsstränge, insbesondere jener um mutmaßliche Privatausgaben auf Parteikosten und hohe Bargeldeinnahmen.

Das zeigen nicht zuletzt in den letzten Tagen immer wieder an die heimischen Boulevardmedien gelangte Informationen und Einzeldokumente aus den Ermittlungen. So waren zuletzt etwa Fotos von einer Sporttasche in Straches Auto mit Bündeln von Geldscheinen darin an die Öffentlichkeit gelangt.

Zwei Verdächtige bleiben in U-Haft

Jene zwei Verdächtigen, die nach Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit den Ermittlungen zum „Ibiza-Video“ festgenommen wurden, bleiben unterdessen in Untersuchungshaft. Das sagte die Sprecherin des Landesgerichts für Strafsachen Wien, Christina Salzborn, am Freitag nach der Haftprüfungsverhandlung – mehr dazu in wien.ORF.at.