Die zumeist schwarz gekleideten und teils maskierten Demonstrierenden riefen den bekannten Protestslogan „Freiheit für Hongkong“ und hielten Schilder mit ihren Forderungen. Andere schwenkten Flaggen der USA, Taiwans und Großbritanniens. Noch Stunden nachdem sich der Marsch am Nachmittag im Victoria Park in Bewegung gesetzt hatte, strömten weitere Menschen nach.
Die gewaltige Beteiligung verdeutlicht, dass auch ein halbes Jahr nach Beginn der Proteste am 9. Juni große Teile der Hongkonger Bevölkerung noch hinter der Bewegung stehen. Das hatte bereits das Ergebnis der Lokalwahl vor zwei Wochen gezeigt, bei der das Demokratielager einen überraschend deutlichen Sieg einfuhr und 17 der 18 Bezirksräte der Stadt übernahm.
Aufruf zu friedlichem Protest
Auch nach dieser deutlichen politischen Niederlage hatte Regierungschefin Carrie Lam keine Zugeständnisse an das Protestlager gemacht – bei den Demonstrierenden sorgte sie am Sonntag abermals für Unmut. Es sei die „letzte Chance“ für Lam, auf die Forderungen der Protestbewegung einzugehen, sagte der Aktivist Jimmy Sham von der Civil Human Rights Front (CHRF), die den Protest organisiert. Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass sich die Demonstrationen fortsetzen werden.
CHRF rief am Sonntag zu einem friedlichen Protest auf. Auseinandersetzungen von Demonstranten mit der Polizei, die die Protestaktion anders als oft in den vergangenen Monaten nicht untersagte, sollten vermieden werden. Dennoch begannen einige Demonstranten damit, Straßenblockaden zu errichten. Die Sicherheitskräfte kündigten zugleich an, Gewalt seitens der Demonstranten nicht zu tolerieren.
Razzia vor Beginn des Marsches
Kurz vor Beginn des Marsches berichteten Hongkonger Medien von einer Polizeirazzia, bei der in der Früh Waffen radikaler Demonstranten sichergestellt worden seien, darunter auch eine Pistole. Die Polizei habe angegeben, dass die Waffen genutzt werden sollten, um bei dem Protestmarsch Chaos auszulösen. Der BBC zufolge wurden elf Menschen festgenommen.
Riesiger Protestmarsch in Hongkong
Im größten Protestmarsch seit Wochen zogen Medienberichten zufolge am Sonntag Hunderttausende Menschen durch Hongkong.
Die Demonstrationen in Hongkong waren vor einem halben Jahr ursprünglich aus Ärger über ein geplantes Gesetz für Auslieferungen an China entbrannt. Danach entwickelte sich der Protest zu einer breiteren Bewegung gegen die Hongkonger Regierung und den zunehmenden Einfluss Pekings.
Zwar kündigte Lam an, das Auslieferungsgesetz zurückzunehmen, und erfüllte damit eine der Forderungen der Demonstranten. Die Protestbewegung will aber zudem erreichen, dass Hongkongs Regierungschefin künftig in einer wirklich demokratischen Wahl gewählt und nicht wie bisher maßgeblich von Peking bestimmt wird. Zudem wollen die Demonstranten, dass die von ihnen angeprangerte Polizeigewalt bei der Protesten untersucht wird.
Tausende laut Berichten festgenommen
Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen – anders als die Menschen in der Volksrepublik – viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Die Hongkonger fürchten aber zunehmend um ihre Freiheiten.
Während der Proteste in den vergangenen Monaten ist es immer wieder zu schweren Ausschreitungen gekommen. Laut Angaben lokaler Medien hat die Polizei bisher etwa 6.000 Demonstrierende festgenommen.