EWHO
EWHO
Erstes Wiener Heimorgelorchester

Männer, die auf Synthies starren

Hypnotische Synthieklänge und Sprachspielereien, mitunter vorgetragen mit dem Duktus eines Männergesangsvereins: Seit einem Vierteljahrhundert verbindet das Erste Wiener Heimorgelorchester (EWHO) seine Liebe zu den Plastiksounds der 80er und der Literatur zu einem nerdigen Spaß. Zum Jubiläum lässt die Band zusammenwachsen, was für sie zusammengehört – „Da Da Da“ trifft Dada.

Am Mittwoch geht im Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) in Wien die große Show zum 25-jährigen Bestehen der vierköpfigen Band über die Bühne. Das Motto lautet „Die Da Da Da vor Dada kannten“ und ist alles andere als zufällig gewählt. Von der Kritik sei das Erste Wiener Heimorgelorchester immer wieder als „dadaistisch“ beschrieben worden, sagt Gründungsmitglied Daniel Wisser, „und ich habe immer wieder darauf gesagt: Wir sind die, die ‚Da Da Da‘ von Trio vor Dada kannten.“

Die Neue-Deutsche-Welle-Band Trio war eine der ersten Bands, die die Plastiksynthies im Popkontext einsetzte und so eine Art Blaupause für die Musik des EWHO schuf. „Da Da Da“ – der vollständige Titel des 1982 erschienenen Songs lautet „Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“ – ist eine Nummer, die auf dem Rhythmus einer Heimorgel, der Casio VL-1, aufbaut. Im TAG wird das Lied vom Heimorgelorchester zum Besten gegeben, ebenso wie eine Dada-Nummer von Hugo Ball, verrät Wisser gegenüber ORF.at.

„Popgeschichte, in Plastik gegossen“

Begonnen hat die Karriere des EWHO 1994. Einerseits als „Gegenbewegung zu allem, was damals gerade los war“, wie Wisser sagt. Mit Kurt Cobain starb damals der Grunge, von Großbritannien her rollte die Brit-Pop-Revolution an, und Mariah Carey dominierte mit ihrer Fünf-Oktaven-Stimme die heimischen Charts. Andererseits sei die Band ursprünglich gegründet worden, um in privaten Wohnzimmern zu spielen, sagt Wisser, dessen Roman „Die Königin der Berge“ mit dem Österreichischen Buchpreis 2018 ausgezeichnet wurde.

EWHO
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Seit 25 Jahren steht das Erste Wiener Heimorgelorchester auf der Bühne

Anfangs verlegte sich die Band auf das Covern bekannter Popsongs. „Eine der ersten Nummern war ‚Rivers Of Babylon‘ von Boney M“, erzählt Wisser. Schwer zu adaptieren war der Song nicht – schließlich gibt es laut Wisser eine Verbindung zwischen den Hits der 70er und 80er und Heimorgeln von Marken wie Casio, Yamaha und Roland: „Viele dieser Rhythmen und Arpeggios, die man auf den Geräten vorfindet, haben bekannte Popsongs zum Vorbild. Das Ganze ist so eine Art vorgefertigte Popgeschichte in Plastik gegossen.“

„Meta-Pop“ und Sprachphänomene

Den Umstieg von der Heimorgel auf Instrumente wie Gitarre/Bass/Schlagzeug habe man nie angestrebt, sagt Wisser. Kurzzeitig habe man allerdings mit der Idee gespielt, ein „Keyboardorchester“ mit Geräten aus den 80ern zu gründen. Gekommen ist es dazu nie. Auch Wissers Traum von der fluktuierenden Bandbesetzung blieb unerfüllt. Und so besteht die Band bis heute aus den Gründungsmitgliedern – Wisser und seinem Bruder Florian, Jürgen Plank und Thomas Pfeffer.

Getextet wird von der gesamten Band. Anforderungen an die Texte gibt es laut Wisser nicht. Im Laufe der Jahre haben sich aber gewisse Vorlieben herausgebildet. Zum einen das Kommentieren von Popsongs, „Meta-Pop“, wie es Wisser nennt. Auf der anderen Seite nimmt sich die Band sprachlicher Phänomene an. Etwa der Tatsache, dass in Teilen Österreichs die Endung „en“ zu „na“ wird. Zu hören ist diese Lautverdrehung in „Eichna sollst du weichna“, einem Frühwerk des EWHO. Überregionale Bekanntheit erlangte die sprachliche Besonderheit, als der ehemalige SPÖ-Verteidigungsminister Gerald Klug von und zu seinen „Soldatna“ sprach.

