Krise in WTO: Berufungsinstanz handlungsunfähig

Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen ist es den Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) nicht gelungen, den drohenden Stillstand eines wichtigen Gremiums abzuwenden. Das teilte Generaldirektor Roberto Azevedo gestern mit. Die letzte Ratssitzung der 164 Mitgliedsländer in diesem Jahr war zuvor nach zwei Tagen vorzeitig beendet worden. Ursprünglich waren drei Tage angesetzt.

Weil die USA die Ernennung neuer Berufungsrichter seit Jahren blockieren, ist die Berufungsinstanz im Streitschlichtungsverfahren von morgen an nicht mehr funktionsfähig. Das Mandat von zwei der drei verbliebenen Richter lief heute aus.

Berufungen sind nur möglich, wenn mindestens drei Richter im Amt sind. „Die Situation bedeutet nicht das Ende des auf Regeln basierenden Streitschlichtungsverfahrens“, betonte Azevedo. Einige Mitgliedsländer arbeiteten bereits an Übergangslösungen.

Lösungsversuche bis zuletzt

Noch zu Wochenbeginn hatte Azevedo im Rat der 164 Mitgliedsländer das Sakko abgelegt und in Hemdsärmeln noch intensivere Konsultationen auf höchster Ebene angekündigt. Er sagte: „Ein gut funktionierendes, unabhängiges und verbindliches Streitschlichtungsverfahren ist einer der Grundpfeiler der WTO.“

Der EU-Kommissar für Handel, Phil Hogan, warnte in Brüssel: „Dies ist ein bedauerlicher und sehr ernster Schlag für ein internationales, auf Regeln aufbauendes Handelssystem.“ Die EU werde in Kürze Vorschläge für ein alternatives Berufungssystem für die Länder vorlegen, die sich daran beteiligen wollen.

USA nutzen Stillstand als Hebel

Die Amerikaner kritisieren, Berufungsrichter hätten sich zu oft Macht angemaßt, die sie nicht hätten, etwa, um WTO-Regeln neu zu interpretieren. Allerdings nutzen die USA, wie sie selbst eingeräumt haben, die Blockade des Berufungsgremiums als Hebel, um größere Reformen zu erzwingen. Sie monieren etwa, dass die WTO-Regeln Handelsverzerrungen durch China keinen Einhalt gebieten könnten.