Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenski, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Ukraine-Konflikt

Gipfel in Paris schürt leise Hoffnungen

Das erste Mal trafen am Montag der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenski aufeinander. Die Erwartungen an den Ukraine-Gipfel in Paris schwankten im Vorfeld zwischen Hoffnung und Resignation. Am Ende sorgte das Treffen unter deutsch-französischer Schirmherrschaft doch für kleine Überraschungen.

Das Ringen um Frieden in der Ostukraine wird weiterhin zäh bleiben. Doch nach dem Gipfel in Paris gibt es zumindest Zeichen für Fortschritte. So setzten sich Putin und Selenski nicht nur mit Frankreichs Präsident Emanuel Macron und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an einen Tisch. Am Rande des Gipfels kam es gar zu einem Vieraugengespräch der beiden Staatschefs.

45 Minuten waren dafür laut Protokoll anberaumt. Am Ende redeten die beiden Staatschefs eineinhalb Stunden miteinander – unter anderem über den Gastransitvertrag, der Ende des Jahres ausläuft. Die Zusammenkunft von Selenski und Putin am Rande des Vierergipfels im Elysee-Palast wurde als ein wichtiges Signal der Annäherung gesehen. Beide Staatschefs hatten bisher nur miteinander telefoniert. Nach Abschluss des bilateralen Treffens sagte Putin auf die Frage von Journalisten, ob er zufrieden mit den Beratungen sei: „Ja, das bin ich.“

Waffenruhe soll bis Ende des Jahres umgesetzt werden

Das Vieraugengespräch war nicht die einzige Überraschung des Abends. Auch eine Gipfelerklärung wurde von den Diplomaten ausgearbeitet. Ende der vergangenen Woche war es noch unklar, ob es bei dem Spitzentreffen überhaupt eine solche Erklärung geben werde. Nun fand sich zumindest das Bekenntnis, den Minsker Friedensplan wieder mit Leben zu erfüllen.

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenski und Russlands Präsident Wladimir Putin
APA/AFP/Ian Langsdon
Selenski und Putin trafen das erste Mal zu einem bilateralen Treffen zusammen

Vereinbart wurde unter anderem eine vollständige Umsetzung der Waffenruhe bis Ende des Jahres. Zudem sollen Truppen bis Ende März aus drei umstrittenen Gebieten zurückgezogen werden. Und noch in diesem Monat werde ein weiterer Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland stattfinden, sagte Selenski nach dem achtstündigen Gipfeltreffen.

Innerhalb von 30 Tagen sollen auch neue Übergangspunkte für die Bevölkerung an der Frontlinie eingerichtet werden – auf der Grundlage von humanitären Kriterien. Neben der Waffenruhe soll auch ein Plan für die Minenräumung umgesetzt werden. „Wir haben uns auf klare, deutliche Schritte und Termine zu ihrer Umsetzung geeinigt“, sagte Selenski zu den Ergebnissen. Putin bezeichnete die Ergebnisse als Fortschritt für die Menschen im Kriegsgebiet. Wichtig sei eine Verbesserung des Lebens der Menschen, sagte der russische Präsident.

Nächster Gipfel in vier Monaten geplant

Ein weiterer zentraler Punkt ist nach Angaben von Macron und Merkel, Lokalwahlen in den von russischen Separatisten kontrollierten Gebieten der Ostukraine vorzubereiten. Wenngleich Macron eingestand, dass bezüglich eines möglichen Wahltermins weiterhin Differenzen zwischen Kiew und Moskau bestünden. Man hoffe aber auf eine Einigung in den kommenden vier Monaten.

In vier Monaten soll es erneut einen Gipfel in dem Format geben. „Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden“, sagte Merkel. Es seien „realistische Dinge“ vereinbart worden. „Wir werden dann natürlich auf diesem Weg auch weitermachen.“

In den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk stehen einander ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Rund 13.000 Menschen sind in dem blutigen Konflikt nach UNO-Schätzung bisher ums Leben gekommen.

Selenski muss liefern

Der im April ins höchste Staatsamt gewählte Selenski steht innenpolitisch erheblich unter Druck. Er war mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, den Krieg in der Ostukraine zu beenden. Er würde sogar mit dem „kahlköpfigen Teufel“ verhandeln, um den Konflikt zu lösen, hieß es etwa von dem ehemaligen Komiker. Doch allein die Möglichkeit eines Entgegenkommens an Russland ließ zuletzt seine Kritiker auf die Barrikaden gehen. Direkt vor dem Präsidentensitz in Kiew hielten sich in der Nacht zum Montag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mehrere hundert Menschen auf, die gegen mögliche Zugeständnisse an Moskau demonstrierten.

Ukraine-Gipfel in Paris

Ein Hoffnungsschimmer auf Frieden in der Ostukraine ist am Montag in Paris aufgeflackert. Zum ersten Mal sind sich der neue ukrainische Staatspräsident und der russische Staatschef gegenübergesessen.

Protestiert wurde am Montag auch in Paris. Vor Beginn des Pariser Spitzentreffens demonstrierten zwei Femen-Aktivistinnen vor Macrons Amtssitz. Eine Aktivistin wurde von Sicherheitskräften umringt und direkt vor der Einfahrt des historischen Gebäudes abgeführt. „Stoppt Putins Krieg. Putin ist kein Vermittler für den Frieden, er ist ein Kriegspropagandist!“, hieß es auf der Facebook-Seite der Organisation über Putin. Femen ist eine am 11. April 2008 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegründete Gruppe.

Macron sucht Dialog

Der Gipfel wird auch als „Normandie-Treffen“ bezeichnet, weil es die erste Zusammenkunft dieser Art im Juni 2014 in der Normandie gab – die Region liegt nordwestlich von Paris. Seit 2016 hatte aber kein Treffen mehr in dem Format stattgefunden. Gastgeber Macron strebt einen umfassenden Dialog mit Moskau über Sicherheit und Stabilität in Europa an. Um zu Fortschritten mit Moskau zu kommen, muss nach französischer Auffassung auch der Ukraine-Konflikt gelöst werden. Macrons Annäherung an Moskau wird in mittel- und osteuropäischen Ländern mitunter misstrauisch verfolgt.

Mord in Berlin belastet deutsch-russische Beziehungen

Merkel kam am Rande auch zu einem gemeinsamen Gespräch mit Putin zusammen. Über Inhalte machte die deutsche Seite zunächst keine Angaben. Es war erwartet worden, dass Merkel den Mord an einem Georgier in Berlin anspricht, der zu einer diplomatischen Krise zwischen Deutschland und Russland geführt hatte.

Putin sagte nach dem Gipfeltreffen, der in Berlin getötete Georgier sei selbst ein Mörder gewesen. Der Mann sei an einem Terroranschlag in der Moskauer Metro beteiligt gewesen und habe den Tod Dutzender Menschen verschuldet. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünstiger und brutaler Mensch“, so der russische Präsident.

Er warf Deutschland vor, den „Verbrecher und Mörder“ trotz entsprechender Gesuche russischer Behörden nicht ausgeliefert zu haben. Trotzdem wolle Russland nun die deutschen Ermittler bei der Aufklärung des Mordes unterstützen. Der Kreml-Chef sagte, er glaube nicht, dass der Fall die russisch-deutschen Beziehungen in eine Krise stürze. Aber gut sei das nicht für das Verhältnis. Putin kritisierte die Ausweisung von zwei russischen Diplomaten aus Berlin im Zuge der Ermittlungen. Russland werde entsprechend ebenfalls zwei deutsche Diplomaten ausweisen, sagte Putin.