Treue Fans in Liechtenstein

Aus den Wohnzimmern zog es das EWHO auf die Bühnen in Clubs und im Theater. Im U4 spielte man mit Minisex („Rudi gib acht“). 2009 gewann man mit „Widerstand ist Ohm“ den Protest-Songcontest. Von 2004 bis 2009 sorgte man im Wiener Akademietheater für die musikalische Livebegleitung des Peter-Handke-Stücks „Untertagblues“.

So viel zu den Sternstunden der Band. Das größte Konzert des EWHO sei eigentlich ein „völliger Misserfolg“ gewesen, berichtet Wisser. Im Jahr 2000 spielte man in München. 600 bis 800 Leute seien anwesend gewesen, „die nicht mit dem gerechnet haben, was da kam, und einigermaßen verdutzt waren“, sagt Wisser. Besser lief es in Liechtenstein. Der EWHO-Song „Vaduz“ wurde im Radio des Fürstentums rauf und runter gespielt – bis es einigen Menschen im Kleinstaat zu viel wurde. Auf Facebook gründete sich 2009 eine (mittlerweile nicht mehr existente) Hassgruppe.

EWHO
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Das EWHO bei einem frühen Auftritt im burgenländischen Lockenhaus

Apropos Hasskommentare: Auf YouTube wurde das EWHO auch schon als „Kraftwerk für Arme“ verunglimpft. Und auch wohlmeinende Kritikerinnen und Kritiker rückten das Werk des EWHO immer wieder in die Nähe der deutschen Kultband. 2014 coverten Wisser und seine Kollegen Kraftwerks „Mensch-Maschine“. Dennoch fühlt man sich den eingangs erwähnten Trio viel näher. Die Vergleiche zu Kraftwerk liegen laut Wisser im „Set-up“ des EWHO: „Da stehen vier Männer hinter einem Pult und drehen und drücken ausdruckslos an Knöpfen herum.“

Ausgewählte Kollaborationen

Nicht nur die eigenen Texte liegen dem EWHO am Herzen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Gedichte mit Synthie- und Keyboard-Sounds verfeinert. 2016 wurden zwei Gedichte von Clemens J. Setz umgesetzt. Heuer folgte mit „anderwo“ ein ganzes Album mit vertonten Gedichten, darunter welchen von Ernst Jandl, Wolfgang Bauer, Barbi Markovic, Pia Hierzegger und Antonio Fian.

Ausgewählte Kollaborationen gab es auch außerhalb der Literaturwelt. Mit Schauspieler Michael Ostrowski coverte man „I Feel Love“ von Donna Summer und setzte Synthiegott Giorgio Moroder ein musikalisches Denkmal. Zum Jubiläum haben langjährige Weggefährtinnen und Weggefährten wie maschek, Hierzegger und Austrofred Grußbotschaften aufgenommen, die im TAG dem Publikum präsentiert werden.

Orgel-Orgien in der Oper

Was Liveauftritte anbelangt, haben sich die Prioritäten des EWHO mittlerweile verschoben. Viel zu touren und zu spielen sei nicht mehr so wichtig, erklärt Wisser. Eher gehe es darum, das richtige Ambiente zu finden, „weil wir uns doch sehr auf Musik zu Texten verlegt haben, wo man auch die Strophen verstehen muss und soll“, wie Wisser sagt.

EWHO-Jubiläum: Glückwünsche von Austrofred und Co

Das Erste Wiener Heimorgelorchester feiert sein 25-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum gibt es ein Musikvideo und Glückwünsche von Weggefährten wie Austrofred.

Acht Langspieler und unzählige EPs hat das Orchester seit seiner Gründung veröffentlicht. Zurücklehnen wird man sich trotzdem nicht. Laut Wisser werden bereits Pläne für ein neues Album und ein neues englischsprachiges Album gewälzt. 2021 dann könnte ein lange gehegter Wunsch der Band Wirklichkeit werden: die erste Oper des Ersten Wiener Heimorgelorchesters.