Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
ORF.at/Peter Pfeiffer
Freies Spiel der Kräfte

Bierlein übt Kritik an NR-Beschlüssen

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat mit einigen Beschlüssen, die der Nationalrat im freien Spiel der Kräfte gefasst hat, wenig Freude. Im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ („SN“, Freitag-Ausgabe) nannte sie diesbezüglich etwa die Pensionsreform, „die budgetrelevant ist und die nächste Regierung belastet“, und die Anpassung des Pflegegeldes.

Die Kanzlerin nannte noch weitere Beispiele für aus ihrer Sicht folgenbehaftete Übereinkommen im Parlament. So bringe auch der Beschluss, das saudische Dialogzentrum (KAICIID) zu schließen, „problematische Entwicklungen“ mit sich. Dabei handle es sich nämlich um ein internationales Amtssitzabkommen. Derlei Beschlüsse habe sie nicht erwartet, so Bierlein, „schon gar nicht bei unserer ersten Sitzung im Parlament“.

Kritik übte die amtierende Bundeskanzlerin auch am Gesetz zum Verbot von Glyphosat. Dieses sei „offensichtlich keine optimale legistische Leistung gewesen“. Weil der Nationalrat die erforderliche Koordination mit der EU versäumt hatte, machte Bierlein das Gesetz nicht kund. Ferner sei sie immer „eine Freundin von Gesetzen“ gewesen, die vor der Beschlussfassung ausreichend begutachtet wurden. Das geschehe bei Initiativanträgen nicht.

Gesetze nur beschlossen, „um Vorteil für Wahl zu erlangen“

Überhaupt habe sie den Eindruck, dass vor der Wahl einige Gesetze auf den Weg gebracht wurden, „um einen vermeintlichen oder echten Vorteil für die Wahl zu erlangen“, so Bierlein gegenüber der „SN“. Wenig Freude hat Bierlein auch damit, dass die Position des Verfassungsgerichtshof-Präsidenten seit ihrem Abgang nicht besetzt ist. Die Bewerbungsfrist lief bereits im September aus. Sie wolle die Entscheidung aber der kommenden Regierung überlassen.

Mit einer solchen sei im Jänner zu rechnen, so Bierlein weiter. Wenn aber „in absehbarer Zeit keine neue Regierung angelobt werden kann, müssten wir unsere Strategie ändern. Wir müssten bestimmte Positionen besetzen. Wir müssten bestimmte Gesetze und Reformen, die anstehen, auf den Weg bringen.“ Angetreten sei man als Übergangsregierung mit dem Anspruch, „bestmöglich zu verwalten und weniger zu gestalten“.

„… dann werden wir Zurückhaltung überdenken müssen“

Sollte es noch länger keine Regierung geben, bestünde in einigen Bereichen baldiger Handlungsbedarf. „Es ist einiges im Justizbereich zu tun, ebenso im Verteidigungsbereich, im Bildungs- und Sozialbereich. Wenn es länger keine neue Regierung gibt, werden wir unsere bisherige Zurückhaltung gemeinsam mit dem Bundespräsidenten überdenken müssen“, so Bierlein.

Doch nimmt die Kanzlerin an, dass eine Koalition zwischen ÖVP und Grünen kommen werde. „Es wird schon lange verhandelt, und auch Europa blickt in dieser Frage auf Österreich und auf diese neue Konstellation. Die beiden Verhandlungspartner werden sich wohl sehr anstrengen, um ein gutes Ergebnis zustande zu bringen“, so Bierlein. Rücksprache mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler halte sie aber nicht.