Konferenzleiterin Carolina Schmidt
Reuters/Nacho Doce
Staaten sollen Ziele verschärfen

Müder Kompromiss auf UNO-Klimagipfel

Nach harten und langen Verhandlungen ist die UNO-Klimakonferenz in Madrid mit Minimalbeschlüssen zu einer Anhebung der Klimaschutzambitionen und anderen Themen zu Ende gegangen. Es gelang nur der kleinstmögliche Output: Das Plenum erinnerte alle rund 200 Staaten an ihre Zusage, im nächsten Jahr ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen. Zentrale Entscheidungen wurden vertagt – von NGOs hagelt es Kritik.

In dem Beschluss, der am Sonntag im Abschlussplenum gefasst wurde und äußerst vage formuliert ist, werden alle Staaten „ermutigt“, 2020 auf Grundlage der Wissenschaft „die höchstmögliche Ambition als Reaktion auf die Dringlichkeit“ des Kampfs gegen den Klimawandel zu zeigen. Damit soll die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens noch gelingen.

Es sieht vor, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von deutlich unter zwei Grad, möglichst aber 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn die Staaten des Abkommens ihre Zusagen vollständig umsetzen, steuert die Welt auf eine gefährliche Erwärmung von mindestens drei Grad zu. Daher wurde in dem Konferenzbeschluss mit „ernster Sorge“ auf die „Kluft“ zwischen den tatsächlichen Klimaschutzanstrengungen und den notwendigen Maßnahmen zur Erfüllung der Paris-Ziele hingewiesen.

Schlafender Teilnehmer der COP25
APA/AFP/Oscar del Pozo
Ein Konferenzteilnehmer nach nächtelangen Dauerverhandlungen – das Ergebnis ist äußerst bescheiden

Kein „Notfall“

Die Hoffnung von Entwicklungsländern und Inselstaaten auf einen eigenen internationalen Fonds zur Bewältigung von bereits eintretenden klimabedingten Schäden und Verlusten erfüllte sich nicht. Die Idee einer Öffnung des bereits bestehenden Grünen Klimafonds, der Gelder für Klimaschutzmaßnahmen und für die Anpassung an die Erderwärmung bereitstellt, blieb in dem Beschlusstext vage.

Pariser Abkommen
Ziel des vor vier Jahren geschlossenen Pariser Abkommens ist, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Offiziell müssen die neuen nationalen Klimaschutzpläne zur Umsetzung des Paris-Abkommens vorgelegt werden. Von der Weltklimakonferenz in Madrid war aber aufgrund der fortschreitenden Erderwärmung ein starkes Signal erwartet worden.

Doch auch der Bericht des Weltklimarats wurde im Abschlusspapier nicht berücksichtigt. Dort wurde lediglich festgehalten, dass Klimaschutzmaßnahmen auf „bestmöglichen“ Erkenntnissen der Wissenschaft beruhen sollten. Auch findet sich im Entwurf, wie von mehreren Staaten gefordert, der Begriff „Notfall“ nicht.

Artikel 6 erneut vertagt

Die endgültige Ausgestaltung von Artikel 6 des Pariser Abkommens gelang ebenfalls nicht. Damit bleibt das Regelbuch zur Umsetzung des Paris-Abkommens weiter unvollständig. Alle anderen Kapitel waren vor einem Jahr bei der UNO-Klimakonferenz in Kattowitz beschlossen worden. Die Artikel-6-Verhandlungen wurden damals aber auf die diesjährige Weltklimakonferenz vertagt und werden nun voraussichtlich auch die nächste UNO-Klimakonferenz 2020 in Glasgow beschäftigen.

