Alte Ansichtskarte zeigt Dienstmädchen
Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien
Dienstmädchen

Ausbeutung von Kindesbeinen an

Treu, fromm und gehorsam: So sollte das feine Dienstmädchen um die Jahrhundertwende sein. Tausende Frauen schufteten in der Habsburgermonarchie wie Sklavinnen in den Häusern der Reichen – und das oft schon im Kindesalter. Lohn und Arbeitszeiten waren gesetzlich nicht geregelt, das Dienstverhältnis geprägt von Macht, Kontrolle und Ausbeutung.

Das 19. Jahrhundert wird auch als „Jahrhundert der Dienstmädchen“ bezeichnet. In Wien gab es 1890 mehr als 91.000 Dienstboten, davon waren 94 Prozent weiblich. Als Köchin, Stubenmädchen, Kindermädchen oder Mädchen für alles arbeiteten sie in bürgerlichen und adeligen Haushalten und bedienten die Herrschaft.

Wien war um die Jahrhundertwende das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der k. u. k. Monarchie: Die Hauptstadt und Residenz des Kaisers wurde Anziehungspunkt für Zuwanderer aus allen Teilen der Monarchie. Durch die fortschreitende Industrialisierung verlagerte sich der Arbeitskräftebedarf von der Landwirtschaft in die Städte.

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Alte Ansichtskarte zeigt Dienstmädchen
Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien (Montage)
Links: Lilli Wehle (später verheiratete Weber-Wehle) mit ihrer Kinderfrau „Fini“. Rechts: Elisabeth Maier (später verheiratete Gollhammer) bei der Gartenarbeit.
Alte Ansichtskarte zeigt Familie Schnitzler
ÖNB
Die Familie Schnitzler im Wiener Prater um 1904: Schauspieler und Regisseur Heinrich Schnitzler an seinem 2. Geburtstag auf dem Schoß seines Kindermädchens
Nobelvilla in Baden, Niederösterreich
ÖNB
Baden (Niederösterreich) um 1905: zwei Dienstmädchen und ein Kindermädchen vor einer Nobelvilla
Alte Ansichtskarte zeigt Otto Habsburg mit seinen Geschwistern beim Spielen
ÖNB
Otto Habsburg mit seinen Geschwistern, betreut von Kindermädchen, beim Spielen vor der Villa Wartholz in Reichenau an der Rax
Alte Ansichtskarte zeigt Münchener Stubenmädchen
ÖNB (Montage)
Links: „Münchener Stubenmädchen“, eine kolorierte Lithografie von Johann Waldherr. Rechts: ein Stubenmädchen.

Das hatte zur Folge, dass mehr Arbeitssuchende in die Metropolen kamen. Binnen weniger Jahrzehnte wuchs etwa in Wien die Bevölkerung auf über zwei Millionen Einwohner. Das Bürgertum orientierte sich am opulenten Lebensstil des Adels, die Nachfrage nach Dienstpersonal war groß. Wer etwas auf sich hielt, beschäftigte mindestens ein Dienstmädchen, reiche Haushalte konnten sich einen ganzen Personalstab leisten.

Aus allen Teilen der Monarchie

Dienstmädchen kamen meist aus ländlichen und kleinstädtischen Regionen, die Haupteinzugsgebiete waren Böhmen, Mähren, Ungarn, Ober- und Niederösterreich. Sie stammten aus einfachen Arbeiterfamilien, die Eltern waren Bauern oder Tagelöhner. Um die Familien zu entlasten, wurden Mädchen früh von zu Hause fortgeschickt, um den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Die Historikerin und Sozialwissenschaftlerin Jessica Richter sagte gegenüber ORF.at, dass es wenig um die Hoffnung der Mädchen selbst ging: „In den Dienst zu gehen war eine absolute Notwendigkeit, weil sich die Familien den Unterhalt der Kinder einfach nicht leisten konnten.“ Wenn Geld für eine Berufsausbildung vorhanden war, wurde diese den Söhnen zuteil, Berufsausbildung für Frauen unterer Schichten gab es in der Monarchie noch nicht.

Das Durchschnittsalter der Mädchen lag zwischen acht und 14 Jahren, wenn sie ihre erste Stelle antraten. Agenturen oder Bekannte, die bereits in den Städten arbeiteten, vermittelten die Mädchen an die Haushalte. In dem Buch „Mit Kochlöffel und Staubwedel. Erzählungen aus dem Dienstmädchenalltag“ schrieb Johanna Gramlinger ihre Erinnerungen als Dienstmädchen nieder. 1904 wurde sie im oberösterreichischen Attnang geboren und trat mit 16 Jahren ihre erste Stelle als Mädchen für alles an. Für sie war es das Ende ihrer Kindheit: „(…) an diesem Tage war es für immer vorbei mit der sorglosen Zeit und mein Lebensschifflein musste viele Stürme und Klippen umfahren, von denen ich damals nichts ahnte.“

Viele Pflichten, wenige Rechte

Das Dienstverhältnis zwischen Dienstmädchen und Dienstgeberfamilie wurde bis 1920 über die Dienstbotenordnung geregelt. Lohn, Kost und Logis waren in der Monarchie gesetzlich nicht geregelt, sondern wurden individuell vereinbart. Die Dienstmädchen mussten den Herrschaften stets zur Verfügung stehen und 24 Stunden am Tag in Arbeitsbereitschaft sein.

