Deutsche Autobahn bei Nacht
APA/dpa/Daniel Reinhardt
Deutschland

Mautflop zieht Streit um halbe Mrd. nach sich

Im Juni hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Mautpläne der deutschen Regierung platzen lassen. Da waren die Verträge mit Betreiberfirmen aber schon geschlossen. Kapsch und CTS Eventim bezifferten am Donnerstag erstmals, wie viel Geld sie nun fordern wollen: 560 Millionen Euro könnten an den deutschen Steuerzahlern hängen bleiben. Der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) weist die Vorwürfe zurück.

Scheuer steht schon seit dem Kippen der Maut stark unter Druck. Die Opposition wirft ihm vor, die Verträge mit Kapsch und CTS Eventim zu früh unterzeichnet zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, dass sogar die Bieterfirmen vorgeschlagen hätten, mit dem Abschluss bis zur Verkündung des EuGH-Urteils zu warten.

Somit habe Scheuer auch Haushalts- und Vergaberecht gebrochen und Regelungen zum Schadenersatz zulasten des Steuerzahlers vereinbart. In der vergangenen Woche nahm in der Sache auch ein Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages seine Arbeit auf.

Laufzeit von zwölf Jahren vorgesehen

Klage Österreichs

  • 2017 reichte Österreich Klage vor dem EuGH gegen die deutschen Mautpläne ein. Der Grund: Diskriminierung. Österreichische Fahrerinnen und Fahrer hätten, anders als deutsche, die Maut nicht zurückerstattet bekommen.
  • 2018 erhält Autoticket den Zuschlag.
  • 2019 erklärt der EuGH das Mautgesetz für rechtswidrig.

Die nun erstmals formulierten Schadenersatzforderungen der beiden Betreiberfirmen werden Scheuers Lage verschärfen. Wie das österreichische Mautunternehmen Kapsch am Donnerstag mitteilte, sind beide Firmen überzeugt, dass ihre für die Maut gegründete Gemeinschaftsfirma Autoticket für den vorliegenden Fall der Vertragsbeendigung Anspruch auf entgangenen Gewinn über die Vertragslaufzeit habe – vorgesehen waren zwölf Jahre.

Weiterhin sehe der Vertrag einen Ausgleich von „Beendigungskosten“ vor, zu denen auch Schadensersatzansprüche von Unterauftragnehmern gehörten. Die Ansprüche von 560 Millionen Euro sollten in mehreren Schritten geltend gemacht werden, hieß es.

Zum weiteren Vorgehen erklärten Kapsch und Eventim, zunächst solle nun ein unabhängiger „Stichtagsprüfer“ die Ermittlung des entgangenen Gewinns überprüfen. Zur Klärung der Ansprüche sei dann ein Verhandlungsverfahren mit dem Bund vorgesehen. Sollte es scheitern, sei für eine endgültige Entscheidung ein Schiedsverfahren vorgesehen.

Bereits hohe Kosten angefallen

Laut Zahlen der Tagesschau gab Deutschland zudem bereits zur Vorbereitung der Mauteinführung zwischen 2014 und 2018 54 Millionen Euro aus. Für 2019 seien weitere 86 Millionen Euro veranschlagt gewesen. Für die Abwicklung des Projekts ab 2020 seien rund 8,2 Millionen Euro fällig.

Scheuers Ministerium hatten nach dem Scheitern der Maut argumentiert, dass es vom Gesetzgeber den Auftrag gegeben habe, die Pkw-Maut, die ab Oktober 2020 erhoben werden sollte, baldmöglichst umzusetzen. Die Verträge seien deshalb bereits 2018 geschlossen worden, um den Termin für den Beginn der Maut nicht zu gefährden, außerdem hätten „erhebliche Einnahmeverluste“ aus einer Verzögerung vermieden werden sollen.

Scheuer wirft Firmen falsche Zahlen vor

Scheuer wies auch jetzt einmal mehr alle Vorwürfe „mit aller Entschiedenheit“ zurück. „Die Zahlen sind falsch und entbehren jeglicher Grundlage“, sagte er am Donnerstag nach Bekanntwerden der Forderungen. „Die Betreiber haben keinen Anspruch auf Entschädigung." Sie nutzten „das Spekulations- und Zahlenwirrwarr, das gerade auch in den letzten Wochen durch die Oppositionsfraktionen ausgelöst und entstanden ist“.

Die Firmen hätten vertragliche Leistungen nicht erfüllt und nach der Kündigung die Verträge vorsätzlich und treuwidrig verletzt. Diese seien daher aus mehreren triftigen Gründen gekündigt worden. In diesem Fall sei die Vertragslage „zugunsten des Bundes“. Er habe bereits den Prozess für ein Schiedsverfahren gestartet und die Firmen zu Gesprächen Mitte Jänner aufgefordert.

U-Ausschuss turbulent gestartet

Von der Opposition in Berlin kam nach den Forderungen scharfe Kritik, die FDP sprach von einem „K.-o.-Schlag“ für Scheuer. Stephan Kühn von den deutschen Grünen warf Scheuer vor, mit dem Geld der Steuerzahler „gepokert“ zu haben. Der Verkehrsminister sei „nicht mehr zu halten“ und müsse „endlich zurücktreten“.

Im U-Ausschuss wird sich Scheuer verantworten müssen. Dort sollen die Umstände der Vergabe und Kündigung der von Scheuer geschlossenen Verträge aufgeklärt werden. Auch soll geklärt werden, wie nun die Abwicklung laufen soll und wer dafür die Verantwortung trägt.

Im Rahmen dieser Aufklärung sorgte Scheuer bereits für Unmut. Sein Ministerium hatte Dutzende Dokumente zur Pkw-Maut mit einer schärferen Geheimhaltungsstufe versehen. Damit wurde dem U-Ausschuss die Einsicht darin erschwert. Das Ministerium begründete den Schritt mit einer möglichen „Beeinträchtigung eines etwaigen schiedsgerichtlichen Verfahrens“.