Fischschwarm nahe der Oberfläche
Getty Images/Rodrigo Friscione
Fischarten bedroht

Den Meeren geht der Sauerstoff aus

Der Sauerstoffverlust der Meere wird zu einer wachsenden Bedrohung für Fischbestände. Das geht aus einem neuen Bericht hervor, den die Weltnaturschutzunion (IUCN) am Samstag in Madrid bei der Weltklimakonferenz vorstellte. Betroffen seien etwa 700 Meeresregionen in aller Welt. Zum Vergleich: 1965 waren es 45.

Der sinkende Sauerstoffgehalt in den Ozeanen habe in der Hauptsache zwei Gründe. Zum einen die Klimaerwärmung: Je mehr CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird, desto größer ist der Treibhauseffekt – ein Großteil der Hitze wird von den Ozeanen absorbiert. Heizt sich das Meerwasser auf, enthalte es tendenziell weniger Sauerstoff, so die Forscher.

„Wir wussten vom Sauerstoffverlust, doch der Zusammenhang mit der Klimakrise war uns bisher nicht bewusst, und das ist besorgniserregend“, sagte Minna Epps von der IUCN. Die Zahl der anoxischen, also nahezu sauerstofflosen Gewässer weltweit vervierfachte sich seit 1960 sogar, wie es in der Studie heißt.

Auch Verschmutzung problematisch

Der zweite Grund: Eine Verschmutzung der Gewässer mit Nährstoffen etwa aus Fischzuchten und Düngemitteln aus der Landwirtschaft führe insbesondere in Küstenregionen zu einem starken Algenwachstum. Bei ihrem Abbau verbrauchen sie Sauerstoff. Laut Forschern sei das der Hauptfaktor für den Sauerstoffverlust, die Bedrohung durch die Klimaerwärmung habe aber stark zugenommen.

Algenplage an Strand in Mexiko
Reuters
Die Verschmutzung der Gewässer führt zu starkem Algenwachstum

Den Schätzungen der Forscher zufolge sei der Sauerstoffgehalt in den Ozeanen zwischen 1960 und 2010 im Durchschnitt um zwei Prozent gesunken. In manchen tropischen Regionen sank er gar um 40 Prozent. Es handelt sich um die bisher umfassendste durch Fachleute geprüfte Forschungsarbeit zum Thema Sauerstoffverlust in den Meeren.

Für Meereslebewesen haben selbst die kleinsten Veränderungen verheerende Folgen. In sauerstoffarmen Gewässern überlebten beispielsweise Mikroben, Quallen und Tintenfische besser als Fische. Als besonders bedroht von dem Sauerstoffverlust gelten Thunfische, Speerfische sowie manche Haiarten.

Überfischung droht

In wärmeren Gewässern vermischten sich sauerstoffreiche und -arme Schichten weniger gut, heißt es in dem Bericht. Thunfische und Haie brauchten wegen ihrer Größe und ihres Energiebedarfs viel Sauerstoff. Sie würden in relativ sauerstoffreiche Schichten in höheren Lagen gezwungen und setzten sich dann der Gefahr aus, gefischt zu werden. Überfischung sei die Folge, so die IUCN.

Vom Sauerstoffrückgang betroffen sind auch die Ostsee und das Schwarze Meer. „Das sind die größten geschlossenen Meeresökosysteme mit niedrigem Sauerstoffgehalt“, heißt es in dem Bericht. Während es im Schwarzen Meer teils natürliche Gründe gebe, seien in der Ostsee vor allem die Düngemittel und der Klimawandel schuld.

Fischzucht in China
AP/Imaginechina/Han Jiajun
Fischzuchten sind unter anderem schuld an der Verschmutzung

„Das letzte Alarmsignal“

„Das ist möglicherweise das letzte Alarmsignal, das wir von dem unkontrollierten Experiment bekommen, das die Menschheit in den Ozeanen der Welt ausgelöst hat“, sagte Dan Laffoley, einer der Herausgeber des Berichts. Sollte weltweit der Ausstoß an CO2 nicht aufgehalten bzw. reduziert werden, so prognostizieren die Forscher einen Sauerstoffverlust von drei bis vier Prozent bis 2100.

Der größte Verlust wird zudem die obersten 1.000 Meter der Wassersäule betreffen, die am reichsten an Meeresleben ist. „Wenn uns der Sauerstoff ausgeht, dann bedeutet das Verlust von Lebensraum und Biodiversität“, so Epps. Mehr Quallen und Schleim seien die Folge. „Es wird auch die Energie und den biochemischen Kreislauf der Ozeane verändern, und wir wissen nicht, was diese biologischen und chemischen Veränderungen eigentlich bedeuten.“

„Mit diesem Bericht rückt das Ausmaß des Schadens, der durch den Klimawandel für die Meere entsteht, in den Fokus“, erklärte IUCN-Direktorin Grethel Aguilar. „Indem erhitzte Meere Sauerstoff verlieren, wird das empfindliche Gleichgewicht des Meereslebens gestört“, fügte sie hinzu.

Forscher üben Druck auf Staats- und Regierungschefs aus

Die Forscher wählten den Zeitpunkt der Veröffentlichung bewusst: Im Zuge der bis Freitag andauernden Weltklimakonferenz (COP25) in Madrid soll so Druck auf die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs ausgeübt werden. Bei dem Klimagipfel wird unter anderem über internationale Regeln zum Umgang mit Treibhausgasemissionen verhandelt.

CO2-Emissionen gelten als wichtigste Ursache des menschengemachten Klimawandels. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich die Vertragsstaaten auf das Ziel geeinigt, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.