EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält Rede
Reuters/Francois Lenoir
Klimaneutral bis 2050

Von der Leyen stellte „Green Deal“ vor

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch ihre ehrgeizigen Klimapläne vorgestellt. Um die EU in den kommenden 30 Jahren klimaneutral umzugestalten, ist der Umbau fast aller Wirtschaftszweige nötig. Es gibt viel Kritik, einige Mitgliedsstaaten legen sich quer. Für Österreich wäre der Ausbau der Nuklearenergie ein rotes Tuch.

Am Mittwoch trat von der Leyen vor die Presse in Brüssel und stellte ihre Pläne vor, wie sie Energieversorgung, Industrieproduktion, Verkehr und Landwirtschaft binnen 30 Jahren klimafreundlich umbauen will. Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden. „Das ist Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“, so von der Leyen. „Wir schulden es unseren Kindern.“ Die Kommission betrachtet die Klimavorhaben als Wachstumsstrategie für die EU, sie sollen die Emissionen senken und ebenso Jobs schaffen.

Gedacht ist die Ankündigung als Signal an die laufende UNO-Klimakonferenz in Madrid und an den EU-Gipfel am Donnerstag, der das Ziel der Klimaneutralität ebenfalls auf der Agenda hat. Nach dem Statement stand eine Sondersitzung des EU-Parlaments an. Dort, vor allem aber auf dem Gipfel am Donnerstag wird die Kommissionschefin noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, will sie den „Green Deal“ durchbringen.

In allen Bereichen

Konkret will von der Leyen bis März 2020 ein Klimagesetz auf den Weg bringen, das die „Klimaneutralität 2050“ festschreibt. Als Etappenziel soll die EU bis 2030 ihre Klimagase um 50 bis 55 Prozent unter den Wert von 1990 bringen. Bisher geplant ist ein Minus von 40 Prozent.

An den Zielen soll die gesamte Gesetzgebung ausgerichtet werden wie ein „grüner Faden, der sich durch alle unsere Politikfelder“ zieht, so von der Leyen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Ermöglichen soll das eine Mischung aus Anreizen, Hilfen und Vorgaben.

Eine wichtige Rolle soll ein Fonds für einen sozial gerechten Strukturwandel spielen. „Wir haben das Ziel, 100 Milliarden Euro an Investitionen für die am stärksten gefährdeten Sektoren und Regionen zu mobilisieren“, sagte von der Leyen. Mit dem Geld sollen tiefgreifende Transformationsprozesse überall und in allen Wirtschaftsbereichen angestoßen werden.

Grafik zum Green Deal
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Kommission

Ein Viertel des EU-Budgets soll klimarelevant sein. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll zur „Klimabank“ werden und keine Förderungen für fossile Energien mehr bereitstellen. Der Emissionshandel soll zudem auf den Straßenverkehr ausgeweitet werden.

Kritik von vielen Seiten

Auch eine auf Umwelt und Klima ausgerichtete Agrarreform ist angedacht und ein schnellerer Ausbau von Energieeffizienz und Ökoenergie. Die Pläne sollen am Donnerstag von den Staats- und Regierungsspitzen auf dem EU-Gipfel beraten werden. Die EU-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien wollen sich nicht ohne Weiteres auf den Deal einlassen, sie wollen erst Zusagen für Milliardenhilfen, um die Pläne umzusetzen. Ihre Energieversorgung ist stark auf Kohle ausgerichtet. Die Einzelheiten der Finanzierung hängen jedoch von der Einigung auf den nächsten mittelfristigen EU-Finanzrahmen ab, der ebenfalls noch sehr umstritten ist. Dieser Haushaltsstreit dürfte sich noch monatelang hinziehen.

Klimaneutralität

Ab 2050 sollen keine neuen Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäre gelangen. Dafür muss der größte Teil der Klimagase, die zum Beispiel bei Verbrennung von Kohle, Öl und Gas und in der Landwirtschaft entstehen, vermieden und der Rest gespeichert werden.

Kritik gab es auch von Konservativen und Industrie: Sie halten die ehrgeizigen Ziel gar nicht für erreichbar. Die ständige Verschärfung der Klimaziele führe zu einer Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen, sagte etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf. Das sei „Gift für langlebige Investitionen“. Man bewege sich immer mehr in „Grenzbereiche der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Machbarkeit“.

Grünen und Umweltschützern hingegen gehen die Pläne nicht weit genug. Sie kritisieren, dass von der Leyens „Green Deal“ zunächst nur die Ankündigung einer Vielzahl von Gesetzen und Programmen in den Jahren 2020 und 2021 ist.

Bierlein gegen Atomenergie

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein sagte am Mittwoch im EU-Hauptausschuss des Nationalrats, dass noch ein breiter Dialog geführt werden müsse. „Wir dürfen weder die Bedürfnisse der Wirtschaft vergessen noch dürfen wir uns im Einsatz gegen CO2-Emissionen anderen schädlichen Energieformen wie etwa Nuklearenergie verschreiben.“

„Green Deal“ auf dem Prüfstand

ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter über den „Green Deal“, den die EU-Kommission für ein klimaneutrales Europa bis 2050 vorgestellt hat.

„Für Österreich ist klar: Der Übergang zu einem neuen grünen Wirtschaftsmodell muss sicher und nachhaltig sein“, so Bierlein. Nuklearenergie entspreche hingegen den Anforderungen der Sicherheit und Nachhaltigkeit nicht.

Umweltministerin Maria Patek begrüßte es, den Schwerpunkt auf den Klimaschutz zu legen. „Um im Klimaschutz effektiv weiterzukommen, braucht es europäische Lösungen und eine europäische Gesamtstrategie, die für alle Mitgliedsstaaten verbindlich ist“, teilte sie von Madrid aus mit. Ein Plan für die Finanzierung sei ein „Muss“, so Patek. Nur dann könne Europa Vorreiter im Klimaschutz bleiben. „Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen, die wir weltweit zu bewältigen haben.“