Der Arbeitsalltag war hart: Die Aufgaben reichten je nach Qualifikation von Kochen über Putzen und Servieren bis zur Kinderbetreuung. Arbeitszeiten von 16 Stunden waren üblich. Die Unterbringung war in der Regel miserabel, die Mädchen und jungen Frauen schliefen in kleinen, ungeheizten Räumen unter dem Dach oder mussten sich mit einer Schlafstätte in der Küche oder dem Badezimmer zufriedengeben. Aus Erfahrungsberichten geht hervor, dass die Dienstbotinnen auch mit sexueller und sonstiger Gewalt konfrontiert waren.

Ausbeutung auf vielen Ebenen

Die Hierarchie zwischen Dienstpersonal und Herrschaft wurde stets aufrechterhalten und fand ihren Ausdruck auch in der Sprache. Laut Richter wurden die jungen Frauen in der Regel beim Vornamen genannt oder als Mädchen tituliert: Manchmal habe man sich sogar einen eigenen Vornamen für sie ausgedacht, „wenn die Dienstherrschaften den Vornamen der jungen Frauen nicht mochten“.

Die Frauen hatten in der Monarchie keine Möglichkeit, bei Streitigkeiten oder Gewalt gegen ihre Herrschaften vorzugehen. Für die Dienstverhältnisse waren nicht die Gerichte, sondern die Polizei zuständig, und diese ergriff nicht selten Partei für die Herrschaft.

Die Politik scheitert

Es waren sozialdemokratische und bürgerlich-katholische Frauenverbände, die sich der Dienstmädchen annahmen. Bereits 1893 fanden die ersten von Sozialdemokraten organisierten Versammlungen von Dienstmädchen statt. Auch Adelheid Popp, Sozialdemokratin und Pionierin der proletarischen Frauenbewegung, griff das Elend der Dienstmädchen auf. In ihrem Werk „Erinnerungen. Aus meinen Kindheits- und Mädchenjahren“ schrieb Popp über die Versammlungen: „Wie die Arbeiter, mussten auch die Dienstmädchen lernen, dass der Weg zur Befreiung nicht so rasch zurückgelegt werden kann. Die Frucht muss erst reifen (…).“

Vor dem Ersten Weltkrieg konnte jedoch keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erzielt werden. Es gestaltete sich schwierig, die Frauen zu organisieren, da diese vereinzelt in den Haushalten lebten, und das Bürgertum wehrte sich gegen die sozialdemokratischen Forderungen nach einer Sozialgesetzgebung für Dienstmädchen.

Porträt der Popp, Adelheid [1869-1939], Gelegenheitsaufnahme, Orignalfoto
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Adelheid Popp, Pionierin der Sozialdemokratie und Frauenrechtlerin

Neues Gesetz, kaum Verbesserung

Es waren die ersten weiblichen Abgeordneten im Parlament, unter ihnen Popp, die 1920 das Hausgehilfinnengesetz einbrachten. Gemeinsam beschränkten die Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen die Arbeitszeit auf 13 Stunden; Mindestlohn, Kost und Logis und eine Kündigungsfrist von 14 Tagen wurden vereinbart.

Altes Foto zeigt die Sitzung der verfassunggebenden Nationalversammlung im Parlament
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Sitzung der verfassungsgebenden Nationalversammlung im Parlament am 14. März 1919 mit Adelheid Popp (erste Reihe links)

Formal brachte das Gesetz zwar einige Verbesserungen, aber in der Praxis änderte sich wenig. Die Haushalte wurden selten kontrolliert, und nach einer Erhebung des Frauenreferats unter Leitung der Sozialwissenschaftlerin und Sozialdemokratin Käthe Leichter aus dem Jahr 1926 arbeiteten rund zwei Drittel aller Wiener Dienstbotinnen immer noch mehr als 13 Stunden am Tag.

Buchhinweise

Althaus, Andrea (Hg.): Mit Kochlöffel und Staubwedel. Erzählungen aus dem Dienstmädchenalltag. Böhlau, 293 Seiten, 24,90 Euro.

Popp, Adelheid: Jugend einer Arbeiterin. Picus, 176 Seiten, 20,00 Euro.

Das Dienstmädchen von heute

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 traf Österreich hart. Aufgrund innerpolitischer Spannungen dauerte die Krise bis 1938 an. Die Arbeitslosigkeit wurde zum Massenphänomen, nur noch die Reichen konnten es sich leisten, Dienstpersonal anzustellen. Die Frauen durften keinen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen und waren somit gezwungen, sich in anderen Berufsfeldern als Hilfskraft zu verdingen. Es kam zu einer Berufsumschichtung, und die Anzahl der Frauen im häuslichen Dienst ging in der Zwischenkriegszeit zurück.

Leichter hielt in ihrer Studie von 1926 über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Dienstmädchen fest: „Die Hausgehilfin von heute ist die Gast- und Kaffeehausangestellte, die Hilfsarbeiterin, die Verkäuferin von morgen.“