Von einem Schiff aus wird die Gas-Pipeline ins Meer verlegt
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US-Sanktionen

Showdown um Ostsee-Pipeline

Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen Firmen in Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten votierten am Mittwochabend (Ortszeit) mit seltener Einigkeit für ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in welches das Sanktionsgesetz eingefügt worden war.

Erwartet wird, dass der Senat das Paket, das im Unterhaus mit 377 zu 48 Stimmen angenommen wurde, noch vor Beginn der Sitzungspause Ende nächster Woche verabschiedet. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das Weiße Haus hat bereits deutlich gemacht, dass US-Präsident Donald Trump das Gesetzespaket unterzeichnen wird.

Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Russland begeben würde. Die deutsche Wirtschaft in Russland verurteilte die geplanten Sanktionen als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und rief die Regierung in Berlin zu Gegenmaßnahmen auf.

Schritt in letzter Minute

„Nord Stream 2“ soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bisher wurden nach Angaben des „Nord Stream 2“-Konsortiums mehr als 2.100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Der US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern. Die Sanktionen könnten es zumindest verzögern.

Firmen von Bauschiffen betroffen

Die Sanktionen im „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ zielen auf die Betreiberfirmen der hochspezialisierten Schiffe ab, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Auch „Turkish Stream“ – eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll – wäre betroffen. Die Sanktionen sollen auch für Folgeprojekte beider Pipelines gelten.

Von einem Schiff aus wird die Gas-Pipeline ins Meer verlegt
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Bild von der Verlegung der Rohre in der Ostsee

Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können.

OMV an „Nord Stream 2“ beteiligt

„Nord Stream 2“ kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gasprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Mehr als 90 Prozent der Strecke sind bereits fertiggestellt.

Sowohl Präsident Trump als auch Demokraten und Republikaner aus beiden Kammern des Kongresses laufen seit langem Sturm gegen „Nord Stream 2“. Die auswärtigen Ausschüsse im Repräsentantenhaus und im Senat hatten bereits vor Monaten mit überwältigenden Mehrheiten Gesetzesentwürfe mit Sanktionen zu „Nord Stream 2“ verabschiedet. Kritiker verweisen darauf, dass sich die USA darum bemühen, ihr eigenes Flüssiggas in Europa zu verkaufen.

Grafik zur Gas-Pipeline Nord Stream 2
Grafik: ORF.at/APA

Ruf nach Gegensanktionen

Während sich das „Nord Stream“-Konsortium selbst nicht äußern wollte, sagte der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp, der dpa in Moskau in der Nacht auf Donnerstag: „Wir sollten auf Sanktionen, die Europa schädigen, mit Gegensanktionen antworten.“ Schepp fügte hinzu: „Es ist an der Zeit, dass Berlin und Brüssel eine klare politische Position beziehen und mit gezielten Gegenmaßnahmen antworten.“

Schepp sagte, die energiepolitische Unabhängigkeit Europas stehe auf dem Spiel. „Nord Stream 2“ erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für günstige Energiepreise – auch im Vergleich zum teureren amerikanischen Flüssiggas (LNG). Die USA wollten mit den Sanktionen den Verkauf von LNG nach Europa fördern.

Kritik an „Scheinargument“

„Deutschland braucht günstige Energiepreise, um mit seinen energieintensiven Industrien im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können“, sagte Schepp. Eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas in Deutschland wies er als „Scheinargument“ zurück. Die EU hänge bei „nüchterner Betrachtung der Fakten unzweifelhaft weniger vom russischen Gas ab als Russland von den Deviseneinnahmen für in die EU geleitetes russisches Gas“. Die Sanktionen würden aber weniger Russland treffen, sondern in erster Linie europäische Unternehmen und deutsche Energieinteressen.

EU bei Gegenmaßnahmen ausweichend

EU-Handelskommissar Phil Hogan warnte. „Die EU wendet sich prinzipiell gegen die Verhängung von Sanktionen gegen EU-Unternehmen, die legitime Geschäfte betreiben“, sagte der Ire am Donnerstag in Brüssel. Seit der Änderung der EU-Gasrichtlinie im Mai seien klare Regeln für den Betrieb von Pipelines wie „Nord Stream 2“ in Kraft.

Aus Sicht der Kommission gehe es darum, dass „Nord Stream 2“ in transparenter und diskriminierungsfreier Weise operiere und dass es eine angemessene Regulierungsaufsicht in Einklang mit den Prinzipien des internationalen und europäischen Energierechts gebe. Die Frage, ob die EU im Fall der Verhängung von US-Sanktionen auf jeden Fall mit Vergeltungsmaßnahmen antworten würde, beantwortete Hogan allerdings ausweichend. Man wolle sich die US-Pläne zunächst genau anschauen, sagte er.

Russland sieht mit den geplanten US-Sanktionen Nachteile auf Europa zukommen. Die USA wollten sich mit diesem Schritt Vorteile im Gasgeschäft verschaffen, sagte Vizeaußenminister Alexander Gruschko am Donnerstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Mit möglichen US-Strafmaßnahmen würden die Interessen Europas und der Verbraucher verletzt.

Shaheen: „Botschaft an Putin“

Eingebracht hatten das Gesetz der republikanische Senator Ted Cruz und die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen. Cruz sagte vor der Verabschiedung durch das Repräsentantenhaus, man werde sicherstellen, dass die Sanktionen voll umgesetzt würden. Shaheen nannte das Gesetz eine „überparteiliche Botschaft des Kongresses an Wladimir Putin, dass die Vereinigten Staaten nicht tatenlos zusehen werden, während der Kreml versucht, seinen bösartigen Einfluss weiter zu verbreiten“.

Das US-Außenministerium hatte bei einer Anhörung im Senat in der vergangenen Woche eingeräumt, dass diplomatische Versuche, die Fertigstellung der Ostsee-Pipeline zu verhindern, nicht zum Erfolg geführt hätten. Trump hatte bereits vor Monaten gewarnt, Deutschland könnte mit der Pipeline zur „Geisel Russlands“ werden.