Die britische Flagge vor der Uhr des „Big Ben“
AP/Alastair Grant
Deal angenommen

Brexit nun endgültig auf Schiene

Nachdem das britische Unterhaus am Freitag nach monatelangem Tauziehen den EU-Brexit-Vertrag nun doch angenommen hat, dürfte am 31. Jänner als Brexit-Datum kaum noch zu rütteln sein. „Wir sind einen Schritt näher“, verkündete der britische Premier Boris Johnson nach der Abstimmung. Doch bald steht der nächste große Brocken bevor: Großbritannien und die EU müssen Klarheit über ihr künftiges Verhältnis schaffen.

Davor müssen noch formale Fragen geklärt werden, denn endgültig in Kraft treten wird das Gesetz zum Brexit-Vertrag erst nach Weihnachten. Die weiteren Stufen im Gesetzgebungsverfahren sollen im Jänner vollzogen werden. Das Unterhaus wird ab dem 7. Jänner weiter beraten, am 9. Jänner soll die Gesetzgebung unter Dach und Fach sein. Danach muss das Oberhaus noch grünes Licht geben, doch das gilt beinahe als Formalie. Das Europäische Parlament soll den Deal am 29. Jänner absegnen.

Am 31. Jänner soll dann der „Brexit-Day“ über die Bühne gehen. Ab diesem Tag kann Artikel 50 zum EU-Austritt nicht mehr zurückgezogen werden. Großbritannien verliert seinen Status als EU-Mitglied, tritt aber direkt in eine elfmonatige Übergangsphase ein. Während dieser wird zunächst so gut wie alles beim Alten bleiben. Großbritannien bleibt in diesem Zeitraum Teil des Binnenmarkts, es gibt also keine Veränderung bei Handel und Freizügigkeit. In den politischen Institutionen der EU ist Großbritannien aber nicht mehr vertreten.

Elfmonatige Hochdruckverhandlungen

Die EU und Großbritannien wollen in den elf Monaten über die künftigen Beziehungen samt einem Freihandelsabkommen verhandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als äußerst knapp. Eine mögliche Verlängerung der Übergangsfrist wurde am Freitag nicht beschlossen. Sollte es keine Einigung geben, könnte Großbritannien bis zum 1. Juli um eine Verlängerung der Übergangsphase bitten. Johnson hatte zwar ein Gesetz gegen diesen Zug durchgebracht, dieses könnte aber rückgängig gemacht werden.

Der britische Premier Boris Johnson
APA/AFP/Ho
Johnson brachte den Deal mit Brüssel durchs britische Unterhaus

Weitere kurzfristige Änderungen am Gesetzestext durch Johnson heben auch die parlamentarische Kontrolle über den Verhandlungsprozess auf. Die Minister und Ministerinnen sind demnach nicht mehr verpflichtet, das Parlament über den Fortschritt der Gespräche zu informieren. Johnson dürfte vor allem danach trachten, bis Ende 2020 ein Handelsabkommen auf die Beine zu stellen. Zahlreiche Expertinnen und Experten betrachten diesen Zeitraum als zu kurz.

Von der Leyen warnt vor ungeregeltem Austritt

Auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte, dass die Zeit für eine Neuregelung der Verhältnisse extrem knapp sei. Für einen schnellen Start der Verhandlungen werde die EU-Kommission deshalb schon am 1. Februar ein Mandat vorlegen. Ein ungeregelter Abschied nach der Übergangsphase würde das Vereinigte Königreich zwar stärker treffen als die Europäische Union, so von der Leyen. „Aber es wäre eindeutig nicht in unserem Interesse.“ Sie hoffe auf eine „beispiellose Partnerschaft“ beider Seiten.

Jahrelanges Tauziehen

Das britische Unterhaus hatte am Freitag mit 358 Stimmen dafür und 234 Stimmen dagegen grünes Licht für den Brexit-Deal gegeben. Das Ergebnis war erwartet worden. Bei der Parlamentswahl im Dezember hatten die Torys die absolute Mehrheit im Unterhaus zurückgewonnen.

Die Annahme des Austrittsabkommens markiert den Anfang vom Ende des jahrelangen Tauziehens um den britischen EU-Austritt. Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit der Britinnen und Briten bei einem Referendum für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union gestimmt. Acht Monate nach dem Referendum stellte London den offiziellen Austrittsantrag an die EU. Damit begann die im EU-Vertrag vorgesehene zweijährige Frist.

Schlappen für May

Angesichts guter Umfragedaten brach Regierungschefin Theresa May 2017 vorgezogene Neuwahlen vom Zaun. Der Erfolg für die Konservativen blieb aus, die Torys büßten die absolute Mehrheit ein, Mays Regierung war fortan von der nordirischen Unionistenpartei DUP abhängig. Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über ein Austrittsabkommen und eine politische Erklärung, welche die künftigen Handelsbeziehungen skizzieren sollten, starteten erst im Juni 2017 – ein Jahr nach dem Referendum.

Unterhaus stimmt für Johnsons Brexit-Deal

Der Brexit kann kommen: Das britische Parlament hat für das von Premier Boris Johnson verhandelte EU-Austrittsabkommen gestimmt.

Die EU pochte auf die Klärung von drei großen Themen: der britischen Schulden bei der EU, der Rechte der EU-Bürger in Großbritannien; und auf eine Regelung, die weiter eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland vorsieht.

Abkommen fiel mehrmals im Unterhaus durch

Beide Seiten vereinbarten – während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 – ein Austrittsabkommen. Dieses sah vor, dass Großbritannien zunächst mit der EU in einer Zollunion verbunden bleibt. Der Brexit-Vertrag wurde von einem EU-Gipfel angenommen.

Das Austrittsabkommen durch das britische Parlament zu bekommen erwies sich in weiterer Folge für May als unmöglich. Zwischen Jänner und Ende März dieses Jahres lehnte die Mehrheit der Abgeordneten den Deal dreimal ab. London war gezwungen, in Brüssel um eine neue Frist für den Austritt anzusuchen – und bekam diese gewährt. Im Sommer schließlich drängte Johnson May aus dem Amt und übernahm den Vorsitz bei den Torys.

Am 17. Oktober verkündeten der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Johnson die Einigung auf einen „großartigen“ Deal. Das britische Parlament machte Johnson zunächst einen Strich durch die Rechnung, zudem zwangen die Abgeordneten den Premier, eine weitere Verschiebung des Brexits in Brüssel zu beantragen – dieses Mal bis zum 31. Jänner 2020. Dieses Datum dürfte nun halten.