Schwere Vorwürfe richten sich dabei auch gegen die zuständigen Behörden. Anrainer hätten sich nach Angaben des britischen „Guardian“ nicht nur über die schlechte Aufsicht und fehlende Kontrollen beklagt – es bestehe auch der Verdacht, dass die Fabrik ohne Genehmigung betrieben worden sei. Fehlende Sicherheitsmaßnahmen wurden der Zeitung zufolge auch vom Leiter der städtischen Feuerwehr, Atul Garg, bestätigt: Die Behörden hätten der Fabrik kein grünes Licht beim Brandschutz gegeben.
Der Lokalpolitiker Sanjay Singh forderte laut „Guardien“ volle Aufklärung über die Hintergründe, sollte die Fabrik tatsächlich illegal betrieben worden sein. Außer Frage stellte Singh, dass in diesem Fall der Betrieb komplett eingestellt werden müsse. Nach ersten Erkenntnissen könnte unterdessen ein Kurzschluss das Feuer ausgelöst haben. Die genaue Ursache dürfte aber erst nach Brandermittlungen feststehen, die innerhalb von sieben Tagen abgeschlossen sein sollen, wie der Regierungschef Neu-Delhis, Arvind Kejriwal, sagte.
Mit der „Tragödie“ sei zu rechnen gewesen, sagte Naushad Ahmad, der selbst früher in der Fabrik arbeitete und nun nach einem vermissten Freund suchte, zur AFP. „Das Gebäude hat nur einen Ein- und Ausgang, und dort sind auch alle Stromzähler installiert. Den Menschen blieb praktisch keine Fluchtmöglichkeit.“
Mindestens 43 Tote
Bei dem Feuer in einem dicht besiedelten Viertel von Neu-Delhi kamen nach Behördenangaben mindestens 43 Menschen ums Leben, die offenbar auf den verschiedenen Stockwerken des Fabriksgebäudes geschlafen hatten. Sie waren im Morgengrauen von den Flammen überrascht worden. Mindestens fünfzig Menschen konnten die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben retten.
16 Menschen wurden laut „Times of India“ teils schwer verletzt in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Die meisten Toten und Verletzten waren Wanderarbeiter aus den ärmeren indischen Bundesstaaten Bihar and Uttar Pradesh.
Kurzschluss als Ursache?
In der Fabrik wurden Medienberichten vor allem Taschen, Flaschen und Spielzeug hergestellt. Für welche Abnehmer die Produkte produziert wurden, konnte die Polizei noch nicht sagen. Das sei Teil weiterer Untersuchungen. Im Gebäude habe es leicht brennbares Plastik und Papier gegeben, wodurch viele giftige Gase entstanden seien.
Politik zeigt sich betroffen
Premierminister Narendra Modi reagierte entsetzt auf die Brandkatastrophe und sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Das verheerende Feuer sei „extrem entsetzlich“, schrieb Modi auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Behörden seien bemüht, alle erdenklichen Hilfsleistungen anzubieten. Kejriwal ließ verlauten, dass die Angehörigen jedes Opfers umgerechnet knapp 12.700 Euro erhalten sollen und die Verletzten je 1.270 Euro.
Delhi ist bekannt für seine chaotische Stadtplanung – viele Gebäude entstehen ohne Rücksicht auf Bau- und Sicherheitsauflagen der Behörden, Kontrollen sind selten. Immer wieder kommt es zu schweren Bränden – insbesondere in Betrieben in dicht besiedelten und maroden Vierteln, wo Bauland billig ist. Mangelhafte Brandschutzvorrichtungen, fehlende Notausgänge und veraltete Elektrik sind keine Seltenheit.
Fabriksarbeiter von Feuer überrascht
Das Feuer brach im Morgengrauen in einer Fabrik in der Altstadt Delhis aus. (Quelle: APTN)
Erst im September kamen bei mehreren Explosionen in einer Chemiefabrik im Westen des Landes mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben, die Zahl der Verletzten lag um ein Vielfaches höher. Der Brand vom Sonntag ist laut „Times of India“ der schwerste in Delhi seit mehr als 20 Jahren. 1997 waren bei einem Feuer in einem Kino 59 Menschen ums Leben gekommen.