COP25 Gipfel in Madrid
AP/Bernat Armangue
EU-Deal

Zwiespältiges Signal an UNO-Klimagipfel

Auf der UNO-Klimakonferenz in Madrid steht noch viel Arbeit bevor. In Brüssel hat man sich hingegen schon geeinigt, das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, steht. Doch der Kompromiss hat seine Schwachstellen. Polen erhielt eine Ausnahmeregelung, zudem bleibt die Atomkraft zentral. Ob es auch in Spanien zu Kompromissen kommt, ist fraglich – die Gräben sind auch nach einem Sitzungsmarathon tief.

Mühsam und lange gestaltet sich der Endspurt für die UNO-Klimakonferenz (COP25), die kurzfristig von Chile nach Madrid verlegt worden war. Bei den Verhandlungen geht es um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015, in dem sich fast 200 Staaten das Ziel setzten, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Die Konferenz sollte eigentlich am Freitag enden, doch eine Verlängerung bis ins Wochenende hinein schien nötig. Ebenso war denkbar, dass der Gipfel sogar ohne Ergebnis zu Ende geht.

Offen waren am Freitag auch nach nächtlichen Verhandlungen aber noch wichtige Punkte. Im kommenden Jahr sollten gemäß dem Pariser Abkommen alle Staaten ihre Klimaziele intensivieren, was sich aber nicht abzeichnete. Auch Finanzierungsfragen waren noch ungelöst. Trotz vieler dramatischer Aufrufe, die ein schnelles Handeln gegen den Klimawandel forderten, hatte sich wenig bewegt. „Wenn wir einfach so weitermachen wie bisher, sind wir verloren“, prophezeite etwa UNO-Generalsekretär Antonio Guterres.

Die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg sah pessimistisch auf den Gipfel: „Das COP25-Treffen ist fast vorbei, und wir wissen vermutlich leider schon, wie es ausgeht“, so Thunberg bei einem Besuch im italienischen Turin. Politische Entscheidungsträger versuchten immer noch, vor ihrer Verantwortung wegzulaufen. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie das nicht tun können.“ Politiker müssten mit dem Rücken an die Wand gestellt werden, „damit sie ihren Job machen und unsere Zukunft schützen“.

Freude in Brüssel

Als Impuls für den zähen Gipfel in Madrid wurde von vielen die Einigung der EU vom Vortag gesehen. Die EU kam überein, bis 2050 klimaneutral zu werden. Außerdem billigte der EU-Gipfel den Plan der EU-Kommission, einen Klimazoll für Länder einzuführen, die sich nicht an das Pariser Abkommen halten. Mit dem Gipfelergebnis sei das Klimaziel „bereits festgeschrieben“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

EU-Gipfel im Zeichen des Brexit

Die europäischen Staats- und Regierungschefs tagen in Brüssel. Am Donnerstag hat sich die Runde auf neue Klimaziele bis 2050 geeinigt.

Alle seien sich bewusst, „dass nicht jede Region denselben Ausgangspunkt“ habe. Für einige Regionen und Sektoren werde es „härter, sich anzupassen“. Von der Leyen sagte, dass die EU weltweit Vorbild sein müsse. Nur so könne man Länder wie China oder Indien ebenfalls dazu bewegen, die CO2-Emissionen schneller zurückzufahren. Im März werde die Kommission deshalb die ersten Klimagesetze auf europäischer Ebene vorlegen.

Deal unter Vorbehalt

Vor allem Polen, Tschechien und Ungarn hatten die Festlegung auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zuerst abgelehnt. Sie beziehen einen großen Teil der Energieversorgung aus Kohle. Zudem wollten die drei Länder Sicherheit über die EU-Finanzhilfen für den Umbau ihrer Volkswirtschaften haben. Am Ende kam ein Deal unter Vorbehalt heraus: Tschechien und Ungarn konnten in den Verhandlungen durchsetzen, Atomkraft als akzeptierte Energiequelle auf dem Weg zur Klimaneutralität einzustufen.

In der Gipfelerklärung heißt es, die EU respektiere „das Recht der Mitgliedstaaten, über ihren Energiemix zu entscheiden“. Einige Länder hätten erklärt, „dass sie die Kernenergie als Teil ihres nationalen Energiemixes nutzen“.

Polen darf sich Zeit lassen

Polen erhielt außerdem eine Ausnahmeregelung. Man werde im kommenden Jahr auf das Thema zurückkommen, hieß es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels: „Angesichts der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Notwendigkeit, den weltweiten Klimaschutz zu intensivieren, unterstützt der Europäische Rat das Ziel, bis 2050 im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris eine klimaneutrale Union zu erreichen. Ein Mitgliedstaat (Polen, Anm.) kann sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verpflichten, dieses Ziel für sich umzusetzen, und der Europäische Rat wird im Juni 2020 darauf zurückkommen.“

Klimaneutralität

Ab 2050 sollen keine neuen Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäre gelangen. Dafür müssen der größte Teil der Klimagase vermieden und der Rest gespeichert werden.

Beim EU-Gipfel müssen normalerweise Entscheidungen im Konsens aller Mitgliedsstaaten getroffen werden. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte, bei manchen EU-Entscheidungen sei „Kreativität“ nötig, „ohne dass man den Kompass verliert“. Alle EU-Staaten seien sich aber beim Ziel 2050 einig, so Michel. Es gehe darum, dass Polen sich noch nicht auf den Weg zur Erreichung dieses Ziels habe verpflichten wollen.

Tschechien und Ungarn froh über Kompromiss

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete das Ergebnis insgesamt als „großen Fortschritt“: Es handle sich um „ein großes Bekenntnis“ der EU-Staaten zu einer grundlegenden Veränderung in der Energiepolitik. Es gebe „keine Spaltung Europas“, betonte sie.

Gleichzeitig pochte Tschechiens Regierungschef Andrej Babis darauf, es sei sein Verdienst gewesen, dass die Kernenergie Eingang in das Schlussdokument gefunden habe. Er habe seine EU-Kollegen „überzeugt (…), dass Atomenergie unser Weg zur Klimaneutralität ist“, so Babis auf Twitter. „Für tschechische Bürger bedeutet das genug saubere Energie für Jahrzehnte.“ Österreich, das sich auch bei der Klimakonferenz erneut gegen Atomenergie wandte, versprach Babis ausdrücklich: Österreich bekomme zwanzig Prozent Strom aus Tschechien. Kernenergie sei „sicher und keine Gefahr für österreichische Bürger“, so Babis.

COP25 Gipfel in Madrid
Reuters/Sergio Perez
Konferenz in Madrid: Appelle für rasches Handeln dominieren

Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sah im Kompromiss einen Teilerfolg für sein Land. Die Zurückdrängung der Erderwärmung habe einen hohen Preis, sagte er in einem Video auf Facebook. „Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass die später abzuschließenden Klimaabkommen so beschaffen sind, dass nicht die armen Länder, nicht die armen Menschen den Preis bezahlen.“

Diese Abkommen sollten beinhalten, dass den nach 2004 beigetretenen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern keine Entwicklungsfonds entzogen werden, dass zur Nutzung der Atomenergie ermutigt wird und dass die Lebensmittel- und Treibstoffpreise für die Menschen in diesen Ländern nicht steigen. „Wir haben noch nicht gesiegt, aber wir haben die Chancen für einen späteren Sieg geschaffen“, sagte Orban.