Konferenzleiterin Carolina Schmidt
APA/AFP/Oscar del Pozo
Konferenzleiterin Carolina Schmidt musste nach Kritik neue Beschlusstexte vorlegen

Artikel 6 sieht vor, auch Marktmechanismen zur Steigerung und Umsetzung der nationalen Klimaschutzbeiträge, der NDCs, zu nutzen. So könnte ein Industrieland in einem Entwicklungsland ein Solarkraftwerk finanzieren, um die Nutzung fossiler Energieträger zu verringern, und sich diese Emissionseinsparung auf sein NDC anrechnen lassen.

Besonders umstritten ist, ob unter dem Kyoto-Protokoll vergebene Verschmutzungsrechte unter dem Paris-Abkommen weiter gelten sollen. Darum kämpft insbesondere Brasilien. Umweltverbände warnen, dass das – genauso wie Schlupflöcher etwa für Doppelzählungen – das gesamte Pariser Abkommen unterlaufen könnte.

COP25 in Madrid
APA/AFP/Oscar del Pozo
Brasilien setzt sich für den Weiterbestand von Verschmutzungsrechten ein

„Beschlüsse so müde wie die Delegierten“

Scharfe Kritik gab es unterdessen von NGOs. Die Umweltschutzverbände Greenpeace und WWF sehen die internationalen Bemühungen für mehr Klimaschutz in einer tiefen Krise. „Diese Klimaschutzkonferenz war ein Angriff auf das Herz des Pariser Abkommens“, sagte Martin Kaiser von Greenpeace einer Mitteilung zufolge am Sonntag. Sie verrate alle Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise litten und nach schnellen Fortschritten riefen. „Die zynische Gier der fossilen Industrie hat den gemeinsamen, multilateralen Kampf gegen die unübersehbare Klimakrise in ihre tiefste Krise gestürzt“, erklärte er. Zudem habe die Politik von US-Präsident Donald Trump und des brasilianischen Staatsoberhauptes Jair Bolsonaro zu einer handfesten Blockade beigetragen.

Die Umweltschutzorganisation WWF bezeichnete die Beschlüsse als „so müde wie die Delegierten nach zwei durchverhandelten Nächten“ und betonte, die Konferenz sei „ein gruseliger Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020“.

Scharfe Kritik von Thunberg

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ging noch ein Stück weiter und warf den Industriestaaten wie den EU-Ländern vor, die Welt mit Versprechen wie Treibhausgasneutralität bis 2050 in die Irre zu führen. Die Regierungen fänden „clevere Möglichkeiten, echtes Handeln zu umgehen“. Einige reiche Länder hätten angekündigt, „ihre Treibhausgasemissionen bis zu dem und dem Datum um so und so viele Prozent zu senken oder klimaneutral zu werden“, sagte die 16-Jährige.

Aktivisten beim COP25 in Madrid
AP/Manu Fernandez
In Madrid kam es während der zweiwöchigen Konferenz zu mehreren Protesten

„Das mag auf den ersten Blick beeindruckend klingen, aber selbst wenn die Absichten gut sein mögen, ist das keine Führung“, kritisierte Thunberg. Schließlich bezögen die meisten Zusagen die Emissionen von Luftfahrt, Schiffsverkehr sowie dem Export und Import von Waren nicht mit ein. Vorgesehen sei hingegen die Möglichkeit, die eigenen Treibhausgasemissionen mit Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern zu kompensieren.

Thunberg warnt vor Verschleppung

Greta Thunberg mahnte in Madrid in einer auf wissenschaftliche Daten gestützten Rede davor, noch 30 Jahre zu warten, um Klimaneutralität zu erreichen. (Videoquelle: EBU)

Unter Berufung auf wissenschaftliche Erkenntnisse wie etwa die des Weltklimarats IPCC hob Thunberg hervor, dass das CO2-Budget, welches eine Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels noch erlaube, beim heutigen Umfang der Emissionen bereits in rund acht Jahren aufgebraucht sei. Klimaneutralität ab Mitte des Jahrhunderts bedeute also „nichts“, wenn das Emissionsbudget schon innerhalb weniger Jahre verbraucht sei.